Bewertung
Wes Anderson

Moonrise Kingdom

"Does it concern you that your daughter has just run away from home?"

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Inhalt

Es ist das Jahr 1965 als der 12-jährige Pfadfinder Sam (Jared Gilman) beschließt, dem Pfadfinderleben den Rücken zuzukehren und zusammen mit der gleichaltrigen, emotional ebenfalls instabilen Suzy Bishop (Kara Hayward) in die Weiten der Natur zu flüchten. Doch das Verschwinden der beiden Kinder wird schnell entdeckt und so macht sich eine Gruppe von Erwachsenen, angeführt von dem Kleinstadtpolizisten Sharp (Bruce Willis), auf die Suche nach den entflohenen Kindern.

Kritik

Wes Anderson gehört zweifelsfrei zu den schillerndsten Figuren des amerikanischen Independent-Kinos. Mit seinen verschrobenen Kinokunstwerken wie "Die Royal Tennenbaums" oder "Darjeeling Limited" etablierte er einen ganz eigenen filmischen Stil, welcher dominiert ist von viel absurder Situationskomik, einer unterschwellig mitfließenden Melancholie und dem Zeichnen von komplexen Außenseiterportraits. Zuletzt versuchte sich das kreative Wunderkind mit "Der fantastische Mr. Fox" auch erstmals an einem Animationsfilm und schuf auch damit ein typisches Anderson-Werk. Nun folgt mit "Moonrise Kingdom" nach fünfjähriger Wartezeit wieder ein Realfilm, bei dem sich Anderson tatsächlich noch einmal selbst übertrifft und eines der stärksten und ergreifendsten Werke seiner filmischen Laufbahn schafft.

Schon der Einstieg in den märchenhaften Filmkosmos des Wes Anderson ist wieder äußerst gelungen und wirft einen sofort in diese etwas andere Welt, in der Menschen mit Megafonen kommunizieren und auch ihnen nahe Gegenstände und Menschen mit einem Fernglas beobachten. Die erzählerische Grundstruktur des Films ist zweigeteilt: Da wären zum einen die zwei Ausreißer Sam und Suzy die ihrer Familie bzw. ihrem Ferienlager entkommen, um in der Natur ein neues Leben zu beginnen und zum anderen eine Gruppe Erwachsener, die ihrerseits versuchen, die kindlichen Ausreißer wiederzufinden. Durch diese Zweiteilung kristallisieren sich schnell die den Film dominierenden Themen heraus: Es geht auf der einen Seite um die Ambivalenzen des Erwachsenenwerdens, die Schwierigkeiten und den Unwillen, als gesellschaftlicher Außenseiter einen Platz in dieser Welt einzunehmen; und andererseits um das Erwachsenensein, um die Schwierigkeit des Aufrechterhaltens von Fantasie und Lebensfreude und um die Frage, was im fortgeschrittenen Lebensalter eigentlich noch kommen soll.

Diese Themen verpackt Anderson in eine überaus schräge, von tiefer Melancholie und einem wunderbaren Humor getragene Liebesgeschichte zweier Kinder, die in ihrer Komplexität und Aufrichtigkeit wohl zu den best erzählten Liebesgeschichten der vergangenen Jahre zählt. Wie sich der Pfadfinder und Waisenjunge Sam zusammen mit der impulsiv-verunsicherten Suzy in die Natur aufmacht, um dort die Wunder des Lebens zu entdecken, ist mit einem ganz ehrlichen Verständnis für die emotionale Innenwelt von gesellschaftlich Missverstandenen erzählt und trifft mitten ins Herz.

Schaffen sich die Kinder in der Natur mit viel Fantasie ein ganz eigenes Königreich, welches der märchenhaften Welt von Nimmerland ähnelt, so sind die Erwachsenen auf der anderen Seite gefangen in einer tristen und sehr traurigen Welt alltäglicher Probleme. Da geht es auch um Einsamkeit, um Verlorenheit und den Verlust kindlicher Unbeschwertheit und Magie. Da ist das Lebensglück in weiter Ferne. Besonders Bruce Willis gelingt es auf wunderbare Weise, sein Harter-Kerl-Image erfolgreich zu dekonstruieren und zeichnet das Portrait eines kleinen, verlorenen Polizisten, der sich an eine traurige Affäre mit einer aus einer eingefahrenen Ehe kommenden Frau klammert.

Die Helden sind hier die Kinder, die den Schwierigkeiten des Lebens den Kampf ansagen, zur Not auch mit einer Linkshänder-Schere. Die Grundelemente der Geschichte sind also hochdramatisch, trotzdem konnte man im Kino wohl lange nicht mehr so viel und laut lachen. Anderson gelingt es immer wieder, seinen Film durch allerhand skurrile Momente aufzulockern und zelebriert hier einen Humor, der wohl nicht jedem gefallen wird, der aber voller wahnwitziger kreativer Energie steckt und durch zahlreiche kleine verspielte Einfälle besticht.

Was am Ende des Kinomärchens steht, ist sicherlich auch die Hoffnung, denn im Grunde ist Anderson ein kleiner Optimist, der sich an der Macht der Liebe, der Fantasie und den kleinen alltäglichen Wundern des Lebens festhält. Schauspielerisch ist der Film auch fabelhaft besetzt. Neben Bruce Willis sowie den Anderson-Veteranen Bill Murray und Jason Schwartzman, überzeugen hier aber vor allem auch die beiden kindlichen Hauptdarsteller mit einer ganz großartigen, einfühlsamen Darbietung, die eigentlich nur noch von dem wunderbaren, den Film umhüllenden Soundtrack übertroffen wird.

Fazit

Wes Anderson entführt den Zuschauer in eine magische Märchenwelt voll bitterer Melancholie und kindlicher Träumerei. Ein Film, der durch seine zauberhafte Bildsprache, den magischen Soundtrack, die toll agierenden Hauptdarsteller, seinen skurrilen Humor und vor allem die warmherzig und einfühlsam erzählte unschuldige Liebesgeschichte wohl schon jetzt zu den schönsten Filmerlebnissen des Jahres zählt.

Moritz Stock - myFanbase
13.06.2012

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