Bewertung
Elizabeth Allen Rosenbaum

Purple Hearts

Foto: Purple Hearts - Copyright: 2022 Netflix, Inc.
Purple Hearts
© 2022 Netflix, Inc.

Inhalt

Cassie Salazar (Sofia Carson) und Luke Morrow (Nicholas Galitzin) könnten von ihren Überzeugungen her nicht unterschiedlicher sein, als sie in einer Bar in Austin, Texas aufeinandertreffen, doch sie haben eins gemeinsam: sie sind auf Geld angewiesen. Cassie leidet an Diabetes und ihre Behandlung wird nicht mit ihrer Versicherung gedeckt. Luke wiederum hat eine Drogenabhängigkeit hinter sich, die ihn aber in große Schulden getrieben hat. Obwohl sie ständig streiten, schließen sie schließlich den Pakt, dass sie eine Scheinehe eingehen werden, denn durch Luke als angehender Marine hat Cassie Anspruch auf seine gute Versicherung und auch er kann dadurch einen hohen Geldbeitrag für sich einstreichen, um die Schulden abzubauen. Ihre räumliche Trennung wegen seines Einsatzes sehen sie dabei mehr als positiv an, um sich aus dem Weg zu gehen. Doch sie müssen auch den Schein wahren, weswegen sie den Kontakt halten und mit jedem Austausch lernen sie sich unwillig besser kennen. Als Luke im Einsatz schwer verletzt wird, stellt sich ihr Leben endgültig auf den Kopf.

Kritik

Bei "Purple Hearts" handelt es sich um eine Buchadaption, wenn auch das Original von Tess Wakefield in Deutschland nicht bekannt ist und auch die Autorin generell völlig unbekannt ist. Aber das ist auch egal, denn das Potenzial der Vorlage wurde entdeckt und Netflix hat sich früh die Ausstrahlungsrechte gesichert, weswegen der Cast auch nur wenig überraschend ist, da bekanntlich bei dem Streamingdienst diverse Darsteller*innen vielfach besetzt werden. Sofia Carson hatte ihren Durchbruch durch Disney und hat auch wiederholt in Produktionen singen dürfen, weswegen sie für die Rolle der Cassie, die ihren Durchbruch als Sängerin erreichen will, eine gute Besetzung ist. Und sie ist eben bei Netflix keine Unbekannte, war sie doch schon in "Feal the Beat" zu sehen. Ihr zur Seite sollte zunächst Charles Melton gestellt werden, der aus "Riverdale" bekannt ist und damit für deutsche Fans auch eng mit Netflix verbunden ist. Er musste aber letztlich die Rolle aus zeitlichen Gründen wieder absagen, woraufhin Nicholas Galitzine gecastet wurde, der auch ein aufstrebender Jungschauspieler ist. Er war bereits für Prime Video in der Neuauflage von "Cinderella" an der Seite von Camila Cabello zu sehen und hätte zur Not auch singen können. Der musikalische Teil des Films läuft aber allein über Cassie und deren Darstellerin Carson hat selbst an den Songtexten mitgewirkt, was belegt, dass sie sich inhaltlich wirklich in den Film reingehangen hat.

Aber auch abseits ihrer Beteiligung am Soundtrack kann man wirklich festhalten, dass es für Carson sicherlich ein Herzensprojekt gewesen sein wird, denn sie und ihr Schauspielpartner Galitzine haben mit nur wenigen Szenen in meinen Augen eine unglaubliche Chemie aufgebaut, die für mich wie ein magischer Moment war. Es hat wirklich nur wenige Szenen gedauert, bis ich mitten in "Purple Hearts" war und immer nur noch mehr von dem Inhalt haben wollte. Dementsprechend hätte der Film noch ewig für mich weitergehen können. Auch wenn es eine typische Hassliebe war, so fand ich sie inhaltlich doch frisch verpackt, auch weil sie in authentisch dramatischen Kontexten verpackt war. Ich fand es auch gut, dass die inhaltlichen und sicherlich auch charakterlichen Differenzen zwischen Cassie und Luke nicht aufgelöst wurden, denn wenn es um Sozialbewusstsein, Verständnis von Gerechtigkeit, Vaterlandsliebe, Militär und viele weitere Themen geht, ist deutlich zu merken, dass die beiden aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft gar nicht gemeinsame Ansichten haben können. Während Luke in einem patriotischen Haushalt groß geworden ist, wo es um Recht und Ordnung geht und wo das Dienen für das Heimatland die größte Ehre ist, hat Cassie Heimat nie richtig kennenlernt und sie kennt auch kein System, das ihr Halt gibt, was sie besonders bitter mit ihrer Erkrankung an Diabetes erfahren muss. Auch ansonsten ist sie ein Freigeist, der alle Herausforderungen des Lebens mit einem gewissen Stolz erträgt und annimmt, um sich unbedingt den eigenen großen Traum zu erfüllen. Dazu ist Cassie überzeugte Feministin, weswegen die anzügliche Marine-Gruppe ihr gerade recht kommt. Diese sehr unterschiedlichen Ansichten sind natürlich auch sinnbildlich für das stark gespaltene Amerika und auch dort stehen sich die Gegenseiten oft unversöhnlich gegenüber. Die gemeinsame Geschichte von Cassie und Luke zeigt aber auch, dass es durch ein Miteinander geben kann, das eben auf Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe fußen kann. Dementsprechend ist es auch ein sehr inniger Film geworden, der wirklich die Herzen zu berühren weiß. Und egal, wie viel näher die beiden Protagonisten sich kommen, ich hatte nicht den Eindruck, dass eine*r von beiden von den eigenen Überzeugungen abweichen musste, was sicherlich auch Werbung dafür ist, dass es in einer Beziehung neben einem 'wir' auch immer zwei 'ichs' geben sollte.

Natürlich konnte man sich einige der Handlungsentwicklungen mit dem Eingehen der Scheinehe bereits denken, denn es war klar, dass irgendetwas im Einsatz die beiden wieder zusammentreiben wird. Zudem war auch offensichtlich, dass Cassies Diabetes noch eine Rolle spielen wird. Aber das hat mich dennoch nicht gestört, denn durch das Miteinander der beiden, das auch viel durch Ankämpfen und dann doch Kompromissbereitschaft geprägt war, war einfach mitreißend, da hätte ich mir vermutlich auch einen kompletten Klischeekatalog zu Gemüte führen können. Zudem war es auch gut, dass ihre Scheinbeziehung hier nicht komödiantisch dargestellt wurde, um die seltsame Stimmung aufzulockern, sondern dass der Widerstand immer sichtbar war. Sie waren immer bemüht, korrekt zu schauspielern und doch hat man einfach gemerkt, das sind zwei Menschen, die erst noch etwas gemeinsam überwinden müssen. Nach außen war das leicht als leidenschaftliche Beziehung zu verkaufen, in der es schnell mal hochkocht, aber für die Zuschauer*innen, die beide Perspektiven kennen, für die war augenscheinlich, dass die sexuelle Anziehung zunächst auch eher erzwungen werden musste, als dass sie wie von Zauberhand da war. Zwar gab es natürlich die 'Hochzeitsnacht', aber dennoch war danach nicht gleich von der großen Liebe zu reden. Beim Abschied vor dem Einziehen der Marines hat man Cassie sich auch von ihrem Kindheitsfreund Frankie (Chosen Jacobs) verabschieden sehen, das war eine ehrliche Reaktion und das war gut geschauspielert, um die Diskrepanz auch nach außen zu tragen.

Die Musik ist schließlich der rote Faden, der durch die Geschichte geleitet und auch wenn ich Carsons Gesangstil hier gewöhnungsbedürftig finde, so ist diese Stilistik durchgezogen worden und sie hat es durch die Texte und auch ihre Art, die Musik zum Leben zu erwecken, geschafft, dass ich wirklich gerne zugehört habe. Die Symbiose aus inhaltlichem Geschehen und der ergänzenden Musik war somit immer genau passend. Insgesamt ging dieser Karrierestart etwas schnell vonstatten, aber ich finde es ist ein Aspekt, der für den Fortgang des Films Sinn ergeben hat, weil Cassie so ihren eigenen Traum erreicht hat und dennoch nicht völlig erfüllt war. Bei Luke wiederum war die Familiengeschichte die treibende Kraft. Linden Ashby als Vaterfigur ist sicherlich immer ein Gewinn, auch wenn er hier leider nicht sofort sympathisch rüberkommt, aber man hat deutlich gemerkt, dass dort starke Familienbande herrschen, die durch den Tod der Mutter und der direkt daran anknüpfenden Drogenabhängigkeit von Luke zerrissen wurden. Gleichzeitig war deutlich, dass die Risse aber zu kitten sind und dass es vor allem der eigene Stolz war, der im Weg stand. Was für Cassie die Musik war, war für Luke dementsprechend die Familie. Auch wenn es keine Gegensätze sind, so waren es auch hier zwei verschiedene Aspekte, die sie erreichen mussten, aber dennoch aus derselben Motivation heraus. Die Themen des Films wurden also konsequent bedient.

Einziger Makel ist in meinen Augen an einigen Stellen die Inkonsequenz der Erzählung. Cassie und ihre Mutter (Loren Escandon) scheinen zu Beginn des Films ein sehr enges Verhältnis zu haben, dennoch bleibt sie völlig außen vor von der Heirat ihrer Tochter. Man mag es als Schutz auslegen, aber es scheint mir schlichtweg unrealistisch, dass sie all die Zeit nichts mitbekommen haben soll. Ein anderes Thema ist sicherlich auch, dass es Luke den ganzen Film über nicht zu einem Konzert von Cassie schafft, weder in der Bar noch später bei einem größeren Livekonzert im Freien. So entsteht der Eindruck, dass er bei ihrer Passion, der Musik, außen vor ist, dabei formuliert sie selbst später klar, dass er der erste sein soll, der ihre Lieder hört. Zudem wird zunächst scherzhaft aufgegriffen, dass er ihre Muse ist, aber es wird früh deutlich, dass es kein Witz ist, denn er ist von Anfang bis Ende ihre sprudelnde Inspirationsquelle. Ich glaube auch nicht, dass Cassie sich all die Songtexte ausgedacht hat, weil sie damit den Nerv der Masse getroffen hat, sondern weil es wirklich die Gedanken waren, die sie beschäftigt haben, was eben verdeutlicht, dass sie für Luke schon sehr früh tiefe Gefühle hatte. Dementsprechend ist es schade, dass die Musik im Film ein Element war, das sie nur wenig zusammen teilen konnten, denn er als Gast auf ihrem Konzert, ihm hätte ja sofort klar sein müssen, wie sehr sie ihn liebt. Aber das sind nur Kleinigkeiten, die aber nichts an der Magie des Films ändern.

Fazit

"Purple Hearts" ist ein Liebesfilm, der mich wirklich sehr berühren konnte, weil die Emotionalität durchgängig so echt wirkte, dass ich mich schnell in einem inhaltlichen Sog wiederfand. Manchmal kann man gewisse magische Momente gar nicht so genau erklären, aber dieser Film hat mir früh einen geboten und das war definitiv die Chemie zwischen den Hauptfiguren. Danach gab es kein Entrinnen mehr, diese beiden wollte ich unbedingt auf ihrem Weg zum Happy End begleiten. Dadurch ist es wirklich ein Film, den man sich durchaus öfters noch angucken kann und der wohl nichts an seiner Innigkeit einbüßen wird.

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Lena Donth - myFanbase
01.08.2022

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