Bewertung
Saul Dibb

Suite Française - Melodie der Liebe

"Suite Française" basiert auf dem gleichnamigen unvollendeten Roman von Irène Némirovsky, die 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ums Leben kam.

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Inhalt

Lucile Angellier (Michelle Williams) lebt mit ihrer Schwiegermutter (Kristin Scott Thomas) auf deren Anwesen in einem französischen Dorf. Als die deutschen Truppen im Frühsommer 1940 Frankreich besetzen und viele Pariser aufs Land fliehen, wird auch ein deutsches Regiment in Luciles Dorf stationiert. Der Offizier Bruno von Falk (Matthias Schoenaerts) soll fortan in ihrem Haus wohnen, wo er das Arbeitszimmer von Luciles Ehemann, der sich in deutscher Kriegsgefangenschaft befindet, einnimmt, in dem auch ein Klavier steht. Die unglücklich verheiratete und sehr sensible Lucile, die unter der Dominanz ihrer Schwiegermutter sowie der Anwesenheit der Besatzer leidet, entwickelt eine Zuneigung für den Offizier, der eine sehr sanfte Seite hat und vor dem Krieg ein Komponist war. Doch als einer ihrer Bekannten, Benoît Labarie (Sam Riley), in Schwierigkeiten mit den Deutschen gerät, muss Lucile sich entscheiden, für welche Seite sie kämpft.

Kritik

Obwohl von Beginn an klar ist, dass es sich bei "Suite Française" um einen sehr ruhig erzählten Film handelt, der trotz der Brutalität des Krieges eher mit sanften Tönen daherkommt, wird schon in den ersten Minuten deutlich, dass wir uns nunmal mitten im Zweiten Weltkrieg befinden. Flüchtende Menschenscharen aus Paris, Fliegerangriffe und der Einmarsch der deutschen Truppen dominieren die ersten Minuten und verdeutlichen das Unwohlsein von Lucile, die auch unter der herrischen Art von Madame Angellier leidet. Lucile, die ihren Ehemann vor der Hochzeit kaum kannte und ihn auch dann nicht kennenlernen konnte, da der Krieg begann, führt ein sehr unglückliches Leben, da es ihr nicht mal erlaubt ist, das Klavier zu benutzen, obwohl sie vor dem Krieg Musik studierte und sehr talentiert ist. Michelle Williams spielt diese Zerbrechlichkeit, dieses Unbehagen gegenüber ihrer Schwiegermutter und das Mitleid gegenüber ihren Pächtern wie gewohnt sehr einfühlsam und glaubhaft. Sie wirkt ein wenig verträumt aber auch resigniert, als hoffe sie jeden Tag, dass dieser Krieg endlich endet und sie wieder ein normales Leben führen kann.

Als Bruno von Falk in Luciles Leben tritt, verändert sich ihr Alltag. Obwohl es ihr von Madame Angellier untersagt ist, mit dem deutschen Offizier zu sprechen, beginnt eine Faszination für den Offizier, denn er bringt das Klavier des Hauses wieder zum Erklingen. Die frühere Musikstudentin erkennt das Stück jedoch nicht, das er spielt, weshalb sie darüber ins Gespräch kommen und die Komposition von Bruno zu ihrem gemeinsamen Geheimnis wird. Schon bei dem ersten Gespräch der beiden wird klar, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, doch bei einem solchen Drama, das als Romanze eingestuft ist, darf man über diese Vorhersehbarkeit wohl hinwegsehen. Immerhin ist Luciles Aufblühen in Brunos Gegenwart sehr nachvollziehbar erzählt und wird dann noch dadurch unterstrichen, dass sie nie eine wirkliche Verbindung zu ihrem Ehemann hatte und dieser sie - wie sich herausstellt - schon vor der Ehe betrogen hat und ein uneheliches Kind mit einer anderen Frau hat.

Doch die sich anbahnende Beziehung der beiden ist keine unbeschwerte, einfache Liebe zwischen zwei Menschen. Wir haben hier eine Französin und einen deutschen Offizier vor uns, die oberflächlich betrachtet auf zwei verfeindeten Seiten stehen müssten. Auch wenn Frankreich zu dieser Zeit besetzt ist und die Bevölkerung zur Kooperation verdonnert wird, wirkt Lucile gegenüber den Dorfbewohnern wie eine Verräterin, als sie beginnt ihren Gefühlen gegenüber Bruno nachzugeben. Doch ihre gute Beziehung zu dem Offizier wird auch ausgenutzt, um Freundschaftsdienste zu erhalten. Weil er ihr bereitwillig hilft, vergisst man schnell, dass er ein hochrangiges Mitglied der deutschen Armee ist und damit auch gewisse Handlungen von ihm erwartet werden. Als er den Suchtrupp nach Benoît anführt und schließlich auch die Exekution des Bürgermeisters (Lambert Wilson) an Benoîts Stelle durchführen muss, wird einem das wieder brutal vor Augen geführt und das lässt auch Lucile an ihrer Loyalität zweifeln. Hier muss man nach Michelle Williams auch Matthias Schoenaerts ein großes Lob aussprechen, der Brunos sanfte Seite und sein Zögern sowie den Zwiespalt dieser Figur zwischen seinen Gefühlen und der Befehlstreue als Sohn einer Militärfamilie hervorragend darstellt. Er hat es geschafft, dieser Figur so viel Liebenswertes einzuhauchen, obwohl er anfangs dagegen war, einen Nazi-Offizier zu spielen. So steht die Beziehung zwischen Lucile und Bruno - wie nicht anders zu erwarten war - unter keinem guten Stern und spätestens als Brunos Truppe ihren Marschbefehl erhält und Lucile sich entscheidet, Benoît zu retten, kann eine Beziehung zwischen den beiden niemals funktionieren, was diesen aufkommenden Funken zwischen den beiden so bittersüß direkt wieder erlöscht.

So sehr ich das Schauspiel von Michelle Williams und Matthias Schoenaerts liebe und ihre Darstellung der Figuren sofort ans Herz ging, so irritiert war ich dann leider doch, dass für die Hauptrollen ausschließlich amerikanische, britische, australische oder belgische Schauspieler und Schauspielerinnen gecastet wurden. Lediglich in Nebenrollen wie dem französischen Bürgermeister oder einigen der deutschen Soldaten (Heino Ferch oder Tom Schilling lassen grüßen) hat man sich der Schauspieler*innen-Riege der jeweiligen Länder bedient. Wenn heute darüber diskutiert wird, dass People of Color bei Film und Fernsehen benachteiligt werden oder Schauspielerinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen noch immer finanziell zurückgestellt werden, so hat es mir doch irgendwie aufgestoßen, dass hier die Geschichte einer Französin und eines Deutschen von einer Amerikanerin und einem Belgier dargestellt werden. Dass der ganze Film zwischen britischen, amerikanischen und australischen Akzenten wechselt und der deutsche Offizier beim Deutsch sprechen einen Akzent hat, ergab für mich leider einen Bruch in der Erzählweise dieser Geschichte. Doch die bittere Wahrheit ist, dass ein Film mit einem rein französisch-deutschem Cast international wohl weit weniger Interesse geweckt hätte. Mit Gesichtern wie Michelle Williams, Kristin Scott Thomas und Matthias Schoenaerts ließ sich die Geschichte nicht nur in den USA, sondern weltweit viel besser verkaufen. Doch wenn es um Chancengleichheit geht, fragt man sich schon, ob man keine Schauspieler*innen aus Deutschland und Frankreich gefunden hätte, deren Darstellung an die von Williams, Schoenaerts und Co. rangekommen wären...

Als kleine Randnotiz möchte ich noch eine Nebenhandlung erwähnen: Die von Alexandra Maria Lara dargestellte Jüdin Leah, die mit ihrer Tochter aus Deutschland geflohen ist, sich nun aber als christliche Pariserin ausgibt, ist eindeutig die Hommage an die Autorin der Buchvorlage. Als die deutschen Besatzer herausfinden, dass Leah Jüdin ist, wird sie sofort festgenommen und vermutlich in ein Konzentrationslager deportiert. Ihre Tochter Anna (Themis Pauwels), die sich zu dem Zeitpunkt zum Spielen draußen befindet, findet anschließend Obhut im Haus von Madame Angellier, die zum Ende des Films hin langsam ein Herz bekommt und merkt, dass sie als wohlhabende Frau mitten im Krieg auch nicht mehr über den Dingen stehen kann.

Fazit

"Suite Française - Melodie der Liebe" ist ein Film, der einen nachdenklich stimmt. Die zum Scheitern verurteilte aufkeimende Beziehung zwischen einer Französin und einem deutschen Offizier wird liebevoll erzählt und Michelle Williams und Matthias Schoenaerts ziehen einen sofort in ihren Bann. Doch leider hat das Casting aus heutiger Sicht insgesamt einen merkwürdigen Beigeschmack.

Catherine Bühnsack - myFanbase
07.05.2021

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