Bewertung

Review: #2.04 Ich bin Anne Frank (1)

Foto: Zachary Quinto, American Horror Story - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Zachary Quinto, American Horror Story
© Frank Ockenfels/FX

Ist das euer Ernst, liebes Autorenteam? Ist das wirklich euer Ernst?

Diese Frage stellt sich bei #2.04 I Am Anne Frank (1) mehr als einmal. Ist das euer Ernst, Ryan Murphy und Brad Falchuk? Soll das ernsthaft die Story einer TV-Serie sein oder habt ihr das Drehbuch im, nun ja, Vollsuff geschrieben? Wollt ihr ernsthaft neben Dämonen, Aliens und Waldzombies auch noch Nazis thematisieren? "Supernatural" meets "Star Trek" meets "The Walking Dead" meets Nazis? Das kann nicht euer Ernst sein. Und spätestens wenn Franka Potente kreischend auf James Cromwell losgeht, ihn als SS-Mitglied beschimpft und sich dann auch noch als Anne Frank ausgibt, ist wirklich alles zu spät. "American Horror Story" hat sich nach vier Episoden glorreich ins Aus geschossen und mittlerweile ist der Punkt gekommen, an dem man sich nur noch wundern kann, wie die Serie das wieder hinbiegen will.

"Don't you remember me Doctor? I am Anne! Anne Frank!"

Kaum hat man geglaubt, die zweite Staffel von "American Horror Story" habe nun endgültig das Limit an möglichen Zutaten für einen abstrusen Genremix erreicht, setzen die Macher noch einen drauf. Der titelgebende Neuzugang der Anne Frank in Form von Franka Potente fügt dieser Staffel nicht nur eine realhistorische Dimension hinzu, sondern auch noch eine, die mit dem Nationalsozialismus zu tun hat. Als ob die Monsterpalette mit dem Teufel, schleimigen Aliens, blutrünstigen Zombies und neuerdings auch einer mutierenden Shelley nicht schon gut genug bestückt wäre, haben wir nun auch SS-Offiziere. Ob es nötig ist, hier eine derart bedeutende historische Persönlichkeit wie Anne Frank ins Spiel zu bringen, ist mehr als fragwürdig und dramaturgisch auch nicht sehr clever.

Denn die Serie hat bereits das große Problem, keine seiner Figuren so gut profiliert zu haben, dass das Publikum richtiges Interesse und Mitgefühl für sie entwickelt. Nun kommt mit Anne wieder ein neuer Charakter nach Briarcliff, den man kaum kennen lernt, der aber gleichzeitig eine zentrale Rolle einnimmt. Man setzt sie uns einfach vor. Wir wissen nicht wirklich, was sie in Briarcliff tut, was sie dort hingeführt hat und vor allem nicht, wieso sie so dumm ist und ihren Peiniger Dr. Arden direkt auf sich aufmerksam macht. Die Idee, dass Arden ein ehemaliges SS-Mitglied ist, wurde bereits in #2.02 Tricks and Treats angedeutet und ist an sich ja nicht schlecht – in Kombination mit einer angeblichen Anne Frank und den Rückblicken ins KZ (John Cromwell ist seinem Vater James wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten) wirkt die Thematik allerdings völlig fehl am Platz. Das einzige, was noch interessant werden könnte: Was hat es mit Monsignore Timothy auf sich? Wird das jetzt wirklich eine Geschichte über zwei Nazis, die sich in einem von katholischen Nonnen geleiteten Irrenhaus verstecken?

"You purposely tried to make a murder baby."

... sagte Schwester Jude und lieferte damit die absolut herrlichste Dialogzeile in der Geschichte der Serie (die beim besten Willen nicht ernst gemeint sein kann – Jude hat also doch einen Sinn für Humor!). Bezüglich Kit und Grace tut sich diesmal einiges, allerdings ist nichts davon wirklich packend. Kit beginnt an seiner Vernunft zu zweifeln und weiß bald nicht mehr, was Wahrheit und was Lüge ist. Hat er seine Frau doch umgebracht? Ist er der Täter? Oder ist er ein Opfer von Thredsons Psychospielchen?

Grace hingegen ist sich völlig bewusst, was sie getan hat und bekommt ein wenig mehr Tiefe. Ihre lang erwartete Hintergrundgeschichte ist zwar unspektakulärer als erhofft, macht aus ihr aber eine zumindest ansatzweise komplexe Figur. Sie ist der klassische Fall eines Opfers, das zum Täter wurde. Damit ist sie als Axtmörderin bisher die einzige, deren Aufenthalt in Briarcliff wirklich gerechtfertigt ist. Ihre Beziehung zu Kit endet diesmal in einem Stelldichein in der Küche, was angesichts der gegenseitigen Anziehung, die seit Anfang zwischen Grace und Kit bestand, wohl nur konsequent ist, wenn auch plötzlich. Dass den beiden jetzt die Sterilisierung droht, ist hingegen purer Wahnsinn – doch wird Jude das wirklich durchziehen angesichts der durchaus von Mitleid geprägten Szene am Ende, in der Kit sie anfleht, ihm zu helfen?

"I'm not an aversion therapy advocate, but I thought it made sense at the moment."

Der einzige Teil, der in dieser Episode durchaus überzeugen konnte, ist schließlich Dr. Thredsons Therapieversuch an Lana. Um Briarcliff zu verlassen, tut Lana, was getan werden muss, und unterzieht sich den an Skinners Behaviorismus-Theorie angelehnten Methoden von Thredson. Diese sehr wirkungsvoll inszenierte Therapiesitzung ist die Art von Horror, die ich mir von "American Horror Story" in dieser Staffel eigentlich erhofft hatte – nämlich der psychologische Horror, der die eigenen Grenzen auslotet und der einen vor die Frage stellt, wie weit man geht, um zu überleben. Identitäts- und Kontrollverlust sind zwei faszinierende Themen, die bisher leider immer nur angeschnitten, nie aber wirklich vollends ausgeschöpft wurden.

Doch Dr. Thredson sollte man sicherlich nicht trauen, auch wenn er so vertrauenserweckend scheint. Er ist sicher nicht nur ein fehlgeleiteter Wissenschaftler mit gutem Herz. Die Aussicht darauf, dass er Lana bei der Flucht helfen wird, ist zu schön, um wahr zu sein. Mal sehen, mit was die Autoren aufwarten können... vielleicht ist er ja die Reinkarnation von Gandhi oder Sylar aus "Heroes"?

"You wanna know what goes on in here? You're about to find out!"

Mein Nacken tut weh vom kontinuierlichen Kopfschütteln während dieser Episode. #2.04 I Am Anne Frank (1) ist eine sehr unterdurchschnittliche Folge, die den wackeligen Eindruck der letzten beiden leider bestätigt. Die zweite Staffel wirft bisher wild mit irgendwelchen Genreelementen um sich, ohne ein Ziel vor Augen zu haben oder nur ansatzweise eine Richtung einzuschlagen. So wirkt die Geschichte einfach wie ein Sammelsurium aus verschiedensten Dingen, das langsam aber sicher nicht mehr unterhaltsam ist, sondern nur noch absurd und beim besten Willen nicht mehr ernst zu nehmen.

Maria Gruber - myFanbase

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