Bewertung
Susanne Bier

In einer besseren Welt

"Schlägst du ihn, schlägt er dich. Du schlägst zurück und es hört nie auf."

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Inhalt

Nachdem Tod seiner Mutter zieht der junge Christian (William Jøhnk Nielsen) zusammen mit seinem Vater (Ulrich Thomsen) zurück ins beschauliche Dänemark. Noch zutiefst traumatisiert von dem schweren Verlust versucht Christian, sich dem Alltag zu stellen. Schnell beginnt er, sich mit dem Außenseiter Elias (Markus Rygaard) anzufreunden, der alltäglich in der Schule von Mitschülern aufs Brutalste drangsaliert wird. Doch eines Tages schlägt Christian zurück, bedroht den Hauptverantwortlichen mit einem Messer und bläut ihm ein, in Zukunft die anderen Schüler in Ruhe zu lassen. Elias ist begeistert von seinem neuen, mutigen Freund und es entwickelt sich eine besondere Freundschaft. Doch Christians ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit nimmt immer dramatischere Züge an und beginnt die beiden Freunde langsam ins Verderben zu führen.

Kritik

Neben Skandalregisseur Lars von Trier ist Susanne Bier wohl die bekannteste Filmemacherin Dänemarks. Ihre Filme drehen sich immer um tief verankerte Wunden, die das Leben im Menschen hinterlassen hat, um menschliche Tragödien und den Kampf um Hoffnung, um das Streben nach einem kleinen Fünkchen Licht in finsterer Nacht. Auch in ihrem Oscar-prämierten Familiendrama "In einer besseren Welt" geht es um diese Themen und noch viel mehr. Das meisterhaft erzählte und gespielte Drama schockiert und berührt gleichermaßen, stimmt nachdenklich und schenkt einem trotz depressiver Grundstimmung Hoffnung.

Das zentrale Grundmotiv von Biers Film gibt bereits der Originaltitel "Hævnen" vor, welcher im Deutschen schlicht "Rache" bedeutet. Dabei geht es um verschiedene Formen der Rache: Der kindliche Hauptprotagonist Christian rächt sich an einem Schultyrannen, welcher das Leben seines Freundes Elias zur Hölle macht. Nachdem dieser Racheakt vollendet ist, will er sich an einem ignoranten, machtbesessen Autohändler rächen, welcher handgreiflich gegenüber Elias' Vater wurde. Aber schnell wird deutlich, dass es Bier nicht um die Darstellung und die Mechanismen der Selbstjustiz geht. Vielmehr versucht sie aufzuzeigen, wie Gewalt langsam zu entstehen beginnt. Christian geht es um moralische Gerechtigkeit, um ein gewisses Gleichgewicht. Im Grunde will er wie ein Besessener eine bessere Welt erzwingen. Die Mittel, die er dafür wählt, führen ihn aber nur immer weiter ins Verderben.

Beginnen tut der Film mit der Beerdigung von Christians Mutter, die nach einer langen Leidenszeit an Krebs verstirbt. Danach ist dieser junge Mensch zutiefst verstört, hadert mit der Welt, in der er lebt. Er fühlt sich verraten und es dürstet ihm nach Gerechtigkeit in einer komplexen, oft grausamen Welt. Die Verarbeitung von Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen thematisierte Bier bereits in ihrem letzten Werk, dem Drama "Things We Lost in the Fire" und auch hier schwingt dieses Thema wieder mit. Den Kampf um eine bessere Welt treibt auch Elias' Vater an, welcher mehrere Monate im Jahr in einem afrikanischen Flüchtlingscamp versucht, Menschen zu retten, welche oft Opfer grausamer Verbrechen wurden. Doch auch in diesem Nebenplot zeigt sich, dass der Traum von einer besseren Welt oftmals eine bloße Utopie bleibt.

Rache, Gerechtigkeit, Trauer, Weltschmerz, Schuld und Vergebung. Eine breite Palette verschiedener Themen verwebt Bier geschickt in eine zwar ruhig und behutsam erzählte Geschichte, welche aber voll innerer Sprengkraft ist. Die karge, unterkühlte Landschaft Dänemarks wechselt sich ab mit der heißen, flimmernden Atmosphäre Afrikas. Eine fast poetische Bildsprache und dezent eingesetzte Musik unterstreichen die innermenschlichen Konflikte, um die es hier geht. Ein solcher Film, der sich so sehr auf seine Figuren konzentriert, ist natürlich vollkommen abhängig von der Überzeugungskraft seines Darstellerensembles und auch auf dieser Ebene weiß Biers Film zu überzeugen. Vor allem der junge William Jøhnk Nielsen als emotional verunsicherter und traumatisierter Christian weiß mit seinem intensiven Spiel und seiner enormen Ausstrahlung zu begeistern. Aber auch die sonstige Darstellerriege überzeugt durch Authentizität und ein subtiles, differenziertes, ehrliches Spiel nachhaltig.

Biers Film ist definitiv keine leichte Kost und fordert den Zuschauer permanent heraus. Leichte und klare Antworten verweigert Bier konsequent und motiviert den Zuschauer so, sich seine eigene Meinung über das Gesehene zu bilden. Starkes, intellektuell herausforderndes Charakterkino, welches trotz aller schmerzhafter Themen sich nie der Hoffnung verschließt und dazu auffordert, trotz aller lebensweltlicher Schwierigkeiten und Tragödien weiterzumachen und sich im Kleinen, in der Beziehung, der Freundschaft, eine eigene, kleine, bessere Welt zu schaffen.

Fazit

Susanne Bier bleibt ihrer Linie treu und liefert mit "In einer besseren Welt" wieder ein mitreißendes, erschütterndes Drama, welches durch eine großartige Bildsprache und eine groß aufspielende Darstellerriege wohl zu den besten Dramen der letzten Jahre gehört. Völlig zu Recht gab es dafür den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.

Moritz Stock - myFanbase
02.10.2011

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