Bewertung
Spike Jonze

Wo die wilden Kerle wohnen

"This is all yours. You're the owner of this world."

Foto: Copyright: Warner Home Video Germany
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Inhalt

Der kleine Max (Max Records), sensibel und mit einer blühenden Phantasie ausgestattet, fühlt sich daheim missverstanden. Als er schließlich gegen den neuen Freund (Mark Ruffalo) seiner Mutter (Catherine Keener) rebelliert, gerät die Situation außer Kontrolle und Max flieht mit einem Boot auf eine Insel, wo die wilden Kerle wohnen, geheimnisvolle und überdimensionale Kreaturen, deren ungestüme Empfindungen und Taten absolut unvorhersehbar sind. In seiner Wut gelingt es Max, sie zu zähmen und sich von ihnen zu ihrem König krönen zu lassen. Doch Max muss bald feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, ein Königreich zu führen, in dem alle glücklich sein sollen.

Kritik

Ganze 48 Seiten, bebildert, manche Seiten ohne ein einziges geschriebenes Wort. Mehr brauchte Kultregisseur Spike Jonze ("Adaptation.", "Being John Malkovich") nicht, um Maurice Sendaks Kinderbuchklassiker "Where the Wild Things Are" aus dem Jahre 1963 unbedingt verfilmen zu wollen. Bereits in den frühen 80er Jahren wollte man das Buch auf die große Leinwand bringen, damals noch als animierten Film aus dem Hause Disney, doch der erste Entwurf wurde verworfen und nicht weiter verfolgt. Im Jahre 2001 wurde die Idee dann erstmals, ausgehend von den Universal Studios, die sich die Rechte am Buch sicherten, richtig konkret und man wollte abermals eine Disney-Animation daraus machen (diesmal jedoch komplett computeranimiert durch Eric Goldberg), doch 2003 entschied man sich letzten Endes für die vorliegende Variante, einen Realfilm unter der Regie von Spike Jonze. Produziert von Tom Hanks und ausgestattet mit einem üppigen Budget von etwa 100 Millionen US-Dollar, musste zunächst die Angst der Produktionsfirma Warner Bros. ausgeräumt werden, dass der Film nicht familienfreundlich sei, wobei sich Jonze glücklicherweise zu keinerlei Kompromiss bereit sah.

Denn auch wenn "Wo die wilden Kerle wohnen" atmosphärisch und thematisch manchmal durchaus düster ist, so geht es letzten Endes doch nur um einen kleinen Jungen und dessen unbändige Vorstellungskraft. Auch Kinder werden herzlich lachen während der Kennenlernphase von Max mit den wilden Kerlen und sowohl seinen als auch ihren tollen Einfällen zum Zeitvertreib. Das Schöne jedoch ist, dass ebenso Erwachsene ihren Spaß am Film haben, da glücklicherweise auf infantilen Humor verzichtet wurde, der nur den Kleinen gefällt. Durch die Fokussierung auf die kindliche Verspieltheit werden auch diese den Film genießen können, während Erwachsene wiederum die brachliegende Metaphorik zu schätzen werden wissen, denn letzten Endes geht es auch um universale Themen wie das Erwachsenwerden von Kindern, die damit verbundene Angst und Wut sowohl der Kinder selbst als auch des Umfelds und wie damit von beiden Seiten umgegangen wird. "Wo die wilden Kerle wohnen" kann auf vielfältige Art und Weise auch deutlich spezieller interpretiert werden, sei es politisch, wirtschaftlich oder psychologisch. Obwohl der Plot auf den ersten Blick stark vereinfacht wird (klar, 48-seitiges Bilderbuch), so räumt Jonze dennoch genug Platz ein, um zu zeigen, weswegen das Buch innerhalb kürzester Zeit zum Kinderbuchklassiker avancierte.

Bei der filmischen Umsetzung musste sich Jonze nicht nur mit den tollen Bildern von Maurice Sendak messen, sondern diese auch entsprechend für einen Realfilm adaptieren, ohne dass sie unwirklich scheinen. Durch überlebensgroße Kostüme und wohl eingesetzte CGI-Animationen wurde den wilden Kerlen schließlich derart gekonnt Leben eingehaucht, dass sie sich wunderbar in den Film (und die Phantasiewelt von Max) einfügen. Trotz ihrer Größe und ihres ungewöhnlichen Aussehens vermitteln sie nie den Eindruck, als wären sie fehl am Platz. Und nicht nur, dass ihre Mimik absolut überzeugend ist, auch die Stimmen, mit denen sie versehen wurden, sind nicht nur mit Kritikerlieblingen unter den Schauspielern besetzt, sondern auch danach gecastet worden, ob diese auch tatsächlich zum Film passen. Letzten Endes war auch das der Grund, weswegen Michelle Williams dann doch nicht den Part der WK bekam, sondern die Rolle lieber mit der aus "Six Feet Under" berühmten Lauren Ambrose besetzt wurde. Doch nicht nur Ambroses Stimme hinterlässt einen bleibenden Eindruck, auch die Oscarpreisträger Chris Cooper und Forest Whitaker, Emmypreisträgerin Catherine O'Hara und vor allem der mehrmalige Emmy- und Golden-Globe-Gewinner, "Die Sopranos"-Superstar James Gandolfini, wissen zu überzeugen. Allein aufgrund der Fokussierung auf den Charakter Carol steht Gandolfinis Stimme ganz besonders im Vordergrund, und er schafft es bravourös, die einzelnen Emotionen durch perfekt pointierte Änderungen in der Stimme darzustellen.

Selbstverständlich bekommen Carol, WK und die anderen deutlich mehr zu sagen als in der Buchvorlage, das ließ sich auch zum einen gar nicht vermeiden und ist zum anderen auch nicht sonderlich problematisch, da es sich gut in das Gesamtgeschehen einfügt. Das Problem, eines der wenigen, ist vielmehr, dass trotz einer Laufzeit von lediglich 101 Minuten so manche Längen auftreten, die zwar optisch und atmosphärisch sehr ansprechend gemacht sind, aber erzählerisch kaum ein gerechtfertigtes Mehr an Handlung bringen. Man hat zwar immer noch das Gefühl, als wäre die Handlung behutsam auf Spielfilmlänge verlängert und nicht ohne Rücksicht auf Verluste mit Elementen, die im Buch gar nicht vorhanden sind, vollgestopft worden. Dennoch wäre vielleicht etwas weniger Laufzeit im Sinne der Dichte der Handlung sinnvoller gewesen.

Der Zuschauer fühlt sich trotz alledem immer mit der Handlung verbunden, was auch ein Verdienst der im großen Teil des Films verwendeten Handkameratechnik ist. Das Geschehen erscheint so, insbesondere in den "aktiveren" Sequenzen, zum Greifen nahe. Die sehr ansehnlichen Spezialeffekte, wobei damit keine Explosionen oder ähnliches gemeint sind, da diese gar nicht nötig sind, sondern im Gegenteil sogar das Gleichgewicht des Films stören würden, tun ihr Übriges.

Weiterhin erwähnenswert ist der tolle, auf jede einzelne Stimmung des Films perfekt zugeschnitte Soundtrack. Dieser stammt von Jonzes Exfreundin Karen O, ihres Zeichens Sängerin der Ausnahmeband "Yeah Yeah Yeahs", ihren Bandkollegen sowie einer illustren Auswahl an gefeierten Indie-Größen. Nicht nur die fröhlichen Momente, in denen man am liebsten mitsingen und –tanzen würde, passen wunderbar, auch die traurigeren und nachdenklichen Sekunden sind hervorragend untermalt. Karen O weiß einfach, in welcher Szene welcher Ton (im wahrsten Sinne des Wortes) angemessen ist, und das merkt man deutlich. Dass der Soundtrack auch qualitativ einer der besten ist, der in den letzten Jahren veröffentlicht wurde, ist in Anbetracht des Back Catalogues von Karen O und Co. nicht gerade verwunderlich.

Fazit

"Wo die wilden Kerle wohnen" ist ein simpler, aber in seinen behandelten Themen und dargestellten Bildern durchaus erwachsener und komplexer Familienfilm, der vor allem mit seinem Soundtrack, der vortrefflichen Optik und den stimmlich hervorragend passenden sowie emotional facettenreichen wilden Kerlen das zu vermitteln vermag, was ohnehin jeder weiß, aber womit er dennoch immer wieder gern konfrontiert wird: Nichts ist ideenreicher als die Phantasie eines kleinen Kindes. Und wenn man dann noch einen wegweisenden Regisseur wie Spike Jonze dazu bekommt, diese Idee zu verfilmen, kann sich das Ergebnis wahrlich sehen lassen.

Andreas K. - myFanbase
26.12.2009

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