Bewertung
Clint Eastwood

J. Edgar

"Sometimes you need to bend the rules a little in order to keep your country safe."

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Inhalt

John Edgar Hoover (Leonardo DiCaprio) war Mitbegründer sowie fast 50 Jahre lang leitender Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI) und damit einer der einflussreichsten Männer in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Den Großteil seines Lebens widmete er dem Aufbau und der methodischen Optimierung der Ermittlungsbehörde, welche in dieser Zeit unter anderem die Festnahmen von Al Capone und John Dillinger zu verzeichnen hatte. Hoovers besonderer Sinn für Genauigkeit und disziplinierte Vorgehensweise sind ebenso bekannt wie die Tatsache, dass seine Art der Informationsbeschaffung nicht immer ganz legal von statten ging.

Aber wer genau war dieser Mann, um dessen Privatleben beinahe ebenso viele Gerüchte kursieren wie um die von ihm angelegten Geheimdossiers, in denen er die "schmutzige Wäsche" zahlreicher bekannter Figuren des öffentlichen Lebens festhielt, darunter auch vieler Politiker? Macht durch Information – scheinbar die Lebensphilosophie des 1972 verstorbenen US-Bürokraten, die ihn auf der Karriereleiter weit nach oben brachte und ihm auf dem Weg dorthin jedoch mehr Feinde als Freunde bescherte. Clint Eastwoods Portrait eines einflussreichen und skrupellosen Staatsgiganten.

Kritik

Es ist sicherlich ein gewagter Vergleich und dennoch ein zutreffender, wenn man sagt, Clint Eastwood sei auf dem Gebiet des Films genau das, was J. Edgar Hoover für die US-amerikanische Polizeibehörde war: Einer der bedeutendsten Vertreter seines Faches und ebenso ausschlaggebend an deren Entwicklung beteiligt. Auch seine "Amtszeit" kann ohne Zweifel mit der Hoovers mithalten, drehte er doch bereits in den 1950er Jahren seine ersten Werke und bereicherte seitdem die Filmwelt mit so zeitlosen Klassikern wie "Dirty Harry" und später als Regisseur "Million Dollar Baby". Auch die zahlreichen Auszeichnungen Eastwoods sprechen hier für sich. Ist es also bloß reiner Zufall, dass sich der nunmehr 81-Jährige zu dem Projekt "J. Edgar" hingezogen fühlte? Auch zeigte sich in den letzten Jahren deutlich seine Neigung zum Biografischen, porträtierte er doch erst 2009 mit "Invictus – Unbezwungen" einen bedeutenden Lebensabschnitt Nelson Mandelas.

Wer sich jedoch nun von "J. Edgar" eine umfangreiche Darstellung des bürokratischen Werdegangs Hoovers erhofft haben sollte, wird enttäuscht. Das in Rückblenden erzählte Leben des FBI-Direktors beleuchtet Eastwood vor allem im Hinblick auf dessen private und emotionale Hintergründe, sowie charakterliche Motive. Der Aufbau des FBI scheint dabei beinahe parallel zu einer sich immer weiter intensivieren persönlichen Krise Hoovers zu verlaufen. Eigentlich kein schlechter Ansatz, vor allem da Hoovers eigenes Privatleben, welch Ironie im Hinblick auf seine Geheimdossiers, größtenteils im Verborgenen blieb. Der Fokus des Films liegt also auf den Hintergründen seiner Persönlichkeit, dabei im Besonderen auf der Beziehung zu seiner Mutter Anna Marie Scheitlin (Judi Dench), sowie zu seinem Stellvertreter Clyde Tolson, deren emotionaler Charakter von Eastwood doch in sehr eindeutiger Weise dargestellt wird.

Das Problem des Films mag letztendlich genau hier zu finden sein, denn obwohl das Gezeigte ebenso gefühlsbetont wie tiefgründig ist und einen guten Einblick in Hoovers Persönlichkeit vermittelt, fehlt es dem Film insgesamt an Geschwindigkeit. Durch die rückblickende Erzählweise wird der Handlung nahezu alle Spannung entzogen, nur die gezeigten Ermittlungsfälle des FBI bieten kleine Steigerungen. Aufgrund des gewöhnungsbedürftigen Tempos und den zum Teil extrem langen Dialogszenen, fällt die Konzentration zeitweise schwer.

Leonardo DiCaprio liefert hier eine ordentliche, wenn auch keine großartige Performance ab und auch Naomi Watts in der Rolle seiner langjährigen Assistentin Helen Gandy bleibt leider bis zum Ende eine eher blasse Figur. All das mag jedoch auch einfach eine Frage der Perspektive sein, ist man doch vielleicht nur "verwöhnt" vom hochspannenden, oftmals gewalttätigen Eastwood älterer Tage. Außerdem scheint die Erzählweise weitestgehend dem Leben Hoovers zu entsprechen, welcher selbst umfangreich im bürokratisch-organisatorischen Teil der Behörde tätig war, selbst jedoch nie eine Verhaftung durchführte.

Letztendlich steht und fällt ein Film natürlich auch durch ein gelungenes (oder eben misslungenes) Drehbuch, in diesem Fall verfasst von Dustin Lance Black, der 2009 für sein ebenfalls biografisch angelegtes Drehbuch über den Bürgerrechtler Harvey Milk den Oscar erhielt. Man ging hierbei wohl davon aus, das Konzept würde erneut derart aufgehen.

Neben dem Zeitmanagement war ich jedoch vor allem geschockt über das Make-up-Design des Films, das vor allem in der Darstellung des gealterten Hoovers und seines Stellvertreters Tolson mehr als unrealistisch ausfällt. Dass hier am Budget gespart werden musste, kann man ja eigentlich bei einem echten "Eastwood" nicht vermuten...

Fazit

"J. Edgar" versucht zwanghaft ein ganz großer Film und Eastwoods Ruf gerecht zu werden – und genau das wird ihm zum Verhängnis: Informativ ist er allemal, aber auch zäh und förmlich. Schade, wo wir uns doch das Leben des "mächtigsten Mannes von Amerika" etwas lebhafter vorgestellt hatten.

Vinona Wicht - myFanbase
04.02.2012

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