Bewertung
Jon S. Baird

Drecksau

"Don't start something you cannot fucking finish."

Foto: Copyright: 2013 Ascot Elite Filmverleih GmbH
© 2013 Ascot Elite Filmverleih GmbH

Inhalt

Der schottische Polizist Bruce Robertson (James McAvoy) schreckt vor nichts zurück: Er spielt seine Kollegen gegeneinander aus, lügt, betrügt und pumpt sich permanent mit Alkohol und Kokain voll. Er schläft mit verschiedenen Frauen, um sie dann aber auch nur weiter zu erniedrigen. Immer weiter gerät er in einen Strudel aus Selbsthass und Hass auf die Welt und alles und jeden, der ihm in die Quere kommt. Die Dämonen seiner Vergangenheit kann er dadurch aber auch nicht abschütteln und so steuert er immer mehr auf eine kolossale Katastrophe zu.

Kritik

"Drecksau" ist die Verfilmung eines Romans des kontrovers diskutieren schottischen Autors Irvine Welsh, welcher große Bekanntheit erlangte durch sein 1993 erschienenen Debütroman "Trainspotting", dessen Verfilmung sich in den 90er-Jahren dann schnell zu einem Kultfilm entwickelte und bis heute bei vielen fast schon Legendenstatus genießt. Seit "Trainspotting" wurde immer wieder versucht, die Romane des Briten zu verfilmen, doch mit wenig Erfolg. Nun hat sich der Schotte Jon S. Baird für sein zweites großes Regieprojekt auch an einen Roman von Welsh gewagt und über zwanzig Jahre nach "Trainspotting" kommt endlich wieder eine Welsh-Verfilmung in die Kinos, die begeistern kann und einen tiefdunklen Blick in die zerstörte Seele eines widerwärtig-bemitleidenswerten schottischen Gesetzeshüter gewährt.

Der Originaltitel dieses Films lautet "Filth" und das umschreibt die ganze Atmosphäre dieses ungemein dreckigen, oft brutal unangenehmen, grenzüberschreitenden, gnadenlos ekelhaften Films ganz gut. "Filth" ist aber gleichermaßen eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen Polizisten und dieser Polizist steht im Zentrum dieses durch und durch britischen Films. Der von James McAvoy wahnsinnig intensiv verkörperte schottische Polizist Bruce Robertson ist ein widerwärtiger sexistischer, rassistischer und manipulativer Unsympath, welcher ständig betrunken und auf Drogen ist und auch die Menschen belügt und betrügt, die noch ein Mindestmaß an Sympathie ihm gegenüber zeigen. Einen solchen Protagonisten zu wählen ist mindestens schwierig, doch überaschenderweise gelingt es Regisseur Baird zusammen mit seinem Hauptdarsteller, diese Figur nicht nur als gnadenlosen Widerling zu inszenieren, sondern aus ihm ein komplexes menschliches Wesen zu machen, welches an der Welt gescheitert ist und nun versucht, diese mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu zerstören.

Der Film wird dabei getragen von einer wahnwitzigen, wilden und hektischen Inszenierung, die teilweise einem irren Drogentrip gleicht und dadurch eine ganz eigene Faszination ausstrahlt. Dabei vermischen sich Formen tiefschwarzen Humors mit einer immer dramatischer werdenden Erzählstruktur und einer starken Ausarbeitung der zentralen Hauptfigur, die trotz ihrer amoralischen und widerwärtigen Handlungen dem Zuschauer auf vielen Ebenen nahe geht und einem schlussendlich sogar regelrecht leid tut. Der Hauptverdienst für die Ambivalenz und auch Tiefe dieser Rolle gebührt sicherlich Hauptdarsteller James McAvoy, welcher sich komplett in die moralischen Abgründe dieser Figur stürzt und eine Wahnsinnsperformance abliefert, wohl eine der besten seiner Karriere, die jetzt erst so richtig Fahrt aufzunehmen erscheint. Für das deutsche Publikum wird im Übrigen eine Sequenz, die auf der Hamburger Reeperbahn spielt und auch stark inszeniert ist, besonders interessant sein.

Fazit

"Drecksau" ist ein faszinierendes, teilweise aufgrund seiner präsentierten Abscheulichkeit und Düsternis schwer zu ertragendes Filmerlebnis, welches tief eintaucht in die Seele einer schwer traumatisierten Persönlichkeit und getragen wird von einer Wahnsinnsperformance des schottischen Schauspielers James McAvoy und einer kongenialen Inszenierung. Dieser Film ist eine kleine Perle und sicher eine Entdeckung wert.

James McAvoy und Jon S. Baird im Interview zu "Drecksau"

Moritz Stock - myFanbase
16.10.2013

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