Bewertung
Judd Apatow

Immer Ärger mit 40

"I don't think it means anything, I think it's just adorable."

Foto: Copyright: 2013 Universal Pictures
© 2013 Universal Pictures

Inhalt

Pete (Paul Rudd) und seine Frau Debbie (Leslie Mann) werden fast zur gleichen Zeit 40 und sehen sich so Problemen des Älterwerdens, aufkommenden Schwierigkeiten in der eigenen Ehe und mit ihren zwei Töchtern gegenüberstehen. Als dann noch Petes eigenes Musiklabel in schwere finanzielle Schwierigkeiten gerät, sein Vater ihn weiterhin um Geld bittet, um seine eigene Familie durchzubringen, und auch Debbies Modegeschäft in eine finanzielle Schieflage gerät, beginnt das Leben von Pete und Debbie allmählich komplett aus den Fugen zu geraten.

Kritik

Wenn man über die Tragikomödie "Immer Ärger mit 40" sprechen will, dann muss zwangsläufig etwas näher auf den Drehbuchautor und Regisseur des Films Judd Apatow eingegangen werden, der hier nunmehr seine vierte Regiearbeit vorlegt und sich damit immer weiter von der üblichen komödiantischen Form entfernt. War seine erste Regiearbeit "Jungfrau (40) männlich sucht" zwar eine sehr gute, aber auch sehr klassische Komödie, bei der aber auch schon Apatows bemerkenswertes Gespür für die optimale Ausbalancierung zwischen gnadenlos vulgärem Humor und lebensweltlicher, berührender Wahrhaftigkeit in Ansätzen zur Geltung kommt, so gelang ihm mit seinem Folgewerk "Beim ersten Mal" dann schließlich gar ein moderner komödiantischer Klassiker, der in seiner durch die Decke gehenden Gag-Trefferquote und seinen liebenswerten, wunderbar schrägen Figuren im Grunde die perfekte Komödie darstellt. Der Film wurde auch finanziell ein Riesenerfolg und machte Apatow zum neuen Komödienstar in Hollywood. Anstatt sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, folgte mit "Wie das Leben so spielt" schließlich ein Film, der viele vormalige Fans Apatows verschreckte und beim Gesamtpublikum und den Kritikern größtenteils durchfiel. Dabei war Apatows wahnwitziger und weit über zwei Stunden langer Film über das Leben eines Komikers, der an Krebs erkrankt, eine konsequente Weiterentwicklung des Apatowschen Gesamtwerks. Ein Film, für den das Wort Komödie nicht mehr zutreffend erschien, war es vielmehr doch ein stark erzähltes, mit allerhand tollen, ungeheuer menschlich wirkenden Charakteren vollgestopftes Drama über Freundschaften und die Widrigkeiten des Lebens im Allgemeinen, garniert mit dem treffsicheren und altbekannten vulgären Humor, der in diesem Filmkosmos weiterhin ganz wunderbar funktionierte.

Nun folgt mit der inoffiziellen Fortsetzung zu "Beim ersten Mal" nun also die vierte Regiearbeit von Judd Apatow und er geht seinen Weg unbeirrt und konsequent weiter. Vielleicht ist "Immer Ärger mit 40" schlussendlich sogar der reinste Apatow-Film überhaupt, der nun auf einen roten Faden vollständig verzichtet und in seinem Film einfach ungefiltert das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen abbildet. Dabei entsteht ein feines komödiantisch aufgeladenes Drama über die Ehe und schwierige Familiendynamiken. Dabei wählt er einen stets authentischen Ansatz und reiht viele Alltagsmomente im Leben einer mittelständischen, durchaus privilegierten amerikanischen Familie aneinander und legt die verschiedenen Problemfelder auf eine immer ehrliche, nie rührselige Art und Weise offen. Über eine Laufzeit von über zwei Stunden ist man dann auch gerne Teil dieser chaotischen, aber doch stets liebenswerten Familie und verliert sich geradezu in den kleinen Alltagsmomenten, den Krisen, Schwierigkeiten und Ambivalenzen, die hier so wahrhaftig wie nur eben möglich dargestellt werden.

Wie schon erwähnt wird dabei auf eine klare erzählerische Linie komplett verzichtet und der Film lässt sich einfach von einer Szene zur nächsten treiben. Es werden Nebenhandlungen aufgeworfen und wieder fallen gelassen und immer wieder tauchen auch neue Nebenfiguren auf, die teils mehr und teils weniger Profil erhalten. Das Leben folgt im Grunde auch keiner klaren stringenten Linie und so ist diese Art des Erzählens äußerst konsequent und aufgrund der pointiert geschriebenen, teils schreiend komischen, teils aber auch tieftraurigen Momentaufnahmen vergeht die Zeit wie im Flug. Im Zentrum des Geschehens steht das bereits aus "Beim ersten Mal" bekannte Paar Pete und Debbie, die beide das 40. Jahr erreichen und langsam in eine echte Lebens- und Beziehungskiste steuern. Dabei spielen Judd Apatows Ehefrau Leslie Mann und der stets wunderbare Paul Rudd mit einem Übermaß an Authentizität ihre Rollen und werden dabei begleitet von einer Schar bekannter Nebendarsteller: So sind Jason Segel, "Girls"-Star Lena Dunham, Melissa McCarthy und auch Megan Fox in kleineren Rollen zu sehen und besonders McCarthy dreht mal wieder voll auf und zeigt eindrucksvoll, warum sie momentan eine der begehrtesten Komödiendarstellerinnen überhaupt ist. Die heimlichen Stars des Films sind aber Maude und Iris Apatow, die fast jede Szene dominieren und stets zwischen niedlich-liebenswürdig und nervig aufgedreht hin und her pendeln. Aufgrund der zwei kleinen Töchter Apatows gelingt auch die Darstellung verschiedener Generationen und ihrer ganz eigenen Lebenswelten recht gut: In einer besonders für Serienfans toll geschriebenen Szene diskutieren Vater und Tochter, welche Serie denn die bessere sei: "Lost" oder "Mad Men". Die Tochter ergreift leidenschaftlich Partei für "Lost" und straft "Mad Men" mit deutlichen Worten ab. Der Vater tut dies genau andersherum und so entsteht eine wunderbar witzige, popkulturell aufgeladene Szene, die auch die Generationsproblematik gut auf den Punkt bringt.

Ein weiterer gelungener Punkt sind dann auch gerade diese zahlreichen Popkulturanspielungen, die immer wieder elegant in die Story eingeflochten werden. So schaut die ältere Tochter Sadie den ganzen Film über auf ihrem iPad die Serie "Lost" und bricht schließlich, nachdem sie das Finale gesehen hat, in Tränen aus. Wer die Serie "Lost" übrigens noch nicht kennt und dies in Zukunft noch nachholen will, sollte sich den Film lieber erst später ansehen, verrät dieser doch die komplette Schlussauflösung. Wie schon deutlich geworden sein sollte, macht der Film ungeheuren Spaß und scheut sich auch nicht vor rührenden und ernsthafteren Momenten. Das täuscht schlussendlich aber leider auch nicht über den Fakt hinweg, dass die viele der thematisierten Problemlagen im Grunde nicht wirklich welche sind. Der Film erzählt die Geschichte einer recht privilegierten Familie aus dem oberen Mittelstand, die in einem riesigen Haus mit Swimming Pool lebt, wo jeder die neuesten Apple-Produkte besitzt und auch zwei große Autos vor der Haustür stehen. Die aufgeworfen finanziellen Probleme wirken da dann nicht ganz überzeugend, genau wie die stets thematisierten Existenzängste. Wenn es aber um familiäre Probleme und vor allem auch die aufkommenden Schwierigkeiten einer längeren Ehe geht, trifft der Film meist den richtigen Ton und schafft viele Momente, mit denen sich viele Zuschauer wohl gut identifizieren können. Deutlich gemacht werden muss zudem auch, dass der Film wesentlich ernster ist als beispielsweise "Beim ersten Mal" und eher in die Richtung tragisch-komisch geht. Auch der Kritikpunkt, dass Apatow einfach sein eigenes Leben abgefilmt hat und dies aus kreativer Sicht doch ziemlich einfallslos sei, kann nur teilweise entkräftet werden. Da er dies aber mit so viel Charme, Humor und auch der richtigen Menge an guter Beobachtungsgabe für die Probleme des Alltags tut, fällt das dann schließlich doch nicht zu sehr ins Gewicht.

Fazit

Judd Apatows neuer Film ist sicher nicht perfekt und wer schon vorher mit seinen Filmen nichts anfangen konnte, wird nach diesem, alle Konventionen einer herkömmlichen Komödie brechenden neuen Werk auch kein Fan mehr werden. Wer aber an einem ausschweifend erzählten, äußerst humorvollen und auch tragischen Film über familiäre Alltagsprobleme Gefallen findet, der ist hier sicherlich an der richtigen Adresse. Wo Judd Apatow drauf steht, ist schließlich auch Judd Apatow drin.

Moritz Stock - myFanbase
22.03.2013

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