Bewertung
Johan Renck

Downloading Nancy

"Death is like sucking pure oxygen."

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Inhalt

Nancy (Maria Bello) ist fort. Sie hat ihren gefühlskalten Mann Albert (Rufus Sewell) verlassen und befindet sich auf dem Weg nach Baltimore, um einen Mann zu treffen, den sie nie zuvor gesehen hat. Louis (Jason Patric), der sich online "Schmerzensmann" nennt, hat auf Nancys Bestreben hin einen perversen Pack mit ihr geschlossen: Erst soll der Sadist sie quälen und dann letzendlich töten. Denn Nancy, ein traumatisiertes Vergewaltigungsopfer, das sich seit Jahren selbst Schnittwunden zufügt, ist von einer immensen Todessehnsucht gepackt. Und wie sie ihrem so sehnlichst herbei gewünschten Sterben immer näher rückt, weigert sich Albert, das Verschwinden seiner Frau zu akzeptieren.

Kritik

Grell und unangenehm ist die Ausleuchtung, kalt sind die Farben. Alles lebensbejahende scheint aus ihnen wie der Protagonistin gewichen zu sein. Mit erbarmungloser Konsequenz skizziert Johan Renck das Porträt einer Frau, in deren Welt die Hoffnung schon vor langer Zeit gestorben ist. "Downloading Nancy" ist ein zutiefst unangenehmer, ultra-pessimistischer und kontroverser Film, der von einem wahren Fall inspiriert wurde.

Wie ein Puzzle ist setzt sich das Drama aus seinen zwischen verschiedenen Zeitebenen springenden Szenen und Sequenzen zusammen. Nach und nach bekommen wir einen Eindruck der psychisch schwerst gestörten Hauptfigur. Wir werden Zeuge von Ausdrücken Nancys hochgradig instabiler Psyche, erleben ihren traurigen Ehealltag und hören die schmerzvollen Gespräche mit der Therapeutin Carol (Amy Brenneman, "Private Practice") an. Es ist schwer möglich, einen Zugang zur Titelfigur aufzubauen, doch womöglich ist dies auch gar nicht weiter die Intention des Films, welchem es dennoch gelingt, dem Zuschauer starke Emotionen abzugewinnen. Mitgefühl für die Protagonistin, Abscheu für Louis, Entsetzen über Albert gehören dazu. Löblich ist der Verzicht auf eine dialoglastige und eingehende Analyse über den Ursprung von Nancys seelischer Krankheit, denn das hätte sehr leicht ins arg Küchenpsychologische abgleiten können. Das Wissen um die Gewalttat in der Vergangenheit und die Szenen zwischen Nancy und Albert reichen völlig aus, um eine Ahnung der komplexen Problematik zu vermitteln. Allerdings kann man die leider vorhandende Eindemensionalität der zwei männlichen Hauptcharaktäre kritisieren, was das Drama an Tiefe büßen lässt.

Heikel ist der Umgang von "Downloading Nancy" mit der Suizidalität der Erkrankten. Hier kann man den Film tatsächlich in zweierlei Weisen interpretieren. Zum einem könnte man ihm vorwerfen, er versage Schwerdepressiven die Hoffnung und glorfiziere den Wunsch, zu sterben. In diesem Sinne hätten wir es mit einem verantwortungslosen, zweifelhaften Werk zu tun. Doch, und das ist die andere Sichtweise, kann man genauso die These aufstellen, der Film zeige das erschreckende, realistische Schicksal einer Frau, die früh auf brutalste Weise von nächsten Verwandten verraten wurde, Bestrafungen und Ignoration, aber niemals Liebe erfahren hat. Außerdem sagt Carol zu Nancy einmal in aller Deutlichkeit, dass dieser die angebotene Hilfe nur helfen kann, wenn sie auch wirklich bereit dazu ist, jene anzunehmen.

Nahezu ungeschminkt präsentiert sich Maria Bello der Kamera. Die schauspielerische Leistung der Actrice aus "The Cooler - Alles auf Liebe" und "A History of Violence" ist beachtlich, da facettenreich sowie absolut packend. Eine mutige, absolut überzeugende Darstellung, zu Recht mit einer Independent-Spirit-Award-Nominierung gewürdigt. Rufus Sewell und Jason Patric schöpfen ihr Talent voll aus, um tapfer gegen die bereits erwähnte mangelnde Mehrdimensionalität ihrer Rollen anzuspielen und das Publikum so in den Bann von "Downloading Nancy" zu ziehen.

Trotz der grafisch überraschend wenig explizit ausfallenden Gewaltszenen, wie dem SM-Sex zwischen Nancy und Louis, ist die Altersfreigabe ab 18 aufgrund des nur sehr schwer verdaulichen Inhalts gerechtfertigt. Noch eine wichtige Warnung: Wenn die Titelfigur sich Arme und Beine aufschneidet, ist dies – obwohl meistens nur angedeutet – sicherlich nicht für jedermann zu ertragen.

Fazit

"Downloading Nancy" ist ein schockierendes, ultra-pessimistisches Drama, dessen Inhalt für Entsetzen und Verstörung sorgt. Ob man den sehr gut gespielten Film über eine psychisch schwer gestörte Frau, deren Hass auf das eigene Ich offenbar keine Grenzen kennt, als verantwortungslos oder konsequent bezeichnen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Maren Langos - myFanbase
28.01.2012

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