Bewertung
Michael Showalter

Hello, My Name Is Doris: Älterwerden für Fortgeschrittene

"You're a baller, Doris. Straight up!"

Foto: Copyright: 2015 Retro Jumpsuit, LLC. All Rights Reserved.
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Inhalt

Doris Miller (Sally Field) ist in ihren 60ern und muss den Tod ihrer Mutter verkraften, mit der sie ihr Leben lang auf Staten Island gelebt hat. Noch bei der Trauerfeier konfrontiert sie ihr Bruder Todd (Stephen Root) damit, dass sie das Elternhaus im wahrsten Sinne des Wortes räumen soll. Doris hat nämlich ein Problem: Sie hortet Dinge. Als sie kurz darauf wieder zur Arbeit geht, lernt sie dort den jungen neuen Art Director John (Max Greenfield) kennen und verguckt sich ein bisschen in ihn. Nachdem Doris mit ihrer Freundin Roz (Tyne Daly) ein Selbsthilfeseminar besucht hat, ist sie sich sicher, dass sie ihr Glück versuchen sollte, John für sich zu gewinnen. Da sie sich dabei Ratschläge von Roz' 13-jähriger Enkelin Vivian (Isabella Acres) holt, schlägt sie einen ungewöhnlichen Weg ein, um Johns Herz zu gewinnen.

Review

Doris Miller ist eine exzentrische ältere Frau, die durch und durch liebenswert ist. Immer wieder hat sie mich im Verlauf des Films durch ihre Tagträume und ihre ausgefallenen Ideen zum Lachen gebracht. Obwohl sie sehr schüchtern ist und keiner ihrer Kollegen wirklich etwas über sie weiß, fällt sie allein durch ihr Äußeres sehr auf. Neben ihrem Haarteil, dass sie unter einem Tuch versteckt und ihrem ausgefallenen Mix an Klamotten, ist ihre Brille eins der Markenzeichen, das auch John während einer beengenden Fahrt im Fahrstuhl auffällt. Man kann nicht anders, als Doris zu mögen, vor allem wenn einem im Gegenzug ihr unsensibler Bruder Todd und dessen Ehefrau Cynthia (Wendi McLendon-Covey) vorgestellt werden. Wie kann man nur bei der Trauerfeier der eigenen Mutter, für die Doris ihr Leben lang gesorgt hat, fordern, dass sie das Haus schnellstmöglich zu räumen und zu verlassen hat? Man kann nicht anders, als Mitleid für Doris zu empfinden. Doch es dauert nicht lang, bis einem klar wird, dass Doris tatsächlich ein Problem hat. Sie und ihre Mutter haben Dinge gehortet, die mit oder ohne sentimentalen Wert vielleicht eines Tages von Nutzen sein könnten oder auch nicht. Warum das so ist, wird allerdings nie richtig erklärt. Vielleicht hängt es mit dem überraschenden Weggang des Vaters zusammen, was sie eines Tages bei einer Therapiesitzung mit Dr. Edwards (Elizabeth Reaser) erzählt.

So unsensibel wie Todd auch war, ein wenig angestachelt hat er Doris wohl doch, dass sich in ihrem Leben etwas ändern muss. Dass sie in diesem emotionalen Moment zusammen mit Roz ein Selbsthilfeseminar besucht, hat also seine Folgen. Nachdem ihr Willy Williams (Peter Gallagher) einredet, dass nichts unmöglich ist, setzt Doris es sich zum Ziel, die Aufmerksamkeit ihres neuen Kollegen John zu erregen. Warum sie gerade von ihm so fasziniert ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht, weil er als einziger sie mal wahrgenommen hat, auch wenn sein Smalltalk im Fahrstuhl wohl eher auf die unangenehme Situation zurückzuführen war, als dass er Doris tatsächlich interessant fand. Aber da war es um Doris schon geschehen. Jedenfalls ist Doris fasziniert von John und möchte Wege finden, ihn näher kennen zu lernen. Da sie die letzten 60 Jahre wohl keine richtige Liebe empfunden hat, macht sie jetzt so etwas wie ihre Teenager-Jahre durch und findet dabei in Roz' Enkelin Vivian den idealen Diskussionspartner. Roz selbst hält von der ganzen Sache nämlich nichts. Schön wird hier auch wieder auf die Schippe genommen, wie die heutige Jugend ein gewisses Stalker-Gen mit in die Wiege gelegt bekommen hat, denn innerhalb kürzester Zeit werden mithilfe von Facebook und einem Fake-Account alle notwendigen Informationen über John gesammelt, die für die Eroberung von Nöten sind. Und so skurril Doris' Auftreten beim Konzert der Punk-Band auch war, so sehr hat sie dort auch reingepasst. Da passte es für mich sehr gut, dass sie beim Abendessen zuvor von Cynthia noch als verrückt tituliert wurde und sie später mit zu den normalsten Personen im Kreis der Konzertgänger gehörte.

Ich fand es wunderbar mit anzusehen, wie sich eine enge Freundschaft zwischen Doris und John entwickelte. Dennoch war ich mir zwischendurch immer wieder unsicher, inwieweit sich wieder Tagträume in Doris Wahrnehmung gemischt haben. Denn der Altersunterschied war nun wirklich nicht zu übersehen oder wegzureden und es war nur eine Frage der Zeit, bis das Ganze eskaliert. Man darf schließlich nicht vergessen, wie manipulativ Doris bei der ganzen Sache auch vorgegangen ist – spätestens als sie John und Brooklyn (Beth Behrs) auseinander gebracht hat. Gerade hier merkt man deutlich die Diskrepanz zwischen Doris' äußerem Erscheinungsbild als Mittsechzigerin und ihrer Gedankenwelt. Sie ist zum ersten Mal richtig verliebt und möchte die Chance auf die große Liebe nicht aufgeben. Wer mag es ihr verdenken? Solche Spielchen geschehen normalerweise 40 bis 50 Jahre früher, aber da hat Doris nun mal nichts anderes zu tun gehabt, als sich um ihre Mutter zu sorgen.

Umso wichtiger fand ich, dass Doris sich auch damit auseinander setzt. Spätestens als Todd und Cynthia damit beginnen, ihr Haus zu räumen, obwohl selbst Dr. Edwards sagt, dass man sehr behutsam damit umgehen müsse, ist es dann soweit und Doris sagt endlich mal ihre Meinung. Hervorragend von Sally Fields dargestellt, sehen wir hier, was Doris all die Zeit belastet hat. Und diese emotionale Eskalation war dann letztendlich auch der Punkt, an dem es für Doris bergauf ging und sie ihr Leben immer mehr in den Griff bekommen hat. Und das wäre nicht möglich gewesen, hätte sie sich nicht zuvor in ihrer "Beziehung" mit John das nötige Selbstbewusstsein geholt. Hätte sie nicht begonnen, ihr Leben anzupassen, um ihm zu gefallen, würde sie wohl bis zu ihrem Lebensende als Horterin weilen und als einsame Katzenfrau auf Staten Island bleiben.

Fazit

"Hello, My Name Is Doris" ist ein unterhaltsamer Film, der an vielen Stellen übertrieben und auch unrealistisch wirkt. Dennoch ist Doris eine sehr liebenswerte Person, der man ihre Tagträume nachsehen muss, wenn man ihre Geschichte kennt. Der durchgehend toll besetzte Cast macht es zudem für jeden Serienfan interessant, mal in diesen Film reinzuschauen.

Catherine Bühnsack - myFanbase
11.04.2017

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