Berlinale 2013: Tag 4
Der vierte Berlinale-Tag spielte sich komplett in der mit 1895 Sitzplätzen größten Berlinale-Spielstätte ab. Das war auch deshalb eine Herausforderung, weil in diesem zwar prächtig aussehenden, aber mit ungemein unbequemen Sitzgelegenheiten ausgestatteten Theaterpalast der Kinobesuch körperlich schon recht anstrengend werden kann. Deshalb habe ich mich auch heute wieder "nur" für drei Filme entschieden, die für einen abwechslungsreichen Berlinale-Tag sorgten, sich qualitativ auch immer weiter steigerten und mit "Maladies" in dem bisherigen Highlight des Festivals mündeten. Doch begonnen hat der Tag mit einer kleinen Enttäuschung.
Ein Western aus Deutschland ist wahrlich eine außergewöhnliche Erscheinung und deshalb schon eine interessante Angelegenheit. Regisseur und Drehbuchautor Thomas Arslan hat sich dieser sicher nicht ganz einfachen Aufgabe angenommen und schließlich einen Film geschaffen. der vor allem eines ist: langwierig. Arslan zählt zu den Filmemachern der Berliner Schule, dessen Markenzeichen eine gemächliche und aufs nötigste reduzierte Erzählweise ist. Diese vor sich hinschleppende filmische Narration führt in "Gold" schließlich aber zu wenig. Die Charaktere bleiben größtenteils austauchbar, die Story ohne große Höhepunkte und der Liebesgeschichte fehlt es an jeglicher Form von Emotionalität. Einzig die schön fotografierten Landschaftsaufnahmen der kanadischen Prärie und die talentierten Darsteller retten den Film noch gerade ins Mittelmaß. Die Geschichte um eine Gruppe von deutschen Goldgräbern, die in Kanada Glück und Reichtum hinterherlaufen bleibt aber schlussendlich doch nur eine leere Hülle.
Weiter ging es mit der spaßig-romantisch-verspielten Action-Thriller-Komödie-Romanze "The Necessary Death of Charlie Countryman", in dem Shia LaBeouf einen Neuanfang wagt und eine irrsinnig-witzige Mütze für viel Ärger sorgt. Warum Mads Mikkelsen ein besserer Bösewicht, als Til Schweiger ist und was Ron Weasley so nach seiner "Harry Potter"-Zeit treibt könnt ihr in meiner ausführlichen Kritik zum Film nachlesen.
Der dritte Film des Tages war dann das bereits erwähnte Drama "Maladies", welches mich schließlich ganz und gar sprachlos zurückließ. Am Anfang war zunächst Verwirrung, dann leise Begeisterung, die sich schließlich in pure Faszination und Glückseligkeit über einen Film wandelte, der vor kreativem Übermut nur so überschäumt und eine Filmerfahrung bietet, die nachwirkt und die in Zeiten von so viel seelenloser Blockbuster-Ware überdeutlich aufzeigt, dass das Medium Film noch lange nicht tot ist. Einer Handlung im eigentlichen Sinne verwehrt sich dieser Film genauso wie einer homogenen erzählerischen Struktur. Die Geschichte von vier unangepassten, psychisch angeknacksten Außenseitern, die in einer Art künstlerischer Parallelwelt leben, hat eine so intensive Energie und eine solch poetische Bildsprache, die mitten ins Herz trifft. Selten wurde im Kino so leidenschaftlich über die Vorteile von Bleistiften philosophiert oder so intensiv über die Größe von Gläsern nachgedacht. Ein symbolisch aufgeladener Film über innige Freundschaft, das Unangepasstsein, den Tod, die menschliche Identität und natürlich die Macht der Fantasie und die Wichtigkeit künstlerischen Ausdrucks. James Franco ist ganz wunderbar. David Straithairn sowieso. Catherine Keener spielt jede Nuance ihrer ambivalenten Figur auf den Punkt und aus Fallon Goodson könnte noch ein ganz großer Star werden. Letztere hat dann schließlich auch für den herzlichsten Moment der bisherigen Berlinale gesorgt, als sie nach der Vorstellung auf der Bühne die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und schier überwältigt war von den Reaktionen des Berlinale-Publikums. Tränenüberströmt teilte sie dem gerührten Publikum mit, dass der Film für sie eine ganz persönliche Bedeutung und Wichtigkeit hat. Als Zuschauer kann man dies nach diesem außergewöhnlichen Filmerlebnis gut nachvollziehen. Morgen komme ich dann endlich in den Genuss von "Before Midnight". Die Erwartungen könnten nicht höher sein.
Moritz Stock - myFanbase
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