Bewertung
Alejandro González Iñárritu

Babel

Ein Gewehrschuss verändert das Leben vieler Menschen an verschiedenen Orten.

Foto: Copyright: 2007 Universum Film GmbH
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Der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu, der mit "Amores Perros" und "21 Gramm" von sich Reden machte, präsentiert uns mit "Babel" ein neues Meisterwerk, dass seine Trilogie vervollständigt. Schon allein der Titel lässt einiges vermuten, denn dieser spielt sicherlich auf den Turmbau von Babel an, der uns zum einen die Geschichte der Spaltung der Menschheit, aber auch des Menschen an sich, aufzeigt. Der Turmbau zu Babel ist außerdem eine Allegorie für das menschliche Trauma, mit einem anderen Menschen nicht reden zu können, weil dieser eine andere Sprache spricht. Oder einfach eine Geschichte, die uns zeigt, wie uneinig und verschieden die Menschheit doch ist.

So viel, wie in der Geschichte des Turmbaus von Babel steckt, auf die der Film anspricht, so viel steckt auch in dem Film selbst. Wir lernen nicht nur unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Kulturen, Wünschen, Hoffnungen und Ängsten kennen, sondern sehen auch gleichzeitig, wie sie alle miteinander verbunden sind. Wieder einmal zeigt sich, dass die Menschheit, so unterschiedlich sie auch sein mag, so sehr sie auch in ihren verschiedenen Kulturen existiert, irgendwie auch immer miteinander verbunden ist.

Inhalt

Ein Gewehrschuss in Marokko auf einen Touristenbus ändert das Leben vieler Menschen auf drei verschiedenen Kontinenten. Die Amerikanerin Susan bangt um ihr Leben, als sie die tödliche Schusswunde abbekommt und weit und breit kein Arzt ist. Der Schütze selber ahnt nicht wirklich, was er angerichtet hat. Währenddessen fahren Susans Kinder mit ihrem Kindermädchen auf eine mexikanische Hochzeit und lernen eine neue Kultur kennen, wärend in Tokio ein taubstummes Mädchen nach Liebe sucht.

Kritik

"Babel" zeigt uns drei verschiedene Handlungsorte: Marokko, Mexiko und Tokio. An allen drei Orten spielen sich verschiedene Handlungen ab, die jedoch durch einen kleinen Schuss verbunden sind.

In Marokko treffen wir auf zwei kleine Jungen, die ein Gewehr bekommen haben, um ihre Ziegenherde vor Schakelen zu schützen. So weit die beiden Brüder auch von der westlichen Zivilisation entfernt leben, so gleich sind doch ihre Alltagsprobleme: Typische Rivalitäten unter Brüdern.

Diesmal geht es darum, wer der bessere Schütze ist und so suchen sich die beiden verschiedene Ziele, auf die sie schießen wollen. Keiner der beiden hätte vermutet, dass das Gewehr, dass sie bei sich haben, eine solch enorme Schussweite hat, doch bald erkennen sie, was geschehen ist. Sie haben den Touristenbus getroffen und nicht nur den Bus, sondern auch die amerikanische Insassin Susan, die mit ihrem Mann Richard unterwegs war.

Genau an diesem Punkt nimmt das tragische Schicksal seinen Lauf, denn die Geschichten verknüpfen sich. Während die beiden Jungen nach Hause laufen und das Gewehr verstecken, kämpft Richard um das Leben seiner Frau. Sie blutet stark und das nächste Krankenhaus wäre Stunden entfernt. Susan, die voller Vorurteile den Marokkanern gegenüber ist, muss sich nun auf deren Hilfe verlassen, um zu überleben.

Währenddessen löst Richard durch seinen Anruf bei der Botschaft eine neue Hetzjagd der Amerikaner aus, da diese einen Terroranschlag vermuten und somit alle Hebel in Bewegung setzen und wieder eine politische Debatte mit den Regierungen führen.

Dieser erste Schauplatz zählt für mich zu dem zweitdramatischsten des Films. Neben den beiden kleinen Jungen, die durch ihre jugendliche Unbeschwertheit ein absolutes Drama ausgelöst haben und die danach um ihr Leben bangen und rennen müssen, werden wir wieder einmal mit Vorurteilen konfrontiert, die immer noch in so vielen stecken und von denen man wohl nie wirklich wegkommen wird. Doch der Schauplatz gibt auch Hoffnung, denn durch die Tragödie, die Richard und Susan durchleben, kommen sie sich endlich wieder näher und sprechen sich aus.

Was mir zusätzlich an diesem Schauplatz gefallen hat, war die Tatsache, dass die Aushandlung mit der Regierung und die Debatte, die dahinter steht, nicht plakativ dargestellt wurde, sondern nur angestriffen wurde. Somit wurde mehr Wert auf die Handlung um die Charaktere gelegt und man musste sich nicht minutenlang Kritiken über die amerikanische Regierung ansehen, was für mich teilweise genauso nervend gewesen wäre, wie patriotisches Propagandamaterial. Natürlich wurde nicht gänzlich auf die Kritik verzichtet (was mich auch enttäuscht hätte), aber es wurde eben andeutungsweise Kritik geübt, was vollkommen ausreicht und den Film eben genau deswegen in meinen Augen auch noch besser macht.

Die Geschichte um Susan und Richard führt uns auch direkt zum zweiten Schauplatz des Films: Mexiko. Hier sehen wir, wie das Kindermädchen mit den beiden Kindern von Susan und Richard nach Mexiko fährt, da ihr Sohn heiratet.

Mit dieser Episode im Film wird vor allem noch mal das vorherrschende Vorurteil der Amerikaner den Mexikanern gegenüber angesprochen und gezeigt, dass entgegen den vielen Annahmen die Mexikaner nicht alle nur Gangster und Drogenhändler sind, sondern Menschen, wie alle anderen auch.

Als zweiter Punkt wurde vor allem noch einmal die Thematik der Einwanderungspolitik in den Staaten angerissen und natürlich in einem wirklich sehr dramatischen Handlungsstrang auch kritisiert. Dadurch, dass der Regisseur Mexikaner ist, kam der Geschichte natürlich sehr viel Gewicht zu. Dieser Punkt ist natürlich verständlich, allerdings hätte mir hier ein wenig mehr Handlungsstrang auch gefallen. Allerdings gingen die gesamten 144 Filmminuten wie im Flug um, und so kam es einem auf keinen Fall so vor, als würde diese Geschichte in die Länge gezogen.

Den Höhepunkt des Films machte für mich definitv der dritte Schauplatz aus, der nicht nur durch die schauspielerische Leistung von Rinko Kikuchi unvergesslich bleiben wird, sondern auch wegen des völlig gegensätzlichen Handlungsstrangs, der am Ende so viel Hoffnung birgt.

In Tokio sehen wir die taubstumme Chieko, die geliebt werden will, wie jedes andere Mädchen auch. Sie hat sich mit ihrem mehr oder weniger eingeschränkten Leben gut arrangiert und oberflächlich scheint sie auch den Tod ihrer Mutter gut verarbeitet zu haben, doch innerlich ist sie ein Wrack.

Sie sehnt sich so sehr nach Liebe, dass es scheint, als hätte sie es verlernt, sich selbst zu lieben. Sie sucht verzweifelt an allen Orten und in allen Personen ein Gegenstück, dass ihr zeigt und sagt, dass sie eine liebenswerte Person ist. Ihr Vater scheint ihr dabei keine Hilfe zu sein, doch er bemüht sich, so gut es geht.

Mit diesem Handlungsstrang werden wir immer wieder aus den tragischen Momenten in Marokko und Mexiko rausgerissen und zu Beginn scheint es sehr unklar zu sein, wie diese Geschichte mit dem Schuss zusammen hängt. Auch als rauskommt, welche Verbindung es gibt, ist noch nicht alles deutlich und wir bekommen erst ganz zum Schluss die Auflösung, die in einem dramatischen, aber auch sehr hoffnungsvollen Moment endet.

Fazit

"Babel" ist ein hervorragender Film, den sich jeder ansehen sollte. Er zeigt die Stärken und Schwächen der Menschheit auf und setzt ein Zeichen, dass alle Menschen miteinander verbunden sind. Niemand lebt einzig für sich allein, sondern jede Handlung hat ihre Konsequenzen.

Annika Leichner - myFanbase
23.12.2006

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