Berlinale 2013: Tag 3
Nach viel zu wenig Schlaf schleppte ich mich früh am Morgen gleich in die erste Filmvorstellung, die im Haus der Berliner Festspiele stattfand, ein recht schöner Spielort, der erst im letzten Jahr erstmals als Veranstaltungsort für die Berlinale auserwählt wurde. Dort wurde der polnische Wettbewerbsbeitrag "In the Name of" gezeigt, ein Film von dessen Inhalt und genauer Thematik mir vorher wenig bekannt war und den ich deshalb auch ganz unvoreingenommen genießen konnte.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten mich in diesem filmischen Kosmos zurechtzufinden, entwickelte sich dieses intensive Drama über einen katholischen Priester, der mit seiner Homosexualität kämpft, zu einem ungeheuer kraftvollen, subtil erzählten Film um den Kampf um Selbsterfüllung in einem stark reglementierten Umfeld, in dem außer der Liebe zu Gott und Jesus nichts anderes Platz haben darf. Ganz stark gespielt vom polnischen Schauspieler Andrzej Chyra umschifft der Film mit seinem fast poetischen Tonfall elegant alle möglichen Klischees und Vereinfachungen dieser komplexen und nicht ganz leicht zu fassenden Thematik. Ein Film, von dem ich nicht viel erwartet habe und der mich dann umso emotionaler getroffen hat und die Szenen, die musikalisch untermalt sind von dem fantastisch-mitreißenden Song "The Funeral" der Musikformation Band of Horses, gehören dann auch zu den besten, die ich seit langer Zeit im Kino gesehen habe. Mein persönliches Berlinale-Highlight und ein ganzes heißer Anwärter auf den Gewinn des goldenen Bären.
Als nächstes stand dann der deutsche Film "Freier Fall" auf meiner Liste, der sich eher zufällig auch des Themas Homosexualität annahm, aber in einem ganz anderen gesellschaftlichen Kontext und zwar der Polizei. Hier können manche Klischees zwar nicht ganz umschifft werden, trotzdem ist der mit Hanno Koffler und Max Riemelt prächtig besetzte Film ein wichtiges Werk, das demonstriert, dass wir doch nicht in so einer aufgeklärten und offen Welt leben und das Homophobie in vielen gesellschaftlichen Teilbereichen weiterhin ein alltäglicher Bestandteil ist. Eine sehenswerte deutsche Produktion und eine würdige Eröffnung der Sektion Perspektive Deutsches Kino.
Am Nachmittag weilte ich dann auf zwei Pressekonferenzen, die allesamt auch hochkarätig besetzt waren. Zunächst stellten "Harry Potter"-Star Rupert Grint und Deutschlands vielleicht bekanntester Filmstar Til Schweiger ihre gemeinsame Produktion "The Necessary Death of Charlie Countryman" vor. Rupert Grint, der selbstverständlich auf seine ihn wohl für immer verfolgen werdende Ron-Weasley-Rolle angesprochen wurde, wirkte dabei etwas abwesend und müde, vielleicht war er aber auch mit dem großen Berlinale-Trubel einfach nur überfordert. Til Schweiger hingegen freute sich, endlich mal mit einem Film auf der Berlinale dabei zu sein und plauderte munter über seinen ungeheuren Spaß beim Dreh des Filmes. Wirklich ergiebig war diese Pressekonferenz schlussendlich aber nicht. Wesentlich spektakulärer war dann doch die Pressekonferenz zum Oscar-Anwärter "Les Misérables", auf der viel Hollywoodglamour versprüht wurde, waren doch die Stars des Films Anne Hathaway, Hugh Jackman und Eddie Redmayne und Regisseur und Oscargewinner Tom Hooper allesamt anwesend. Besonders Anne Hathaway machte einen ungemein sympathischen und lockeren Eindruck und gab sich sehr viel Mühe bei der Beantwortung der Fragen und antwortete dementsprechend auch sehr ausführlich und ausschweifend. Eine ganz bemerkenswerte Schauspielerin, von der sicherlich in der Zukunft noch viel zu erwarten ist.
Am Abend ging es dann zur Deutschlandpremiere von "Les Misérables", auf der neben den erwähnten Stars zusätzlich auch noch Sonnenschein Amanda Seyfried anwesend war. Es ist schon ein komisches Gefühl mit den Stars zusammen Kino zu sitzen und diese so hautnah zu erleben. Neben diesem ganzen Star-Trubel geriet der Film fast in Vergessenheit, was aber auch nicht wirklich schade ist, hat diese erneute Verfilmung des legendären Bühnenmusicals "Les Misérables" doch über die ganze Laufzeit eher enttäuscht. Dieser Film wirkt erzählerisch einfach zu holprig, sprunghaft und unkonzentriert erzählt und wichtige Charakterentwicklungen werden teils viel zu schwach herausgearbeitet. Regisseur Hooper verliert sich zu häufig in seinen überlangen Gesangssequenzen, die er recht uninspiriert aneinander reiht. Trotzdem hat der Film sicherlich seine starken Momente, die aber fast alle auf das Konto von Anne Hathaway gehen, die völlig zu Recht mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde. Trotzdem natürlich ein schöner Abend, bei dem man Hollywood mal hautnah erleben konnte. So fing der dritte Tag mit einem äußerst überzeugenden und einem durchaus guten Film an und endete mit einer kleinen Enttäuschung. Die nächsten Tage können aber trotzdem gerne kommen.
Moritz Stock - myFanbase
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