Bewertung
Rian Johnson

Knives Out: Mord ist Familiensache

Foto: Knives Out - Mord ist Familiensache - Copyright: 2020 Leonine Distribution
Knives Out - Mord ist Familiensache
© 2020 Leonine Distribution

Inhalt

Nach der Feier zu seinem 85. Geburtstag wird der Krimiautor Harlan Thrombey (Christopher Plummer) tot aufgefunden und Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) schließt sich den Ermittlungen von Lieutenant Elliott (LaKeith Stanfield) an, nachdem er von einer ominösen Person angeheuert wurde. Auch wenn zunächst alles nach einem Selbstmord aussieht, entdeckt Blanc in der dysfunktionalen Familie viele Geheimnisse und Intrigen, weswegen er tiefer gräbt, um die Wahrheit hinter Harlans Tod aufzudecken.

Kritik

Regisseur Rian Johnson ist bekennender Agatha Christie-Fan, weswegen er immer schon davon geträumt hat, einen typischen alten Kriminalfilm, wo alle Verdächtigen versammelt sind und fleißig mitgerätselt werden kann (also klassisches Whodunit), zu produzieren. Insgesamt neun Jahre hat es von der Idee bis zur realen Umsetzung gebraucht, aber alleine mit dem Star-Cast hat sich das auf jeden Fall gelohnt. Auch wenn der Film im ursprünglichen Erscheinungsjahr an mir vorbeigegangen ist, so bin ich da sonst eigentlich immer sehr interessiert. Selbst wenn ich mich nicht als glühender Christie-Fan bezeichnen würde, so habe ich aus alten familiären Beständen Sammelbände von ihr gelesen, die mich immer sehr unterhalten haben und in meiner Jugend die erste Heranführung an das Genre darstellten. Mit Miss Marple sowie Hercule Poirot hat sie auch zwei wirklich ikonische Spürnasen geschaffen, die sich aus unterschiedlichen Gründen für so eine Suche nach der Wahrheit sehr gut geeignet haben. Zu Poirot hat es auch schon zwei Star-Verfilmungen gegeben, wobei ich "Mord im Orient-Express" auch schon gesehen habe und das hat mir auch schon sehr gut gefallen. Nun hat Streamingdienst Netflix das Potenzial von "Knives Out" auch erkannt und kurzerhand eine zweite Verfilmung selbst produzieren lassen. Das war dann der endgültige Grund, endlich mal reinzuschauen.

Was mir besonders positiv aufgefallen ist, das ist die definitiv die Erzählweise des Films. Nachdem Pflegerin Marta (Ana de Armas) die Leiche entdeckt hat und nach dem ersten Schock wieder zum Anwesen der Großfamilie zurückkehrt, gehen durch Elliott und seinen Assistenten Trooper Wagner (Noah Segan) bereits die Befragungen los. Das gibt einen ersten guten Überblick über die Familie Thrombey, damit zumindest schon die ersten Verhältnisse und die ersten Charaktereigenschaften für sich sortiert bekommt. Schließlich wird schon als erste 'Überraschung' entlarvt, dass Blanc bereits auch im Haus anwesend gewesen ist und als stiller Zuhörer sich alle zu Gemüte führt. Mit dieser Art, dass vieles eher so nebenbei und damit erst recht richtig überraschend daherkommt, wird auch fortwährend weitergearbeitet. Ein spannender Kniff ist auch weiterhin, dass stetig Geheimnisse und Teilergebnisse der Ermittlungen präsentiert werden. Diese fungieren nicht als spektakuläre Wendungen, um dem Film eine ganz andere Richtung mitzugeben, stattdessen geht es um ein Gesamtgeschehen, das so viele Schichten hat, dass man diese zunächst gar nicht erahnen kann. Nur weil man also zu Mitte des Films schon weiß, wie der große Harlan gestorben ist und wer entscheidend seine Finger im Spiel hatte, heißt das nicht, dass hiernach die Luft raus wäre. Ganz im Gegenteil: neben dem Vertuschen von Beweisen gibt es so auch noch weitere Wahrheiten, die entlarvt werden müssen. Diese vielschichtige Erzählweise hat damit auch noch den Vorteil, dass Blanc nicht als Überwesen dargestellt wird. Stattdessen sieht man als Zuschauer*in, der oder die einen größeren Gesamtblick hat, wie die Beweise manchmal vor seiner Nase schweben, ohne dass er sie aber zu packen bekommt. Auch wenn Blanc sicherlich nicht als universeller Sympathieträger intendiert war, so sorgt das doch dafür, dass er sehr menschlich daherkommt.

Bei so einem großen Ensemblecast ist es natürlich schwierig, dass alle gleich zur Geltung kommen. Für mich stechen daher auch Blanc sowie Marta hervor, während dann eine Figur wie Enkel Jacob (Jaeden Martell) für den einen Spruch hier oder dort genutzt wird und der große restliche Teil macht es sich genau in der Mitte bequem. Auch wenn die großen Namen also wahrlich nicht so viel zu spielen haben, wie es ihnen vielleicht in anderen Produktionen anvertraut wird, so haben sie sich dennoch gelohnt, denn man merkt deutlich, wie sehr das ganze Geschehen regelrecht vibriert, wenn so viele Familienmitglieder wie möglich aufeinandertreffen. Das wird wahrscheinlich auch im Drehprozess die größte Freude bereitet haben, denn das Drehbuch verlangt eine höflich-gehässige Stimmung, weil es bei den Thrombeys klare Parteien gibt, die sich gegenseitig ausspielen oder eben bedingungslos beistehen. Lustig ist auch, wie viel in den ersten zwei Dritteln gegeneinander geht, nur damit mit dem Testament alles umschlägt. Spätestens hier spielen sie dann alle groß auf, weil dieses Heuschlerische und das Entsetzen sowie dann die unausgesprochene Parole, dass sie nun zusammenhalten müssen, einfach herrlich zum Anschauen ist. Eine Gesellschaftssatire, wie man sie gerne sieht, auch wenn es der Realität eigentlich zu nah ist.

Bei Craig als Blanc bin ich ganz froh, dass Netflix gleich zwei weitere Produktionen schon per Vertrag besiegelt hat, denn so recht kann ich noch nicht packen, wie ich ihn in der Rolle finde. Er hat im Grunde schon eine sehr passende Ausstrahlung und profitiert eben davon, dass sein Privatdetektiv nicht abgehoben ist, sondern sehr menschlich wirkt und damit eben auch die Zuschauer*innen repräsentiert, weil wir ein anderes Gesamtbild als er haben und dennoch unsere Überlegungen anstellen. Dabei legen wir wie er mal daneben oder bekommen nur einen Teilaspekt zu packen. Dennoch war er als Figur nicht so dominant, wie ich es mir das im Vorfeld vielleicht vorgestellt hätte. Da er nun der einzige sein wird, der in "Glass Onion: A Knives Out Mystery" an Bord sein wird, wird sich hoffentlich dort ein deutlicheres Bild ergeben, wie man Blanc und seinen Darsteller da einordnen kann. Völlig dominiert hat für mich den Film nämlich de Armas, die ich tatsächlich das erste Mal nun auf meinem Bildschirm sehen konnte und ich fand sie wirklich großartig. Ihre Rolle der Marta war das Herz der Geschichte, denn ab dem Zeitpunkt, wo sie die Leiche findet, ist sie für die Zuschauer*innen das emotionale Zentrum, an dem man sich durch das Abenteuer hinweg orientiert. Da war es ein großartiger Bonus, wie vielschichtig sie noch gezeichnet wurde und dass sich um sie herum die größten Mysterien rangeln. Es lohnt sich daher, mit ihr in dieser Geschichte zu sein. Der finale Showdown gehört dann wiederum Chris Evans, dem man deutlich anmerkt, wie sehr er eine solche Rolle zu schätzen weiß. Er ist ohne Frage das schwarze Schaf der Familie, er muss also gar nicht so tun, als hätte er etwas Gutes im Sinn, weswegen die Entwicklungen rund um ihn auch dazu beitragen, dass man ein letztes Mal überrascht wird.

Fazit

"Knives Out" ist ein sehr, sehr clever erzähltes Beispiel für ein von Agatha Christie inspiriertes Kammerspiel mit Mordfall, bei dem man fleißig miträtseln kann. Auch wenn der Cast enorm zum Gelingen des Films beiträgt, so ist es für mich vor allem die Erzählstilistik, für die ich Rian Johnson nur loben kann, denn zum Atemholen kam man so definitiv nicht.

Lena Donth - myFanbase
14.12.2022

Diskussion zu diesem Film