Bewertung
Harry Bradbeer

Enola Holmes

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Inhalt

England, 1884: Am Morgen ihres 16. Geburtstages stellt Enola Holmes (Millie Bobby Brown) fest, dass ihre Mutter (Helena Bonham Carter) verschwunden ist, aber offensichtlich hat sie mehrere Hinweise zurückgelassen, um zu verraten, wohin und warum sie gegangen ist. Es ist für Enola jedoch nicht einfach, diesen nachzugehen, denn sie ist nun in der Obhut ihrer älteren Brüder Mycroft (Sam Claflin) und Sherlock (Henry Cavill), die aus ihr nach einer freigeistigen Kindheit eine richtige Dame machen wollen. So bleibt Enola nur noch die Flucht, bei der sie zufällig auf den ebenfalls flüchtigen Lord Tewkesbury (Louis Partridge) stößt, nach dessen Leben getrachtet wird. Somit hat sie ein weiteres Rätsel, was zu lösen ist.

Kritik

Der Film beruht auf einer Buchreihe von Nancy Springer, "The Enola Holmes Mysteries", die Hauptdarstellerin Millie Bobby Brown mit ihrer älteren Schwester schon als Kinder gelesen hatte, und mit ihrer beginnenden Karriere als Schauspielerin war für sie schnell klar, dass sie die Rolle der Enola einmal spielen wollen würde. Enola Holmes wiederum ist eine exklusive Erfindung von Springer, da die Figur ansonsten im üblichen Sherlock Holmes-Kanon nicht bekannt ist. Der von Brown letztlich mitproduzierte Film war über Legendary Pictures für eine Kinoveröffentlichung vorgesehen, aber durch die Corona-Pandemie wurde dieser Plan verworfen, weswegen sich Streamingdienst Netflix die Distributionsrechte sichern konnte. Nicht ganz unpassend, immerhin ist es für Brown durch den Erfolg mit "Stranger Things" eh die zweite Heimat.

"Enola Holmes" besticht alleine vom Papier her durch seinen Cast, der aber auch tatsächlich in der Filmadaption durch die Bank weg überzeugen kann. Auch wenn ich es manchmal etwas schade finde, dass Brown schon früh als viel älter inszeniert worden ist, als sie tatsächlich ist, so muss man auch einfach eingestehen, dass sie bereits eine solche schauspielerische Bandbreite abliefern kann, dass die persönliche Reife nur logisch für sie erscheint. Wo sie Elf etwas sehr Kindliches mitgeben konnte, so kann sie in anderen Rollen ihren Figuren etwas anderes mitgeben und gerade eine vielschichtige Rolle wie Enola passt da wie die Faust aufs Auge für sie. Die jüngere Schwester der Holmes-Brüder ist völlig frei von allen Konventionen durch ihre Mutter großgezogen worden. Das mag sie für die Erwartungen des Viktorianischen Zeitalters unangepasst machen, aber dafür hat sie auch Selbstvertrauen, ein gut ausgeprägtes Problem- und Reflexbewusstsein und ist damit eine klassisch feministische Rolle, die ihrer Zeit weit voraus ist. Brown gibt dieser wilden, frechen und doch auch empathischen, gerechten und mutigen Figur etwas mit, was wahrscheinlich nur wenig Gleichaltrige so abliefern könnten. Sie ist ohne Frage der Star des Films und man kann sehr gut nachvollziehen, warum es auch bei den Filmadaptionen bei einer Reihe bleiben soll, denn Brown macht Lust auf diese Geschichten.

Auch wenn Brown den Film überstrahlt, so ist es dennoch nicht schlecht, dass auch die weiteren zentralen Rollen mit starken Schauspielern besetzt wurden. Sei es Bonham Carter als Eudoria, die auch rein optisch hervorragend als Mutter von Brown durchgeht, oder eben Henry Cavill und Sam Claflin als die weitaus berühmteren Holmes-Brüder. Rein aus dem Bauch heraus hätte ich die Brüder wahrscheinlich genau andersherum besetzt, aber ich fand es spannend Claflin, der durchaus öfters den romantischen Helden spielen darf, mal in der fieseren Rolle des Mycrofts zu sehen, der nur auf den äußeren Anschein achtet und sich in die Bedürfnisse von Enola nicht reinversetzen kann. Dafür darf Cavill, den man als "Superman" oder "The Witcher" eher wortkarg und mit sehr ernstem Gesichtsausdruck kennt, eine bis dato auch nicht gekannte Version von Sherlock spielen. Denn der begabte Detektiv, der sich in der Reihe zu Beginn seiner Karriere befindet, ist sehr empathisch und erkennt schnell das Unglück von Enola, was ihn bewegt. Zudem freut er sich regelrecht, als seine jüngere Schwester sich von ihren Fähigkeiten seiner Fußstapfen her würdig erweist.

Ich war schon immer ein großer Fan von der Figur Sherlock Holmes, der mysteriöse Fälle durch scharfe Kombiniergabe, intensives Beobachten und perfektioniertem logischen Denken lösen kann, was auch eine qualitativ hochwertige Unterhaltung ermöglicht, wie es die BBC-Serie "Sherlock" eindrucksvoll beweisen konnte. "Enola Holmes" will definitiv diese Besonderheiten auch bestätigen und auch wenn der Film unterm Strich nur wenig mit der Serie zu tun hat, so ist zumindest durch den Humor, das Abenteuer und durch die raffinierte Erzählung das Grundgerüst wiederzuerkennen. "Enola Holmes" richtet sich aber vorrangig an ein jüngeres Publikum, weswegen das Lösen von Rätseln deutlich spielerischer gelöst wird. Auch die Ansprache von Enola, die sich in diversen Kameraeinstellungen direkt an das Publikum wendet, bestätigen diesen Eindruck, denn man hat das Gefühl, dass sie zu ihren Freunden spricht. Aber der Film hat einen klaren roten Faden, mit zwei Abenteuern, die ineinandergreifen und dazu immer wieder die Unterbrechungen durch die Interventionen der Brüder und alleine durch diese klare Struktur fühlt man sich durchgängig wunderbar unterhalten.

Ab und zu mag der Film moderner wirken, als es für das Viktorianische Zeitalter passend erscheint, aber das wird mit viel Charme und vor allem einem Fingerzeig für die Zukunft verpackt. Alleine die Figur der Edith (Susan Wokoma), eine Vertraute des Mutter-Tochter-Gespanns Holmes, darf mit ihrer dunklen Hautfarbe einige Sachen sagen, die stark an unsere heutige Thematik der Rassendiskriminierungen erinnert, die aber sicherlich so vor über zwei Jahrhunderten nicht ausdiskutiert wurde. Aber hier werden auch für die Emanzipation der Frauen starke Statements gesetzt, weswegen man diese Botschaft gerne mitträgt. Die Teenieromanze zwischen Enola und dem jungen Lord Tewkesbury (Louis Partridge) ist für meinen Geschmack zu erwachsen inszeniert und auch kleiner Logiklöcher sind nicht wegzudiskutieren, aber das sind nur kleinere Abzüge über die Gesamtlänge gesehen, die nichts am Sehvergnügen ändern.

Fazit

"Enola Holmes" ist eine höchst unterhaltsame weibliche und jüngere Version der üblichen Sherlock-Holmes-Erzählungen, die der Thematik würdig mit Rätseln spielt und dabei gewitzt und charmant vorgeht. Dieser Film steht und fällt mit der schauspielerischen Leistung, aber vor allem Brown als Hauptfigur trägt diesen Film. Ich sehe kein Hindernis, warum nicht gleich eine ganze Filmreihe auf die nächsten Jahre gesehen zu begeistern wissen sollte.

Lena Donth - myFanbase
29.09.2020

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