Abschied von "Castle"
I know, who the killer is – Die Fälle
Acht Jahre lang haben die Polizistin Kate Beckett und der Bestseller-Autor Richard Castle zusammen mit Kevin Ryan, Javier Esposito und Lanie Parish die Stadt New York etwas sicherer gemacht, indem sie den noch so skurrilsten Mord aufgeklärt und den Täter hinter Gitter gebracht haben. Wie haben sich die Fälle während diesen acht Jahren verändert? Zwei unserer Autoren sind dieser Frage nachgegangen und haben in ihren Texten die Entwicklung der Kriminalfälle, die Beckett und Castle aufgeklärt haben, geschildert.
Entwicklung der Fälle in "Castle" von Melanie Wolff
© ABC Studios
Ein Romanautor, der von der Polizei gebeten wird, bei einem Fall mitzuhelfen, weil ein Mörder es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Taten seiner Bücher in die Realität zu übertragen und der dabei sein Interesse fürs Detektivspielen entdeckt und fortan als Berater für die Polizei fungiert – zugegeben eine recht weither geholte Prämisse für eine TV-Serie und nicht viel anders als ein Gespann ungleicher Ermittler wie etwa in "Bones – Die Knochenjägerin" oder "The Mentalist". Nein, "Castle" war von Anfang an keine wirklich bahnbrechende Krimiserie, denn auch sie funktionierte nach dem Schema F – ein Ermittlerduo, männlich und weiblich, das unterschiedlicher nicht sein könnte, erkennt, dass sie zusammen viel bessere Ergebnisse erzielen können und sich dabei allmählich ineinander verlieben. Nein, die Prämisse war es nicht, was "Castle" zu etwas Besonderem machte. Es war in erster Linie Nathan Fillion mit einer erfrischenden Mischung aus kindlicher Neugier und überheblichem Selbstbewusstsein, der zu überzeugen wusste. Er trug die Serie von Beginn an.
© 2010 ABC Studios; ABC/Eric Liebowitz
Die Fälle standen bei "Castle" eigentlich nie im Mittelpunkt, auch wenn sie einen großen Teil der Episode ausfüllten. Man zählte auf Fillion und seine Chemie mit Leinwandpartnerin Stana Katic. Tiefgefrorene Leichen, unter Drogen stehende Studenten, eifersüchtige Ehefrauen… die Fälle drehten sich um altbekannte Thematiken, die man in ähnlicher Form schon in anderen Serien gesehen hatte. Was jedoch neu war, war Castles ungewöhnlicher und unkonventionellen Blick auf die Taten. Nicht, dass er mit besonderem Weitblick der Polizei zur Seite stand, nein oft waren es seine abstrusen Theorien, die ihn und Beckett auf die entscheidende Spur brachten. Und gerade das machte die Ermittlungen so erfrischend. Castle mit der kindlichen Naivität eines Romanautors, der sich vorstellt, wie er die Story zu Ende spinnen würde, brachte nicht selten den letzten entscheidenden Hinweis, um einen Täter dingfest zu machen. Und gerade weil man auf Fillions Witz und Charme zählen konnte, war es nicht so tragisch, hin und wieder den gleichen Fall in einem anderen Licht zu zeigen. Es war verschmerzbar, dass viele Fälle vor sich hin dümpelten und nicht wirklich erwähnenswerte Wendungen hatten.
© 2013 American Broadcasting Companies, Inc. All rights reserved.
Wesentlich interessanter waren da natürlich die staffelübergreifenden Fälle, von denen es jedoch leider nur sehr wenige gab. Die Geschichte um den 3XK-Mörder war spannend, gerade weil die Ermittler sich einem Mann gegenüber sahen, der sich in keine Schublade stecken ließ und ihnen immer eine Nasenspitze voraus war. Der sich langsam ausbreitende Fall um den Tod von Johanna Beckett, Kates Mutter, dominierte die Serie sehr, sehr lange und konnte immer wieder spannende Twists und Turns aufweisen, die die Zuschauer bei der Stange hielten. Dass jedoch teilweise folgenlang vollkommen irrelevante Geschichten die wirklich spannenden in den Hintergrund drängten, schadete der Serie sehr. Zu lange passierte nicht viel mehr als dass Beckett und Castle sich in ihren alltäglichen Ermittlungen die Show stahlen und umeinander herumtanzten, ohne sich eingestehen zu wollen, dass sie einander liebten. Ich will nicht sagen, dass das am Ende der Serie das Genick brach, aber es war ein wichtiger und entscheidender Punkt, warum ich persönlich die Serie irgendwann gegen Ende der 5. Staffel für mich abgesetzt habe. Der "Alltag" packte mich einfach nicht mehr. Die wenigen herausragenden Episoden trugen die Serie nicht mehr und die vielen 08/15 Fälle waren zu redundant, zu langweilig und zu eintönig, als dass sie noch überzeugen konnten. Aber mit ähnlichen Problemen haben auch andere Krimiserien zu kämpfen, die es verpassen, eine spannende staffelübergreifende Geschichte zu entwickeln, die es zu erkunden gibt.
Entwicklung der Fälle in "Castle" von Maria Schoch
© 2010 ABC Studios; ABC/Patrick Harbron
Crime-Serien gibt es wie Sterne am Himmel, also muss sich jede Serie seine eigene Nische suchen, um sich von anderen abzuheben. "Castle" hat dies einerseits sicherlich mit dem Schauspieler Nathan Fillion und der Ansicht seines Seriencharakters Richard Castle bei den Fällen gemacht, andererseits wurde die Serie vor allem in den ersten fünf Staffel natürlich auch durch die Beziehung von Castle und Beckett getragen. Dadurch, dass Richard Castle eine ganz besondere Note bei der Lösung der verschiedenen Mordfälle beigetragen hat, waren aber auch die Fälle oft skurril oder nahmen durch die Ermittlungen und Vermutungen Castles eine solche Wendung. Da ich persönlich mir ganz gerne mal Case-of-the-week-Serien, zu denen "Castle" zweifelslos gehört, ansehe, finde ich es unglaublich wichtig, wenn die Fälle, die doch meistens den größten Teil der Episode einnehmen, spannend, interessant, witzig und manchmal auch etwas unheimlich sind.
© 2011 American Broadcasting Companies, Inc. All rights reserved.
Und genau diese vorgenannten Punkte konnte die Serie "Castle" lange Zeit so gut vereinen. Egal ob der Mord am Anfang der Folge spektakulär, unheimlich, eklig oder manchmal sogar langweilig daherkam, haben es die Autoren danach geschafft, witzige, spannende, emotionale und geheimnisvolle Elemente einzuflechten, so dass jede Folge für den Zuschauer zu einem Erlebnis wurde. Die unterschiedliche Herangehensweise der beiden Ermittler Castle und Beckett hat dem Zuschauer wenigstens zu Anfang häufig die Seiten Professionalität und Laienhaftigkeit aufgezeigt und die wilden Theorien von Castle haben einen zum Schmunzeln gebracht, in einem aber gleichzeitig auch die Neugier geweckt, ob vielleicht in den ganzen Vermutungen doch ein Körnchen Wahrheit steckt.
Während diesen wirklich spannenden Fällen, die oft auch eine überraschende Wendung nahmen, sah man gerne darüber hinweg, dass es eigentlich ziemlich unrealistisch ist, dass der Bestseller Autor grundsätzlich derjenige war, der den entscheidenden Hinweis zur Aufklärung des Falles lieferte und das Team rund um die erfolgreiche Polizistin Kate Beckett oft ein wenig unfähig darstellen ließ. Dies änderte sich leider, als die Fälle anfingen vor sich hinzudümpeln, nicht mehr spannend waren und sich mehrheitlich zu rein "normalen" Kriminalfällen veränderten. Castles spezielle Sichtweise, seine wilden, wahnwitzigen Theorien wurden immer lahmer und irgendwann gegen Ende der sechsten Staffel habe ich mich gefragt, ob Castle eigentlich noch der Schriftsteller ist oder sich inzwischen zu einem Polizisten des NYPD gewandelt hat. "Castle" hob sich nicht mehr von der breiten Masse ab, sondern hat sich mit seinen Fällen zu einer normalen Kriminalserie entwickelt, bei der zwei "Polizisten", die auch privat miteinander liiert waren, Fällen lösten und dabei ab und zu noch von ihrem Team unterstützt wurden, das häufig aber nur noch als Lachnummer fungierte.
© 2013 ABC Studios; ABC/Richard Cartwright
Zusammenfassend waren die häufig so speziellen Fälle, die unterschiedlichen Ermittlungsmethoden von Beckett und Castle und Castles wilde Theorien einen großen Teil, der zum Erfolg der Serie beigetragen hat. Vielleicht gingen den Autoren nach fünf Staffeln die Ideen aus, vielleicht wollten sie eine andere Richtung einschlagen oder vielleicht haben sie einfach vergessen, was die Serie zu Anfang so großartig gemacht hat. Mich auf jeden Fall haben die Fälle gegen Ende immer mehr gelangweilt und es gab nur noch einzelne Highlights, die pro Staffel fast an einer Hand abzuzählen sind. Schade eigentlich, dass aus der Crime-Serie, die ihre Nische so perfekt gefunden hat, eine von vielen wurde.
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