Bewertung
Park Chan-wook

Durst

"We may both go to hell."

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Inhalt

Der extrem gläubige Sang-hyeon (Song Kang-ho) ist als Priester in einer kleinen Gemeinde beschäftigt und arbeitet zusätzlich ehrenamtlich im örtlichen Krankenhaus. Nachdem er merkt, dass trotz aller Gebete zahlreiche von ihm betreute Patienten dahinsiechen, entschließt er sich für ein waghalsiges medizinisches Experiment, das prompt schief geht, woraufhin er sich mit einem tödlichen Virus infiziert. Er wird zwar durch eine Blutkonserve gerettet, diese enthält jedoch eine Art Vampirvirus. Dadurch wird zwar der andere Virus unterdrückt, doch Sang-hyeon muss sich fortan von Blut ernähren.

Sang-hyeon begegnet seinem alten Schulkameraden Kang-woo (Shin Ha-kyun) und verliebt sich schließlich in dessen Adoptivschwester und unterdrückte Ehefrau Tae-joo (Kim Ok-bin). Die folgende Affäre der beiden sorgt für die ersten Leichen und schnell sehen sich die beiden den eigenen seelischen Abgründen gegenüber.

Kritik

Gibt es noch irgendjemanden, der bei dem Stichwort "Vampir" nicht unweigerlich zusammenzuckt und Schlimmes ahnt? Der unvergleichliche Hype um die zahnlose und schrecklich prüde Teeniesoap "Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen" hat mitsamt Nachfolger nicht gerade dafür gesorgt, dass Frauen jenseits des Teenageralters und vor allem Männer mit freudestrahlenden Augen einem neuen Vampirfilm entgegenfiebern. Dazu kommt, dass auch im Medium TV mit dem ironisch übersteigert sexuellen "True Blood" nur teilweise die Geschmacksnerven getroffen werden und "Vampire Diaries" letzten Endes ja auch nur die Twilight-Generation anspricht. Wieso also gerade jetzt ein weiterer Vampirfilm, wo der Markt doch derart überlaufen ist, dass es nahezu unmöglich ist, sich positiv ins Licht rücken zu können, und man der festen Überzeugung war, dass Tomas Alfredsons "So finster die Nacht" die einzige positive Erscheinung bleiben würde?

Ganz einfach: Zum einen hat Kultregisseur Park Chan-wook ("Oldboy") bereits seit zehn Jahren sein neues Werk "Durst" geplant und damals bereits mit seinem Hauptdarsteller Song Kang-ho am Set des Militärthrillers "Joint Security Area" die Rolle besprochen. Zum anderen hat Park Chan-wook vor allem mit seiner berühmten Rachetrilogie ("Sympathy for Mr. Vegeance", "Oldboy", "Lady Vengeance") zu Genüge sein außerordentliches Können bewiesen. Es gibt wenige Regisseure, denen man überhaupt einen guten Film zu dieser Thematik zutrauen würde, Park ist sicherlich einer davon.

Und so fühlt sich "Durst" auch ganz und gar nach ihm an. Da sind sie wieder, die düsteren Aufnahmen von Stammkameramann Chung Chung-hoon, der bedrohliche Soundtrack (diesmal vom Park-Neuling Cho Young-ook), das Rachemotiv und natürlich viel Blut. Kein Rumgehüpfe im Wald in Zeitlupe, keine glänzenden Vampire, keine effekthaschende Sexszene nach der anderen. Der gesamte Film fühlt sich erst nach geraumer Zeit wie ein Vampirfilm an, schon allein deswegen, weil in der Vergangenheit viel zu wenig auf Kernaspekte des Genres eingegangen wurde. Bei "Durst" hingegen ist die Fokussierung auf das Blut, das Verlangen nach immer mehr, die unweigerlich damit verbundene sexuelle Konnotation, aber vor allem die persönliche Läuterung, wenn man merkt, was man mit seinen Fähigkeiten alles anstellen kann und will, allgegenwärtig. Gleichzeitig ist der Film aber auch – wie so viele Werke Parks - ein Portrait über menschliche Qualen. Es geht nicht darum, ob irgendeine Randfigur entdeckt, dass Sang-hyeon ein Vampir ist, um dadurch gekünstelt Spannung aufzubauen; auch nicht darum, möglichst viele übernatürliche Taten zu zeigen. Letzten Endes geht es um einen Mann und eine Frau, um ihre Beziehung zueinander und wie sie es beide schaffen, sowohl das Beste als auch das Schlechteste aus sich herauszuholen.

Selbstverständlich sind dafür überzeugende Darsteller nötig, ebenso selbstverständlich ist jedoch auch die gute Wahl, die Park Chan-wook für den Film getroffen hat. Neben Kang-ho Song, der bereits im vierten Park-Film mitwirkt, kann vor allem Kim Ok-bin als anfangs schüchtern-verstörte und schließlich zunehmend selbstbewusste Tae-ju überzeugen. Aber wie gesagt, überraschend ist das nicht. Ebenso wenig überraschend ist die großartige Optik des Films, die vor allem dann zu überzeugen weiß, wenn der Handlungsort das bedrückend düstere Korea ist. Doch auch zu Beginn in Afrika oder wenn ganz allgemein in ruhigen Bildern, aber dennoch oft vergleichsweise kurzen Szenen die Handlung des Films fortgetrieben wird, kann die Reaktion nur Staunen sein.

Und während bei einer Laufzeit von mehr als zwei Stunden die Darsteller unaufhaltsam ihrem eigenen Elend entgegenstreben zu scheinen, gelingt es sogar durchaus, in manchen Momenten eine derart absurde Komik zu erzeugen, dass der Zuschauer zwangsläufig auch auflachen muss, was die Schwere von so mancher Szene sowie die zahlreichen unterschiedlichen Eindrücke, die Park Chan-wook auf den Zuschauer niederprasseln lässt, wohltuend auflockert. Die Erörterung der Frage, wie lange es dauert, bis ein guter Mensch abstürzt, wäre sonst in den wenigsten Fällen zu ertragen, ebenso wenig wie die Intensität, die sich aus der raschen Abwechslung von blankem Horror, konfrontionaler Erotik und tiefem Zynismus entwickelt.

Parks moderne Interpretation von Émile Zolas drittem Roman, "Thérèse Raquin", spielt bewusst mit diesen Extremen und streut dennoch immer wieder typische Elemente aus der medialen Darstellung von Vampiren ein. So können Vampire auch hier fliegen, haben eine übernatürliche Kraft, die es ihnen unter anderem auch erlaubt, Münzen entzwei zu brechen, und sind besonders anfällig gegenüber hellem Tageslicht. Nichtsdestotrotz hat man nie das Gefühl, hier Zeuge eines Vampirfilms im klassischen Sinne zu sein – und das ist gut so.

Fazit

"Durst" ist Vampirunterhaltung für Erwachsene, aber auch für alle zu empfehlen, die mit der Thematik sonst nichts anzufangen wissen, da der von Chan-wook Park gewählte Ansatz emotional universaler und gleichzeitig perspektivisch persönlicher geworden ist. Wer sich von teilweise heftigen Blutszenen nicht abschrecken lässt, wird mit einer tollen Grenzerfahrung belohnt, die nicht umsonst gemeinsam mit Andrea Arnolds "Fish Tank" bei den Filmfestspielen von Cannes 2009 mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde.

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Andreas K. - myFanbase
20.12.2009

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