Bewertung
Mark Osborne

Kleine Prinz, Der

"Erwachsenwerden ist nicht das Problem, das Vergessen ist es."

Foto: Copyright: 2015 Warner Bros. Ent. Alle Rechte vorbehalten.
© 2015 Warner Bros. Ent. Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Ein kleines Mädchen (Originalsprecherin Mackenzie Foy) will an der Wertakademie aufgenommen werden und damit den großen Traum der ehrgeizigen Mutter (Rachel McAdams) erfüllen. Nach den Sommerferien geht es los! Deshalb muss das Mädchen in jeder freien Minute lernen. Eine penibel ausgearbeitete Zeittafel regelt den Tagesablauf, indes die alleinerziehende Mutter ins Büro fährt. Doch was ist das? Kaum eingezogen, wirbelt der kauzige Nachbar (Jeff Bridges) die Pläne der folgsamen Streberin gehörig durcheinander. Ständig schraubt er an einem klapprigen Flugzeug herum, scheint im Chaos zu versinken und eine Ordnungswidrigkeit nach der anderen zu begehen.

Als ein Papierflugzeug durch das Zimmerfenster des Mädchens trudelt, werden die Schulbücher zur Nebensache. Von nun an offenbart sich ihr das Abenteuer des kleinen Prinzen (Riley Osborne). Dieser verließ einst seine hochmütige Rose (Marion Cotillard) und lernte während seiner Reise durch das Weltall langsam zu schätzen, was er da aufgegeben hat. Bald erfährt das Mädchen, dass die Geschichte um den kleinen Prinzen wahr sein muss und ihr Nachbar, ein pensionierter Flieger, ein Teil davon ist...

Kritik

"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar" - diese bedeutenden Worte bilden das wohl bekannteste Zitat aus "Der kleine Prinz" des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry. In 250 Sprachen übersetzt und mit weltweit über 145 Millionen verkauften Exemplaren leuchtet der Stern des kleinen Prinzen seither beständig am Literaturhimmel und berührt bis heute Leser aller Altersgruppen. Doch wie formt man aus dem etwa 90-seitigen Kunstmärchen ein familienfreundliches Animationsabenteuer? Regisseur Mark Osborne und sein Team ließen sich von der heutigen Leistungsgesellschaft beflügeln und machten den Kultklassiker einfach zu einem wertvollen Bestandteil einer neu erdachten Geschichte. Das birgt Vor- und Nachteile.

Dabei lehnte der zweifach für den Oscar nominierte Mark Osborne ("Kung Fu Panda") das Angebot der Produzenten aus Bedenken an einer filmischen Umsetzung vorerst ab. Seine Idee, das Original mit einer zeitgemäßen Erzählung zu verbinden, die ähnliche Werte wie Saint-Exupérys Werk vermittelt, lenkte das Projekt dann doch noch in zukunftsorientierte Bahnen. Das Resultat darf mit Kinderaugen bestaunt werden und macht Lust auf die von Osborne & Co. liebevoll inszenierte Buchvorlage. Das Original lockt überdies mit einem Staraufgebot an Sprechern wie Jeff Bridges, Rachel McAdams und James Franco, neben dem sich das deutsche Sprecherteam um Matthias Schweighöfer, Til Schweiger und weiteren, stimmlich vertrauten Kollegen absolut nicht zu verstecken braucht.

Erkennt man auf den ersten Bildern, gezeichnet von dem sechs Jahre alten Flieger, nun einen Hut oder eine Boa, die einen Elefanten verdaut? Wie bei den verspielten Zeichnungen der Printvorlage könnte auch hier die persönliche Interpretation entscheiden, mit welchen Augen "Der kleine Prinz" betrachtet wird. Der Cineast taucht zunächst in eine triste Welt ein, in der sich Werte in Form von Arbeits- und Lernleistungen ausdrücken. Das Setting ist vorwiegend grau gehalten, die Gesichter der Erwachsenen schauen grimmig, gar verbissen drein. Ohnehin zählt nur, was geleistet wird, nicht wer man ist. Deshalb sind individuelle Namen überflüssig. Kein Wunder also, dass das Mädchen den andersartigen Nachbarn eingangs misstrauisch beäugt. Denn der inzwischen ergraute Pilot aus "Der kleine Prinz" sticht mit seiner bunten Unordnung und der geselligen Art aus der strengen Anzugwelt heraus und verkörpert, was das Mädchen nicht sein darf: ein Kind, das Freude am Leben verspürt und nach den Sternen greift.

Von nun an stehen humanere Werte auf dem Plan. Das Mädchen freundet sich mit dem Nachbarn an, genießt die Ferien heimlich in der Natur und blickt über die Schreibtischkante hinaus. Das Bild wird lebhafter, farbenfroher und die Sterne leuchten in voller 3D-Animationspracht am dunkelblauen Nachthimmel. Mit großen Kulleraugen und kindlicher Neugierde lässt sich die Musterschülerin auf die Geschichte des kleinen Prinzen ein und verzückt damit Auge und Herz – begleitet von einem französisch akzentuierten Soundrack aus der Feder von Hans Zimmer und Richard Harvey. Mit dem Auffalten des ins Fenster gewehten Papierfliegers eröffnet sich dem Zuschauer stückweise die sandige Weite der Wüste, der Blick auf ferne Planeten und eitle wie knickerige Asteroidenbewohner. Durch die vom Designteam aufwendig produzierte Stop-Motion-Puppentrick-Technik wird dem beschalten Prinzen papierartiges Leben eigehaucht. Die detailverliebten Stop-Motion-Bilder kommen den Zeichnungen im Buch sehr nahe und bieten eine eindrucksvolle Abwechslung zu den restlichen, am Computer animierten Szenen.

Auch das Autorenduo um Irena Brignull ("Die Boxtrolls") und Bob Persichetti ("Tarzan") orientierte sich stark am Buch. Die wichtigsten Szenen und Zitate sind im Film enthalten, wetteifern aber zuweilen mit der raschen Umrundung des Asteroiden B 612. Der traurige Filmprinz stellt weniger neugierige Fragen und nimmt einen kurzweilig mit auf Reisen. Doch wie es die weisen Worte des von Matthias Schweighöfer poetisch rezitierten Fuchses passend andeuten: "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar". Und so braucht es nicht für jede Begegnung eine ausufernde Erklärung oder Momentaufnahme. Die Geschichte des kleinen Mädchens punktet ebenfalls mit Fantasie und Gefühl und geht, trotz der einfachen wie teils vorhersehbar gestrickten Handlung, zu Herzen. Das Finale ist dann gewiss eine Geschmacksfrage. Til Schweigers Synchronrolle enthüllt sich mit einem gewagten Ausflug und könnte manch einen Buchfreund (im Plot) desillusionieren. Schlussendlich liegt es im Auge des Betrachters, ob gerührte Tränen kullern oder die gesättigte Schlange zum schnöden Hut wird.

Fazit

Das französisch-kanadische Animationsabenteuer von "Kung Fu Panda"-Regisseur Mark Osborne setzt mit viel Liebe zum Detail auf die Herzen der Buchliebhaber. Das Drehbuch greift an einigen Stellen vielleicht ein bisschen zu hoch nach den Sternen, ansonsten bietet "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry auch auf der Leinwand eine herzerwärmende Geschichte für die ganze Familie.

Doreen B. - myFanbase
05.12.2015

Diskussion zu diesem Film