Bewertung
Danny Boyle

Slumdog Millionär

"When somebody asks me a question, I tell them the answer."

Foto: Copyright: 2009 PROKINO
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Inhalt

Wie schafft es ein 18-jähriger Junge aus dem Slum, bei "Wer wird Millionär?" in die Endrunde zu kommen? Nur eine Frage trennt Jamal Malik (Dev Patel) von dem finalen Gewinnbetrag von 20 Millionen Rupien, als er von der Polizei mitgenommen und verhört wird. Keiner glaubt, dass ein Slumdog wie er es ohne Betrug so weit schaffen könnte. Um seine Unschuld zu beweisen, erzählt Jamal dem Polizisten seine Lebensgeschichte, wo er herkommt, wie er aufwuchs und unter welchen tragischen Umständen er sich das Wissen aneignete, um all die Fragen zu beantworten. Vor allem aber erzählt er von Latika (Freida Pinto), seiner Jugendliebe, nach der er verzweifelt sucht...

Kritik

Keine Gameshow ist so weit verbreitet und global bekannt wie "Wer wird Millionär?". Jeder kennt es, jeder hat es schon mal gesehen oder hat zumindest davon gehört. Das Erfolgskonzept hat die Günther Jauchs dieser Welt zu gefeierten Stars gemacht und gleichermaßen die Millionärsaspiranten zu Berühmtheiten erhoben. Es ist ein Format, das weltweit Massen begeistert, und selbst nach über zehn Jahren noch unzählige Zuschauer vor den Bildschirm lockt, um mitzuraten und mitzufiebern.

Die Massenkompatibilität von "Slumdog Millionär" lässt sich mit der von "Wer wird Millionär?" eigentlich sehr gut vergleichen. Regisseur Danny Boyle liefert mit diesem Drama einen Film ab, der in seinem Kern vor allem eines ist, nämlich menschlich – und damit massentauglich. "Slumdog Millionär" dreht sich um universelle Themen wie Vertrauen, Verzweiflung, und natürlich Liebe, und kaum jemand wird sich der emotionalen Kraft dieser Geschichte widersetzen können. Das turbulente, tragische Leben von Jamal berührt einen zutiefst und man schließt den jungen Inder sofort ins Herz, der trotz aller Grausamkeiten, die ihm widerfahren sind, ein aufrichtiger und ehrlicher Mensch geblieben ist, getrieben von der Suche nach Latika, seiner großen Liebe.

Dev Patel als 18-jährige Version von Jamal entpuppt sich als eine richtige Entdeckung. Der Jungschauspieler versteht es hervorragend, dem Publikum all die Facetten seines eher zurückhaltenden Charakters zu vermitteln, und zieht den Zuschauer so förmlich in die Geschichte hinein. Boyles Inszenierung tut ihr Übriges: Die Authenzität von "Slumdog Millionär" ist beeindruckend wie entsetzlich. Selten hat es ein Spielfilm gewagt, einen derart schonungslosen Blick in die Slums Indiens zu werfen, die wie Enklaven aus Wellblechdächern wirken, in denen die Bewohner vom Müll förmlich erstickt werden und die Kinder in verdrecktem Wasser herumplanschen. Doch irgendwie schafft Boyle es, in dieser bitterarmen Kulisse auch ein wenig Hoffnung zu zeigen und völlig zwanglos humorvolle Szenarien zu schaffen, die den Kinosaal zum Lachen bringen. Wenn der kleine Jamal gezwungenermaßen in eine Kotgrube springt, um ein Autogramm seines großen Idols Amitabh Bachchan zu bekommen, bleibt ein kollektives "Ihhhhh!" zwar nicht aus, aber ein lautes Lachen auch nicht.

Doch trotz der amüsanten Momente, die immer wieder mal eingeschoben werden, besticht "Slumdog Millionär" vor allem durch seine dramatischen Szenen. Natürlich kann man kritisieren, dass die Story prinzipiell eine simple Liebesgeschichte ist, deren Vorhersehbarkeitsgrad sehr hoch ist. Aber Drehbuchautor Simon Beaufoy hat es geschafft, die Geschichte so zu konzipieren, dass die Spannung aufrechterhalten wird. Er liefert uns ein Puzzle, das Stück für Stück zu Jamals Lebensgeschichte zusammengesetzt wird und den Zuschauer zu unterhalten, zu schockieren und zu Tränen rühren vermag. Dank Beaufoys Drehbuch erwachen die Hauptfiguren zum Leben und werden als vielschichtige, reale Charaktere präsentiert. Neben Protagonist Jamal ist vor allem dessen Bruder Salim eine wichtige Person in der Geschichte, denn durch ihn wird deutlich, wie man ohne Liebe eigentlich kaum eine Chance hat, unversehrt aus der Armut der Slums auszubrechen. Latika bleibt in der Story so ein bisschen die wunderschöne Frau am Rande, doch sie wird genügend profiliert, um nachvollziehen zu können, wieso Jamal so unsterblich in sie verliebt ist.

Den passenden Rahmen für die Geschichte liefert Boyle mit seiner kreativen Regie und seinem Auge für großartige Bilder und feine Details, die er mit der Kamera einfängt. Ob es Bilder aus dem Slum sind oder das bekannte "Wer wird Millionär?"-Studio, Boyle holt optisch alles aus seinen Drehorten heraus und arbeitet ähnlich wie Wong Kar-Wai oder Kenneth Branagh mit viel Schnitt und ungewöhnlichen Winkeln. Dabei webt er auf faszinierende Art Bollywood-artige Elemente mit ein, sowohl visueller als auch akustischer Art: A.R. Rahmans lebendiger, dynamischer Soundtrack wirkt niemals zu laut oder fehl am Platz, sondern fügt sich reibungslos ins Gesamtwerk ein. So wird aus einer scheinbar einfach gestrickten Liebesgeschichte ein sozialkritisches Märchen voller Energie, bei dem man über die kleinen Makel im Plot gerne hinwegsehen kann.

Fazit

Danny Boyle hat den Jackpot geknackt: "Slumdog Millionär" ist ein ergreifender Film, der die Gratwanderung zwischen Drama, Humor und Romanze erfolgreich schafft. Eine der schönsten Liebesgeschichten, die die Filmindustrie in letzter Zeit hervorgebracht hat.

Maria Gruber - myFanbase
23.04.2009

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