Bewertung

Review: #1.01 Der Winter naht

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Kit Harington, Game of Thrones
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Manchmal sind die am längsten erwarteten, heißersehntesten Stoffe am schwierigsten zu bewerten. Sei es eine bereits im Vorfeld durch zahlreiche Castingmeldungen und Vorabtrailer beeinträchtigte Buchverfilmung oder eine Romanfortsetzung, die allein durch die schiere Erwartungshaltung solch immensem Druck ausgesetzt ist, dass eine Enttäuschung fast vorprogrammiert ist. Ähnlich ging es mir mit der meinerseits am sehnlichst herbeigesehnten Serie der TV-Season 2010/2011: "Game of Thrones". Die Vorlage aus der Feder des erfahrenen Roman- und Drehbuchautors George R. R. Martin konnte mich restlos begeistern und hat für mich eher die Bedeutung einer vielschichtigen Familiensaga eingenommen, als die eines reinen Genrestoffes. Und so war die Zeit vor dem 17. April, an dem HBO endlich die erste Staffel über die Bildschirme schickte, geprägt von einer Mischung aus unbändiger Vorfreude und leichter Angst vor der Enttäuschung.

Schließlich kann man in Zeiten des Internets und wenn man dem halbprofessionellen Hobby nachgeht, sich mit TV-Serien über das normale Maß hinaus auseinanderzusetzen, gewisse Trends im großen und spannenden Feld der TV-Kritik zu verfolgen und so bereits vorab einer Fülle an Informationen zur neuen Serie ausgesetzt ist, ohne auch nur eine Folge des fertigen Produktes gesehen zu haben, manchmal dem Hype im Vorfeld eines Serienstarts und all dem damit verbundenen Getöse nicht entziehen. Da werden die Erwartungen der Hardcore-Fans und Puristen thematisiert, die jede kleinste Änderung der Vorlage bei der Transformation ins neue Medium als Sakrileg sehen (man erinnere sich nur an das Tom-Bombadil-Drama bei der "Herr der Ringe"-Verfilmung), ebenso wie die manchmal erschreckend hirnrissigen Vorurteile gegenüber dem Genre Fantasy als solches. All dieser Medienlärm im Vorfeld, gepaart mit der leicht paranoiden Erwartung der eigenen Enttäuschung führt dann fast dazu, dass man vor dem ersten Einschalten beinahe etwas wie Angst verspürt. Und so war der langersehnte Start von "Game of Thrones" für mich doch ein zweischneidiges Schwert und ich war nach den knapp 65 Minuten des Piloten doch unheimlich erleichtert, dass dieser es geschafft hat, all diese äußeren Einflüsse zu übertönen und für sich allein einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte.

Zwar ist man als treuer Fan der Vorlage zunächst einmal darin gefangen, die Bilder aufzunehmen und mit der eigenen Fantasie abzugleichen, schließlich kennt man den Plot und muss darauf nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie ein völliger Neuling aufwenden, aber für meine Augen kann die Serie bisher für beide Gruppen sehr gut bestehen. Die Kenner des Buches können sich an den besonders für TV-Verhältnisse wirklich atemberaubenden visuellen Umsetzungen der Landschaften und des schieren Ausmaßes der Welt, die Martin geschaffen hat, erfreuen, ebenso wie dem nahezu idealen Casting der fast 20 Schlüsselrollen der 1. Staffel und damit des ersten Romans der Serie. Selbst wer beim Lesen Sean Bean noch nicht als Eddard Stark vor Augen hatte, kann nicht abstreiten, dass er die ideale Umsetzung des ruhigen, besonnenen Nordmannes mit der fest verankerten Moral ist, der besonders für den Anfang der Geschichte den Pol bildet, um den sich alles rankt und entwickelt. Auch Mark Addy als König Robert Baratheon, kann schnell die Grundzüge des moralisch wenig bewundernswerten, aber dennoch geradlinigen und ehrlichen Mannes einfangen und somit auch den neuen Zuschauern der Serie schnell demonstrieren, was für ein König er ist. Lena Headey und Nikolaj Coster-Waldau sind ebenfalls sehr gute Verkörperungen ihrer Rollen geglückt und Peter Dinklage als kleinwüchsiger Tyrion Lannister hatte zwar im Piloten noch nicht viel zu tun, verspricht aber in Zukunft einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Aber der wirklich überraschende Glücksgriff bildet die junge Engländerin Emilia Clarke, die sicher eine der schwierigsten Rollen der Serie hat. Weit ab vom Rest des Geschehens spielt sie Daenerys Targaryen und wie sie bereits bei ihrem ersten Auftreten allein durch Charisma und Ausstrahlung das Wesen der jungen, verschüchterten Frau herüberbringt, ist beeindruckend. So viel von Daenerys Geschichte findet im Buch in deren Gedanken- und Gefühlswelt statt und wird hier von Clarke mühelos mit einem Blick transportiert. In Anbetracht der Tatsache, dass sie weite und wichtige Strecken des kommenden Geschehens auf ihren zarten Schultern tragen muss, ist es beruhigend zu wissen, dass sie dazu offensichtlich in der Lage ist.

Aber auch für diejenigen der Zuschauer, die die Vorlage nicht kennen, bietet der Pilot von "Game of Thrones" einen guten Einstieg. Es ist nicht zu übersehen, dass HBO geklotzt und nicht gekleckert hat und seinem Ruf als Sender mit gehobenen Maßstäben wieder einmal gerecht wurde. Zwar ist der Inhalt dieser ersten Folge sehr nahe an dem des Buches gehalten, aber man konzentriert sich mit klarem Fokus auf die wichtigsten Charaktere und Handlungsstränge, auch wenn später wichtige Figuren wir beispielsweise der Bluthund und Theon Greyjoy durchaus schon präsent, aber eben im Hintergrund gehalten sind. So wirkt man dem Ruf, die Vorlage wäre zu sperrig und dank der vielen Handlungsebenen zu kompliziert, entgegen und bricht das Geschehen clever und verständlich auf. Auch der wunderschöne Vorspann trägt dazu bei, dass man von Anfang an eine Vorstellung von der Geografie Westeros' hat. Nun heißt es auf diesem guten Start aufzubauen und die Tücken und Fallen der Vorlage zu umschiffen.

Denn so sehr ich auch "A Game of Thrones" als Buch liebe, so hat es dennoch einige Schwächen, die besonders dann für die Serie zu Problemen werden könnten, wenn man sich zu streng an die Vorlage hält. So haben bereits einige Kritiker bemängelt, dass manche Charaktere zu eindimensional seien, das Frauenbild der Serie zu masochistisch und der Sex und die Gewalt zu voyeuristisch. Letzteres dürfte einen bei einer HBO-Serie nun wahrlich nicht überraschen, im Gegensatz zu manch anderen Beispielen (mir fällt da besonders "Boardwalk Empire" ein) hat der Einsatz von Sex und Gewalt hier durchaus schlüssige Gründe innerhalb der Geschichte und ist nicht zuletzt direkt aus der Vorlage entsprungen.

Die Qualität des Buches zeichnet sich dadurch aus, dass die Erwartungshaltung des Lesers über den Verlauf des Geschehens immer wieder durchbrochen wird und besonders die Charaktere, die zu Beginn wie simple Klischeefiguren wirkten, ungeahnte Tiefen erhalten und sich in völlig unerwarteten Situationen wieder finden, die zu faszinierenden Entwicklungen führen. Das gilt besonders für die in der Serie teilweise bemängelten Frauencharaktere, die hier zu Beginn größtenteils als Opfer von männlicher Macht und Gewalt dargestellt werden. Mal ganz abgesehen davon, dass dies sicher den Gegebenheiten einer mittelalterlichen, patriarchalen Gesellschaft entspricht, werden diese Charaktere über den Verlauf der Geschichte sich nicht nur ihren eigenen Weg bahnen, sie werden dies auch nicht aus Liebe zu einem schönen Jüngling oder anderen fadenscheinig romantischen Gründen tun. Dies hat Daenerys, Arya, Sansa, Catelyn und viele andere, die später zu ihnen stoßen, in die Riege der besten und spannendsten Frauencharaktere der Genreliteratur gemacht, die oftmals ihren männlichen Konterparts den Rang und den Schneid ablaufen, aber die Serie steht nun vor der Herausforderung, dies auch schon zu einem frühen Zeitpunkt zu präsentieren. Denn während man ein Buch erst nach dem letzten Kapitel beurteilt, so muss eine Serie doch auch von Woche zu Woche funktionieren und den Zuschauer für das Schicksal seiner Protagonisten interessieren.

Noch sehe ich in diesem Bereich kein Problem, aber ich würde mir wünschen, dass die beiden verantwortlichen Serienmacher David Benioff und D.B. Weiss keine Angst vor der Heiligkeit der Vorlage haben und den Mut beweisen, gewisse Details abzuändern um den Fallen, die im Buch liegen und dort zwar zur Spannungs- und Erwartungssteigerung dienen, die aber im Serienformat eher hinderlich sein dürften, auszuweichen. Bisher hat man das richtige Mittelmaß jedenfalls genau richtig getroffen, der Einstieg der Geschichte durch die Augen der Familie Stark im allgemeinen und Bran im besonderen, der leichte Fokus auf die sehr ungewöhnliche Bruder-Schwester-Beziehung der Lannisters, die Problematik des Bastardsohnes Jon Snows und natürlich Danys Hochzeit bilden einen mitreißenden Einstieg in eine faszinierende Welt. Darauf gilt es nun aufzubauen und die idealen Vorraussetzungen für ein einmaliges Serienerlebnis in einem Genre, das leider zu oft von infantilen Fantasien geprägt wurde, zum vollen Vorteil zu nutzen. Dann hat auch "Game of Thrones" eine Chance auf lange Sicht in das Pantheon der genialen HBO-Serien aufzusteigen. Noch ist es natürlich nicht soweit, aber das wäre nach einer Episode auch um einiges zuviel verlangt.

Cindy Scholz - myFanbase

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