Blood, Meth and Tears
Die besten Momente von Walter und Jesse

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Walter White und Jesse Pinkman waren Lehrer und Schüler - im wahrsten Sinne des Wortes, an der High School. Bei Walters Unternehmungen in Richtung Drogengeschäft werden sie zu einer Zweckgemeinschaft, zu Mentor und Protegé, zuweilen sogar zu Ersatzvater und -sohn. Ihre dysfunktionale Beziehung aber macht ungeheure Turbulenzen durch, und nicht selten werden sie Antagonisten füreinander. Hier betrachten unsere Redakteure einige der besten Momente, die diese beiden Charaktere uns geboten haben. Achtung: Spoiler!

Melanie Wolff meint:

Foto: Bryan Cranston & Aaron Paul, Breaking Bad - Copyright: 2013 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Bryan Cranston & Aaron Paul, Breaking Bad
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#1 High Five (#2.09 4 Tage Auszeit)

Die Beziehung zwischen Walter und Jesse hat sich über die Staffeln sehr verändert. Eine reine Zweckgemeinschaft entwickelte sich zu einem freundschaftlichen Miteinander, das sich fast zu einer Art Vater-Sohn-Beziehung ausbaute, um am Ende in Wut und Hass zu enden. Als die Welt für die beiden Protagonisten noch in Ordnung und Heisenberg nichts weiter als ein Mysterium war, das erst langsam seinen Schatten über das Land ausbreitet, und sie mehr oder minder frei von Sorgen in ihrem alten Wohnwagen schwitzen, um das perfekte Methamphetamin zu kreieren in einer Menge, die sie schlagartig zu reichen Männern machen würde, da kam es zu einer Szene, in der klar wurde, dass beide Spaß an der Sache hatten. Nach einem wahren Produktionsmarathon in der Wüste stehen sie einem möglichen Profit von über 1.3 Millionen Dollar gegenüber. Jesse ist aus dem Häuschen und lockt Walter schließlich aus seiner Reserviertheit. Das anschließende High-Five hebt nicht nur die Beziehung der beiden auf ein neues Level, sondern zeigt auch eindrucksvoll, dass Walter Gefallen findet an dieser neuen Art von Gefahr. Eine starke Szene für beide Charaktere.

#2 Heimzahlung (#5.14 Ozymandias)

Die vielleicht stärkste Szene der beiden Protagonisten dürfte der Moment sein, in dem Walter Jesse klar macht, dass er damals an ihrem Bett saß, als Jesses Freundin Jane gestorben ist. Ohne Reue teilt er ihm mit, dass er sie hätte retten können, als sie an ihrem eigenen Erbrochenen erstickte, es aber nicht getan hat. In diesem Moment zerbricht die letzte freundschaftliche Verbindung, die zwischen Walt und Jesse vielleicht irgendwo noch geschlummert hatte. Walt ist wütend darüber, dass Jesse ihn an Hank und die DEA verraten hat und in seinen Augen dafür gesorgt hat, dass Hank das Leben lassen musste. Jesse hat ihn tief verletzt und dies will er ihm in diesem Moment heimzahlen, was ihn unglaublich gut gelingt. Denn spätestens hier muss Jesse sich eingestehen, dass Walter längst die Kontrolle über sich verloren hat und zu einem wahren Monster mutiert ist, das keine Grenzen mehr kennt. Der Schmerz und die Wut, die Jesse auch für den Zuschauer sichtbar zeigt, gebührt nicht nur der Tatsache, dass er damals seine Freundin verloren hat, sondern auch, dass er all die Zeit einem Mann vertraut hat, der skrupellos und ohne Gewissen zu sein scheint.

#3 "Run!" (#3.12 Halbe Sachen)

Auch wenn Walter nie wirklich die Vaterfigur geworden ist, die Jesse gesucht hatte, so kam er dieser gerade in der vorletzten Episode der dritten Staffel doch extrem nah. Wohl wissend, dass Jesse sich nicht aufhalten lassen würde, die beiden Drogendealer zur Strecke zu bringen, die für den Tod eines kleinen Jungen verantwortlich waren, beschließt Walter, ihn vor der Rache des Gus Fring zu bewahren. Anstatt mitanzusehen, wie Jesse sein Leben verwirkt, nimmt er die Sache selbst in die Hand und überfährt die beiden Männer mit seinem Wagen. Jesse steht nur geschockt daneben und beobachtet fassungslos, wie Walter aussteigt, seine Waffe hebt und ohne zu zögern einem der Dealer zum Abschluss noch eine Kugel durch den Kopf jagt. In diesem Moment erkennt Jesse, welch ein Mann hinter der biederen Lehrerfassade steckt. Walt ist brandgefährlich und skrupellos. Zwar hat er in diesem Moment Jesse vor einer Dummheit bewahrt, doch am Ende sollte dies einer der ersten Nägel in den Sarg der Freunschaft von Walter und Jesse sein, denn nur wenige Stunden später verlangte Walter für seine Tat eine Gegenleistung, die Jesse noch lange beschäftigen sollte...

Nicole Oebel meint:

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#1 Umarmung in der Wüste (#5.11 Confessions)

Die Tatsache, dass Hank Jesse auf den Fersen ist, ist für Walter eine unsichere Komponente. Also wählt er den gewohnten Weg und versucht Jesse auf väterlich wohlwollende Weise dahingehend zu manipulieren, dass er sich aus dem Staub macht. Jesse mag mehrmals darauf reingefallen sein, weil er eine echte Vaterfigur so dringend nötig hat, aber mittlerweile versteht er Walters Absichten ganz genau und in all seiner Angst und Haltlosigkeit appelliert er an seinen ehemaligen Mentor, ihn endlich einmal für voll zu nehmen und ehrlich zu ihm zu sein. Walter quittiert diese absolut angemessene Bitte mit einer väterlichen Umarmung und Jesse lässt sich in den Armen des Ersatzvaters fallen. Diese Szene ist so vielschichtig und lässt den Zuschauer den Atem anhalten. In den Fakten von Walters manipulativer Ansprache steckt im Grunde nur die Wahrheit, daher ist Jesse so aufgewühlt, als er seine Erkenntnis zum Ausdruck bringt, dass Walter solche Worte nur zum eigenen Vorteil einsetzt. Als Walter Jesse dann umarmt, verweigert er ihm auf der einen Seite zwar erneut den Respekt, aber es steckt auf der anderen Seite auch Walters Bedürfnis dahinter, wirklich der allmächtige Vater zu sein, der Jesses Tränen trocknen kann. Jesse wiederum erwidert die Umarmung zwar nicht, aber seine Knie knicken ein und er lässt sich von Walter halten. Dabei will er diesen Halt genau so dringend annehmen, wie er gleichzeitig Angst hat, er könne von genau dem Mann, der ihn hält, umgebracht werden, wenn er sich aus der Umarmung löst. Eine Wahnsinnsszene, auf die man fünf Staffeln gewartet hat!

#2 Abriss des Superlabs (#4.13 Von Angesicht zu Angesicht)

Zum Ende der vierten Staffel hin gab es verschiedene unwahrscheinlich starke Szenen von Walter und Jesse. Beispielsweise die Prügelei, als Jesse sich emanzipiert, und der Moment mit der Waffe, als Jesse Walters Manipulation durchschaut, Walter ihn aber mit einer noch ausgefuchsteren Intrige erneut auf seine Seite ziehen kann. Ich habe mich hier allerdings für eine Kombination aus zwei direkt aufeinander folgenden Szenen entschieden, die Walter und Jesse einmal total in sync zeigen, nur um dann die Kluft mit umso stärker Wucht aufklaffen zu lassen. Nach dem Mord an Gus beseitigen Walter und Jesse gemeinsam das Superlab, indem sie alle Chemikalien freisetzen, die Tür verrammeln, außen alles abwischen, den Strom einschalten und das Ding in die Luft gehen lassen, während sie gleichzeitig ihr Wischtuch wegwerfen und mehr oder weniger im Gleichschritt in die Gus-freie Zukunft gehen. Ein Moment, der Butch Cassidy & Sundance Kid alle Ehre macht und den Zuschauer applaudierend vor dem Fernseher sitzen lässt. Im nächsten Moment aber stehen sie voreinander am Krankenhaus, Jesse sichtlich bewegt, dass Brock die Vergiftung übersteht, gleichzeitig aber Rückhalt bei Walter suchend, da klar wird, dass Gus den Jungen nicht vergiftet hatte. Die beiden geben sich hier die Hand und sind wieder miteinander vereint. Alle, auch Walter, atmen auf. In diesem Moment weiß nur er, wer Brock vergiftet hat. Im nächsten Moment weiß es auch der Zuschauer: Walter selbst! Da bleibt der gerade noch geäußerte Jubel angesichts der Versöhnung Walters und Jesses abrupt im Halse stecken!

Foto: Aaron Paul, Breaking Bad - Copyright: 2009 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Aaron Paul, Breaking Bad
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#3 Die Batterie (#2.09 4 Tage Auszeit)

Walter und Jesse sind vom Wesen her grundverschieden. Walter ist präzise, Jesse ist schlampig. Walter ist zynisch, Jesse ist treuherzig. Walter ist gierig, Jesse lebt für den Moment. Walter ist herablassend, Jesse ist begeisterungsfähig. Walter agiert, Jesse reagiert. Und all das prallt aufeinander, als die beiden in der großen, weiten Wüste gefangen sind, nachdem die Autobatterie leer ist. Genau genommen haben beide Schuld daran, denn Walter hätte Jesse wegen des Schlüssels nicht wie einen Schuljungen zurechtweisen müssen, sondern den Schlüssel einfach kommentarlos in seine Tasche stecken können. Nachdem ihnen ihre prekäre Lage bewusst wird, durchläuft Walter verschiedene Phasen von Wut über Aktionismus bis hin zur Verzweiflung - gespickt mit seinen Hustenanfällen zwischendurch. Und Jesse fängt jede dieser Stimmungsschwankungen auf. Er lässt die Schelte über sich ergehen, ohne jähzornig zu werden, er hilft Walter bei jeder seiner Ideen, und selbst als ihm angesichts Walters schlimmen Gesundheitszustandes klar wird, dass dieser ihn durch eine Lüge zu diesem viertägigen Kochausflug, der sie beinahe das Leben kostet, überredet hat, ist er trotzdem noch der derjenige, der Walter wieder in Gang bringt und ihn mit seinem naiven Optimismus dazu bewegt, den tatsächlichen Ausweg in einer selbstgebauten Batterie zu finden. In dieser ausweglos erscheinenden Situation haben die beiden sich ergänzt und sind am Ende mit beidseitigem Vertrauen herausgekommen. Und genau da wurde die Beziehung der beiden für mich zu einer besten der Seriengeschichte.

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