Sam Mendes

Road to Perdition

Ein Auftragskiller auf der Flucht. Ein Mafiagangster, gejagt von den eigenen Reihen. Ein Mann gegen die tödliche Autorität. Ein Vater, der seinen Sohn vor allem Bösen zu schützen versucht...

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Inhalt

"Road to Perdition" erzählt eine Geschichte von Ehre, Rache, Mord und dunklen Geheimnissen, jedoch vor allem von Entfremdung und allmählicher Annäherung im Angesicht des Todes. "American Beauty"-Regisseur Sam Mendes schuf einen Film, dessen ruhiger Erzählfluss dunkles Mafia-Drama ebenso wie rührende Vater-Sohn-Beziehung darstellt und der mit atmosphärischer Dichte eine Vergangenheitsepoche wieder aufleben lässt.

Meeresrauschen. An der Küste steht ein Junge und blickt auf die weite See hinaus. "Es gibt viele Geschichten über Michael Sullivan", beginnt er aus dem Off. "Einige sagen, er war ein anständiger Mann. Andere sagen, in ihm habe nichts Gutes gesteckt. Ich war einmal sechs Wochen lang mit ihm unterwegs. Im Winter 1931." Es ist der Sohn dieses gewissen Sullivan, der dort mit dem Rücken zum Betrachter steht und in die Ferne sieht. Man ahnt es, wobei seine Worte doch anderes vermuten lassen. Ein Sohn, der die Erinnerung an seinen Vater und sich über einen bestimmten Zeitabschnitt definiert. Ein seltsamer Akt? Nein, denn diese erste Sequenz von "Road to Perdition" vermittelt sogleich das Motiv des Films. Eine gemeinsame Reise, die ein über Jahre hinweg entfremdetes Vater-Sohn-Verhältnis kompensiert, wenn auch für eine kurze Dauer und unter bedrohlichsten Umständen.

"Und das ist unsere Geschichte."

Zwei spielende Jungen im Schnee. Unbeschwertheit. Die Mutter am Fenster, den beiden vergnügt zusehend. Die Sullivans führen ein gewöhnliches Leben. So mag es aussehen. Doch Michael Sullivan (Tom Hanks) führt ein Doppelleben. Tagsüber liebender Familienvater, verdient er nachts sein Geld als professioneller Auftragskiller im Dienste des irischen Mafiasyndikats. Seine Frau Annie (Jennifer Jason Leigh) und er schweigen sich über seine Arbeit aus, die Söhne ahnen nichts. Alles, was Sullivan immer wollte, war der Schutz seiner Familie. Dem 12-jährigen Michael Jr. (großartige Entdeckung: Tyler Hoechlin) wird seine Neugier eines Tages zum Verhängnis. Als er seinem Vater bei einem Auftrag heimlich folgt, wird er Zeuge eines brutalen Mordes.

Die Gefahr des Verrats ist zu groß. Mafiaoberhaupt und Auftraggeber John Rooney (Paul Newman) sieht sich in die Enge getrieben. Jedoch ist es sein unsittlicher, cholerischer Sohn Connor (Daniel Craig), welcher der Initiator des folgenden Unheils ist. Sullivan und Rooney stehen sich nahe, der Alte sorgte für den Wohlstand der Familie, stellte für Michael eine Vaterfigur dar. Doch ein fataler Akt Connors führt dazu, dass sich Sullivan zusammen mit Michael Jr. auf einen entschlossenen Rachefeldzug gegen den "Capone-Sohn" und bald gegen das gesamte Verbrechersyndikat macht. Die Sache spitzt sich weiter zu, als Rooneys "rechte Hand" Frank Nitti (Stanley Tucci) den psychopatischen Kopfgeldjäger Maguire (Jude Law) auf Sullivan ansetzt. Ein vordergründiger Pressefotograf mit krankhafter Passion für Leichenfotos und ohne jeglichen menschlichen Zug.

Der tragische Weg ist geebnet. "Perdition", was zum Einen der Name des Ortes ist, zu dem Michael Sullivan und Mike Jr. unterwegs sind, und zum Anderen das Wort "Verdammnis" bedeutet, wird für Vater und Sohn zum besiegelten Schicksal.

Kritik

Eindrucksvoll bettet Sam Mendes seine Erzählung der Verbindung zweier entfremdeter Seelen in eine düstere Mafia-Saga um Mord, Verrat und Sühne ein, staffiert sie mit charakterstarken Protagonisten und illustriert sie in symbolträchtigen, edlen Bildern. Nach der Vorlage des 1988 erschienenen gleichnamigen Comic-Romans stellt "Road to Perdition" die Entfaltung einer über Jahre hinweg vernachlässigten Beziehung in den Vordergrund, wobei das Rache-Drama in erster Linie als initiierende Kraft wirkt.

Die beeindruckende Geschichte wird von erstklassigen Darstellern getragen, die nicht nur durch ihre Mimik die Charaktere mit Leben erfüllen, sondern auch durch ihren speziellen verbalen Ausdruck brillieren. Tom Hanks, Hollywoods "Mister Nice Guy", wurde bewusst gegen sein übliches Rollen - und Persönlichkeitsprofil besetzt, was seiner Glaubwürdigkeit keinen Abbruch tut. Er spricht mit deutlich dunkel-seriöserer Stimme als gewohnt, ideal auf den Charakter abgestimmt.

Michael Sullivan ist Mafiagangster gleichermaßen wie schützender Vater und wird vom Täter zum Opfer. Man möchte ihn als schlecht bezeichnen, doch Hanks verleiht ihm stets das Flair eines gutherzigen Menschen, was Sullivan auf eine bestimmte Weise auch ist. Das zwiespältige Profil des Familienvaters prädestiniert ihn für die Rolle, denn der Zuschauer identifiziert sich automatisch mit Hanks, was ganz im Sinne der Geschichte liegt. Seine Gangsteridentität wird zum nötigen Ausgangspunkt, um den Mendes die Erzählung des allmählich annähernden Verhältnisses Sullivans zu seinem Sohn spinnt. Dieser Michael Jr. wird von Tyler Hoechlin äußerst beeindruckend verkörpert. Ein kleiner Junge mit einer bemerkenswerten Ausdrucksstärke.

Michael Jr. kennt seinen Vater nicht. Er ist zwar präsent, doch die beiden sind zwischenmenschlich so reserviert, dass der Kleine nicht einmal weiß, welchem Beruf sein Herr überhaupt nachgeht. Doch Sullivans Distanziertheit hat einen triftigen Grund. Der Sohn als Nachfolger, als die Zukunft der Familie, soll niemals so werden wie der Vater. Der verruchte Weg der Gangstertätigkeit soll ihm keineswegs auch nur angedeutet werden. Von Anfang bis zum Ende ist er darauf bedacht, seinen Sohn vor dem Verächtlichen zu schützen, seine Welt von aller Gewalt frei zu halten.

Der Mord, den Michael Jr. beobachtet, verändert alles. Von dem Augenblick an, da klar ist, dass es einen Zeugen gibt, ist die Verdammnis besiegelt. Und von da an entfaltet Sam Mendes die ergreifende Annäherung von Vater und Sohn, die während ihrer sechswöchigen gemeinsamen Reise und dem Feldzug gegen die ehemaligen Vertrauten zusammengeschweißt werden. Es gibt keine Geheimnisse mehr. Sullivan und Mike Jr. trennt nichts mehr. Der "Weg in die Verdammnis" führt über den Weg zueinander. "Road to Perdition" ist ein Film der Symbolik, beeindruckend in seiner Inszenierungsart und voller ausdrucksstarker Szenen.

Mendes schafft in vielen Sequenzen bildliche Details, die der Erzählung noch mehr Tiefe verleihen. Die dunklen Farben, welche die meiste Zeit über das Bild dominieren, unterstreichen die Finsternis der Geschichte und die Gemütslage der darin agierenden Personen. Die gemeinsame Reise Sullivans und seines Sohns bedeutet nicht nur einen versuchten Vergeltungsschlag gegen das Verbrechersyndikat und eine Flucht an einen vermeintlich sicheren Ort namens "Perdition", sie bedeutet eine Kompensation von Gefühlen, welche die beiden so eine lange Zeit missen mussten.

Paul Newman reiht sich als ehrfurchtgebietendes Mafiaoberhaupt Rooney in die exzellente Darstellerriege ein. Mit irischem Akzent stellt er eine würdevolle Respektperson dar und man findet sich als Zuschauer im Verlaufe des Sullivan-Rachefeldzugs irgendwann an dem Punkt wieder, da man auch diesem niedergebeugten Mann Mitleid entgegenbringen möchte. "Was, wenn Sullivan nur irgendein Kerl wäre?", fragt Nitti einmal. Und genau das ist der Punkt. Er ist nicht irgendein Kerl. Er ist für den alten Rooney zu einer Art Ziehsohn geworden, aber auch wenn es ihm schwer fällt, angetrieben von seinem moralisch verwerflichen Sohn Connor, sehr gut von Daniel Craig portraitiert, sieht er sich Sullivan als Feind gegenüber.

Als schließlich Kopfgeldjäger Maguire ins Spiel kommt, eskaliert das Geschehen. Der wie immer hervorragende Jude Law glänzt in der Rolle als irrer, psychopatischer Killer, der eigentlich als Pressefotograf auf das Schießen von Leichenbildern spezialisiert ist, mit langen Fingernägeln, schütterem Haar und stets leicht gebeugtem Gang und der sich zumindest in seiner Tätigkeit als Auftragsmörder nicht von seinem Zielobjekt Sullivan unterscheidet. Doch weicht Maguire so sehr von allen anderen Personen in dieser Geschichte ab.

Jude Law gelingt es auf beeindruckendste Weise, nicht einen Hauch menschlicher Emotionen durchscheinen zu lassen, was ihn schon nahezu unheimlich erscheinen lässt. Sein Charakter erscheint absolut abstoßend. Und die humanen Züge, die er sporadisch zeigt, scheinen von Maguire selbst nur gespielt zu sein. In einer der großartigsten Szenen des Films versucht er sich Sullivan beim Essen zu nähern, mit aufgesetzt freundlicher Miene und so gespielt menschlich, dass es ihm nicht gelingt, seine Hinterhältigkeit zu verbergen. Jude Law spricht mit tiefer, düster-bedrohlicher Stimme, die dem Zuschauer durch Mark und Bein geht.

Sam Mendes' wunderbare Regieweise perfektioniert "Road to Perdition" und unterstreicht die Tatsache, dass er ein großartiger Geschichtenerzähler ist, der Bilder Bände sprechen lassen kann. Mal schwenkt die Kamera über die Landschaft, unterlegt von Thomas Newmans fabelhaftem Score, um dann doch immer wieder Details zu fokussieren. Auch spart Mendes an übermäßig theatralischen Darstellungsweisen. Die Schlichtheit und Schönheit der Bilder überzeugt und auch die Vermeidung von allzu dramatischen Ton- und Musikelementen kommt dem Film sehr zugute. Somit intensiviert Mendes die Wirkung seiner Erzählung. Vom einleitenden Wellenrauschen zu Beginn bis zum ebenso tragischen wie ruhigen Ende.

Fazit

"Road to Perdition" lässt eine Geschichte lebendig werden, die so schlicht wie ergreifend ist und exzellentes Erzählkino darstellt. Die zentrale Absicht Sullivans wird am Schluss noch einmal besonders deutlich, wo er alles daran setzt, dass sein Sohn nicht derjenige ist, der das tun muss, vor dem Sullivan ihn so lange Zeit zu bewahren versuchte.

"Damals wurde mir klar, wie sehr mein Vater Angst davor hatte, dass sein Sohn ihm auf seinem Weg folgen würde. Und das war das letzte Mal, dass ich eine Waffe in der Hand hatte," sinnt Michael Jr. am Ende nach. "Wenn die Menschen mich fragen, ob Mike Sullivan ein anständiger Mann war oder ob gar nichts Gutes in ihm gesteckt hätte, gebe ich immer dieselbe Antwort: Er war mein Vater."

Ein Vater, den er erst spät kennen lernte.

Britta - myFanbase
09.08.2004

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