Bewertung
Brian Duffield

Zerplatzt

"Kaitlyn ist explodiert" – "WAS? Wie eine Bombe?" – "Nein, wie ein Ballon..."

Inhalt

Mara (Katherine Langford) und ihre beste Freundin Tess (Hayley Law) sind ganz normale Teenager und erleben den üblichen Highschool-Alltag. Mara verliebt sich in Dylan (Charlie Plummer) und die Welt scheint rosarot bis sie knallrot wird, als sie alle urplötzlich während des Unterrichts mit dem Blut einer zerplatzten Klassenkameradin bedeckt werden. Und es bleibt nicht bei der einen. Immer mehr Schülerinnen und Schüler platzen wie Tomaten in der Mikrowelle vor den Augen aller. Ein Rätselraten um das tödliche Phänomen und ein Bangen um Leben und Tod beginnt – zumindest für den Zuschauer.

Kritik

Puh, diese zunächst seicht scheinende Teenie-Horror-Komödie holt den Zuschauer schnell auf den Boden der Tatsachen und lässt ihn ähnlich alleine, wie seine Protagonisten. Was ist da nur los? Warum sterben Die Schülerinnen und Schüler auf diese spontane und widerwärtige Art? Und wie schlimm ist es wirklich für alle Beteiligten? Schnell wird klar, dass sich das Problem auf eben diese Schule beschränkt und neben verzweifelten Eltern, Lehrern und Teenies suchen auch Seuchenschutzbeauftragte, Biologen und viele weitere Spezialisten nach einer Antwort und bestenfalls Heilung. Doch Stopp, Heilung ist das falsche Wort, denn es gibt keine Krankheit, keine Anzeichen. Passend zum englischen Titel "Spontaneous" passiert all das eben urplötzlich und ohne jeglichen sichtbaren Grund. Und genau hier nagt auch das erste Mal dieses Gefühl in der Magengrube, das uns jeglicher Sicherheit beraubt.

Doch zunächst begleiten wir die wunderbare Liebesgeschichte zwischen Mara und Dylan. Diese schafft es, den Zuschauer zu beruhigen, ja sogar zu beglücken. Vom ersten Date, über den ersten Kuss bis hin zum romantischen Valentinstagtanz begleiten wir dieses erfrischende Pärchen und genießen jeden Moment. Zwischen ihnen scheint alles so einfach und logisch, dass man seine eigenen Jugenderfahrungen schier in Frage stellen möchte. Ähnlich verhält es sich mit der Freundschaft zwischen Mara und Tess – solche Freunde braucht man im Leben. Doch eben diese Perfektion der Beziehungen wird begleitet von der stets unterschwelligen Angst, dass alles auch ganz schnell vorbei sein könnte. Diese wird umso realer, da ob im Unterricht, auf einer Hausparty oder im Quarantänezelt doch immer wieder das Damoklesschwert des Zerplatzens über all dem schwebt.

Und so trägt uns dieser Film mit einer Mischung aus Leichtigkeit und Todesangst durch ein unbeschreibliches Gefühlschaos zwischen den alltäglichen Teenie-Problemen und der irrsinnigen wie unerklärlichen Bedrohung. Für meinen Teil möchte ich sagen, dass man tatsächlich nur den drei Hauptcharakteren wirklich nahekommt, was erneut einen Gewissenskonflikt heraufbeschwört. Denn während die Schulkameraden munter vor sich hin platzen, hofft man doch immer nur, dass es nicht einen der drei Freunde trifft. Gleichzeitig wundert man sich über die Gleichgültigkeit, die man selbst gegenüber all der anderen Figuren an den Tag legt. Liegt es daran, weil es so schnell geht, so unvermittelt passiert oder weil sie einfach keine tragende Rolle spielen? So oder so sollten diese Tode mehr schockieren, während sie teilweise eher zum Schmunzeln anregen. Dies liegt durchaus an den teils sehr komischen Situationen, in denen das Leben der jungen Menschen ein jähes Ende nimmt.

Besonders merkwürdig ist das Gefühl, dass aber nicht nur der Zuschauer, sondern auch die Beteiligten auf gewisse Art unbeteiligt an den Todesfällen scheinen. Natürlich sind dort eine Grundangst und auch die Bemühungen, alles aufzuklären und zu helfen und trotzdem geht – zumindest für einige – das Leben eben weiter. Doch sind wir mal ehrlich: Würde so eine Situation nicht uns alle und unsere Angehörigen in schiere Panik versetzen? Nackte Angst hervorrufen, uns zum Wegrennen bewegen? Diese halbwegs gelebte Normalität trotz der obskuren und beängstigenden Situation lässt den Zuschauer immer wieder etwas ratlos zurück.

Und doch schafft es der Film an verschiedenen Stellen uns und auch die Protagonisten aus dieser Lethargie zu reißen, aufzurütteln und daran zu erinnern: HALT! STOPP! Irgendwas stimmt hier nicht – natürlich, denn Menschen platzen ja noch immer. Ein seltsames, unbeschreibliches Stimmungswirrwarr der Extraklasse. Insbesondere zur jetzigen Zeit gesellschaftskritisch gesehen, ganz großes Kino.

Wie von Katherine Langford zu erwarten, liefert sie auch hier wieder ab. Sie verkörpert die sympathische, offene, herzige Mara, die Liebe und Leid überzeugend nach außen trägt, als würde sie es selbst erleben. Besonders beeindruckt war ich jedoch von Charlie Plummer, der als normaler "Junge von nebenan" nicht nur Mara, sondern auch den Zuschauer dazu bringt, ihn sehr schnell lieben zu lernen. Die anderen Darsteller sind und bleiben in meinen Augen eher Nebencharaktere und tragen dennoch ihren mehr oder weniger wichtigen Teil glaubhaft zum Geschehen bei. Ich vermute – und daher möchte ich auch gar nicht weiter darauf eingehen – dass das auch Sinn und Zweck der Sache war.

Ohne zu viel zu verraten möchte ich dennoch das einzige Manko für mich an diesem Film aufzeigen, denn der Streifen lässt uns mit genau der Einsamkeit und Verwirrung zurück, die er die ganze Zeit aufgebaut hat. Während eine befriedigende Auflösung auf sich warten lässt, werden wir mit der Erkenntnis stehen gelassen, dass das Leben nun mal endlich ist und wir es so gut und lange wir können, leben sollten. Für andere mag genau das aber die perfekte Quintessenz sein, da sie ja so wahr ist. Vielleicht sollten wir uns alle unserer Sterblichkeit und dem Wert des Lebens wieder mehr bewusstwerden. Und so hinterlässt einen der Film, wie es für mich zu einem gelungenen Werk dazugehört: Fröhlich, traurig, ein bisschen alleine, wertschätzend, dankbar und nachdenklich.

Fazit

Story, Schauspieler, Entwicklung – der Film überzeugt rundum und macht für jeden Zuschauer, der ein bisschen Blut, Ekel und Schock aber auch jede Menge Liebe und Humor vertragen kann, ein bisschen demütiger.

Janina Funk - myFanbase
22.04.2021

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