Bewertung
Bill Condon

Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt

Wenn du die Wahrheit willst, geh selbst los und such sie.

Foto: Copyright: 2013 Constantin Film Verleih GmbH
© 2013 Constantin Film Verleih GmbH

Inhalt

2007, in Berlin: Daniel Berg (Daniel Brühl) trifft während des Chaos Communication Congresses auf den idealistischen Julian Assange (Benedict Cumberbatch), den er bereits aus dem Netz kennt. Der im Job eher ermüdete Informatiker ist beeindruckt von Julians mitreißenden Reden über die eigens gegründete Enthüllungsplattform WikiLeaks, die sich für den Schutz von Whistleblowern einsetzt, und wird schnell selbst zu einem wesentlichen Bestandteil des (überraschend) kleinen Teams. Geldwäsche, Korruption und Vertuschungsaktionen in Regierungskreisen, all das soll – dank WikiLeaks – bald Geschichte sein. Denn Daniel und Julian wollen die Wahrheit enthüllen. Transparent, ungeschminkt und gratis zugänglich für jeden. Der Plan gelingt. Gemeinsam revolutionieren sie den Bürgerjournalismus (die fünfte Gewalt) und erfreuen sich bald zahlreicher Anhänger. Bis die Veröffentlichung vertraulicher US-Unterlagen schließlich eine weltweite Diskussion auslöst und etliche Informanten in eine tödliche Lage bringt. Geht WikiLeaks doch zu weit?

Kritik

Das Leben schreibt bekanntlich die besten, spannendsten und emotionalsten Geschichten. Das bleibt der Filmindustrie nicht verborgen. Ob die Erfolgsgeschichte von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in "The Social Network" oder das tragische Schicksal der Natascha Kampusch in "3096 Tage", was einst Mediengeschichte schrieb, bietet gewiss auch guten Stoff für die Kinoleinwand. Ergo war es eigentlich abzusehen, welches Schicksal der Enthüllungsplattform WikiLeaks und ihrem Schöpfer Julian Assange eines Tages ereilen würde. In diesem Fall wird die Zeit zurückgedreht von Regisseur Bill Condon ("Dreamgirls") und Drehbuchautor Josh Singer ("Fringe - Grenzfälle des FBI"), die sich überwiegend durch die Buchvorlage "Inside WikiLeaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt" von Daniel Domscheit-Berg inspirieren ließen und daraus einen Journalistik-Thriller mit internationaler Starbesetzung formten.

Wer sich vor dem Film weniger mit WikiLeaks beschäftigt hat, dem dürfte der Autor Daniel Domscheit-Berg vielleicht ein Unbekannter sein. Der deutsche Netzwerkingenieur war zwar maßgeblich an dem Erfolg der Whistleblower-Internetplattform beteiligt und fungierte ebenfalls als Sprecher (unter dem Pseudonym Daniel Schmitt), dennoch war es vielmehr Julian Assange, der Mediengeschichte schrieb und WikiLeaks ein einprägsames Gesicht verlieh. Das spiegelt sich in "Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt" sichtbar wieder. Obgleich der Film die ersten und letzten Schritte von Daniel Berg bei WikiLeaks nachempfindet und parallel von der missglückten Freundschaft zweier ungleicher Idealisten erzählt, ist es auch hier die ausdrucksstarke Performance des Julian Assange, die nach spannenden, (teils) ausholenden und polarisierenden 128 Filmminuten im Gedächtnis bleibt.

Das ist insbesondere dem brillanten "Sherlock Holmes"-Darsteller Benedict Cumberbatch geschuldet. Wieder einmal verleiht er seinem Schauspiel eine beeindruckende Note. Als weißblonder Julian Assange verkörpert er einen Charakter, der nur wenig von sich preisgibt und die eigene Wahrheit gerne verdreht, sodass seiner Person selbst am Ende eine gewisse Rätselhaftigkeit anhaftet. Das hat manch unterhaltsame Überraschung zur Folge, wenn Daniel beispielsweise herausfinden muss, wie viele Freiwillige tatsächlich für WikiLeaks arbeiten. Ein metaphorisch inszeniertes Großraumbüro bietet dabei eine kreative Abwechslung zu den zahlreichen HTML-Codes und Chatnachrichten, die fleißig über die Bildschirme flimmern, während via WikiLeaks eine Enthüllung nach der anderen aufgedeckt wird – beginnend mit dem Geldwäscheskandal der Schweizer Julius Bär Bank (2008) bis hin zu der umstrittenen Veröffentlichung geheimer US-Militärunterlagen in Zusammenarbeit mit dem Spiegel, der New York Times und dem Guardian (2010).

Neben einer Hollywoodgröße wie Cumberbatch wirkt der deutsche Daniel Brühl leider nahezu eintönig, was sich jedoch in der Darstellung des eher bodenständigen Daniel Berg ergründen lässt. Eingangs gleicht er vielmehr einem Schatten von Assange, der durch WikiLeaks endlich dem tristen Büroalltag entkommt und aufblüht. Im Handlungsverlauf sieht er sich jedoch mit erheblichen, moralischen Fragen konfrontiert und begehrt schließlich auf. An seine überragende Leistung als Formel-1-Rennfahrer Niki Lauda in "Rush - Alles für den Sieg" vermag Brühl damit nicht ganz anzuknüpfen. Dafür wurden die einzelnen Persönlichkeiten von Drehbuchautor Josh Singer etwas zu blass skizziert. Bestes Beispiel: die schwedische Schauspielerin Alicia Vikander ("Anna Karenina"), die Bergs kritische Freundin (und spätere Ehefrau) Anke Domscheit spielt. Gemeinsam mit Brühl darf sie sich in einer untergeordneten Liebesgeschichte etwas emotionslos durch die Kissen wühlen.

Insgesamt betrachtet wird deutlich, dass man versucht hat, mit "Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt" auf neutralem Boden anzubauen, damit sich der Zuschauer ein eigenes Bild verschaffen kann. Das gelingt leider nicht ausnahmslos. Spätestens mit der Onlinestellung des brisanten Irakvideos "Collateral Murder" und dem damit einhergehenden Bekanntheitsgrad von WikiLeaks, wird zunehmend die starke Medienpräzens von Julian Assange in den Vordergrund gerückt. Diese kollidiert schließlich mit seinen einstigen Idealen (u. a. der Schutz von Informanten). Die US-Regierung, auf der Leinwand unterstützt von Stanley Tucci und Laura Linney, darf sich wiederum, mittels eines gefühlsbetonten Ablenkungsmanövers, filmisch aus der Affäre schmuggeln.

Schlussendlich ist es Julian Assange, der ins Visier der Kritik gerät und mit seinen abschließenden (ans Publikum gewandten) Worten "Wenn du die Wahrheit willst, geh selbst los und such sie. Genau davor haben die Angst. Vor dir!" ins Schwarze trifft. Ob ein Kinobesuch dafür ausreicht? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Denn trotz aller Kritik bietet "Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt" einen recht packend aufgezogenen Journalistik-Thriller, der sich, nicht zuletzt wegen seiner namenhaften, internationalen Besetzung, sehen lassen kann.

Fazit

Ein recht packend inszenierter Journalistik-Thriller aus dem Hause DreamWorks Pictures. "Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt" garantiert mit dem Kauf der Kinokarte gewiss nicht die komplette Wahrheit über WikiLeaks und Julian Assange, bietet aber 128 Minuten gute, brisante Unterhaltung.

Doreen B. - myFanbase
29.10.2013

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