Berlinale 2013: Tag 6

Foto:

Früh am Morgen ging es mit dem französischem Drama "Mes séances de lutte" los und noch nicht wirklich wach wurde ich sogleich mit einem Film konfrontiert, in dem sich ein Mann und eine Frau wüste Wortgefechte liefern. Hört sich wie ein weiterer Teil der "Before"-Reihe an? Theoretisch ja. Praktisch nein. Ist dieser Film doch nicht annährend so charmant, herzlich und berührend, wie der gestrige Ausnahmefilm mit Julie Delpy und Ethan Hawke.

Hier geht es zwar auch irgendwie um Liebe, aber gleichzeitig auch um Schmerz, der schließlich wieder zur Liebe führt. Hier bekriegen sich eine nach ihrem Tod ihres Vaters labile Frau und ein mit psychologischen Theorien um sich schmeißender Mann mit Worten und Schlägen. Liebe wird zum Schlachtfeld, das Ansehen des Films zu Schwerstarbeit. Da wirft der Mann die Frau durch die Wohnung und die Frau tritt den Mann leidenschaftlich in die Geschlechtsteile. Daraus entwickelt sich dann irgendwann Liebe. Gipfeln tut dieser bedeutungsvoll aufgeladene Film in einer wilden Schlamm-Sexszene, in der die Beiden leidenschaftlich und wild ihre animalischen Triebe auf dem schlammigen Waldboden abreagieren. Das ist so merkwürdig-verstörend und kaputt, dass es fast schon wieder interessant ist. Schauspielerisch auch sehr bemerkenswert, größtenteils dann aber doch zu prätentiös, abgehoben und langatmig. Ein schwieriger Film, bei dem es schließlich Applaus und Buh-Rufe zugleich gab.

Foto: Copyright: Senator Film
© Senator Film

Weiter ging es mit einem von mir persönlich sehr sehnsüchtig erwarteten Film und zwar dem Psychothriller "Side Effects", mit dem Regisseur Steven Soderbergh sich von der Filmlandschaft zunächst verabschieden will. Die Abschiedsvorstellung des legendären "Ocean's Eleven"-Regisseur, der ständig die Genres wechselt und zuletzt mit dem Stripper-Drama "Magic Mike" einen riesigen Erfolg landete, wurde von der amerikanischen Presse bereits hochgelobt, ganz verstehen kann ich das persönlich aber nicht. Der mit "Verblendung"-Star Rooney Mara, Jude Law, Catherine Zeta-Jones und Channing Tatum hochkarätig besetzte Psychothriller ist eine konfus erzählte Story um den Missbrauch von verschreibungspflichtigen Psychopharmaka, Börsenspekulationen und psychotischen Charakterdramen.

Foto: Copyright: Senator Film
© Senator Film

Dabei verliert sich Soderbergh in seinen verschiedenen erzählerischen Ebenen und schafft es nicht, seinen handelnden Figuren irgendeine Art von Profil zu verleihen. Ist der Film zunächst von der Rahmenhandlung zumindest noch recht interessant gestaltet, verheddert sich Soderbegh zum Ende hin zunehmend in wüten Wendungen, die allesamt nicht wirklich clever konstruiert und durchdacht wirken. Ein insgesamt nicht wirklich spannender, viele relevante Dinge nur marginal streifender Film ohne wirklichen Tiefgang oder groß erinnerungswürdige Momente. Einzig Rooney Maras wandlungsreiche und intensive Performance bietet wirklich Freude. Der Rest ist ein Thriller, der komplett an mir vorbeigegangen ist. Eine schwache Abschiedsvorstellung eines wichtigen Regisseurs. Die Pressekonferenz war dann zusätzlich auch noch so überfüllt, dass ich nach einem kurzen Blick auf Jude Law, Steven Soderbergh und Rooney Mara schnell die Flucht ergriff.

Der dritte und auch schon letzte Film des Tages war das apokalyptische Drama "Endzeit" des Langfilmdebütanten Sebastian Fritzsch. Ein extrem ruhig erzählter, mit wenigen Dialogpassagen auskommender und eine sehr beunruhigende Stimmung erzeugender Film mit einigen starken Momenten. Der Film spielt nach der fast völligen Auslöschung der Menschheit durch einen Meteoritenhagel, den nur vereinzelte Menschen überlebt haben. Eine Frau kämpft sich durch die düsteren Wälder und trifft auf einen Mann, mit dem sie sich schließlich zusammen tut, um den Kampf ums Überleben anzutreten. Der Film entfaltet eine sehr starke klaustrophobische Stimmung und konzentriert sich fast völlig auf das Seelenleben der einzelnen Charaktere. Fritzsch streift große Themen, wie den Kampf gegen die Einsamkeit, die Sehnsucht nach Liebe und die Bedeutung von persönlichen Erinnerungen. Auch geht es um die Aufrechterhaltung von Hoffnung in einer immer hoffnungsloser scheinenden Welt und die Bedeutung von Sozialität und Gemeinschaftssinn. Hier trifft die destruktive Stimmung einer untergehenden Welt auf den kämpfenden Menschen, der entweder verzweifelt aufgibt oder um das noch vom Leben übrig bleibende kämpft. Fritzsch macht es dem Zuschauer mit seinem langsamen Erzähltempo und der aufs wesentliche konzentrierten Inszenierung sicherlich nicht leicht, lässt man sich auf dieses existenzielle und ungemein stimmungsvolle Drama aber erst mal ein, bekommt man ein interessantes Stück deutsches Kino, welches nachdenklich stimmt und im Nachhinein noch an Kraft und Bedeutung beginnt. Nach der Premierenvorstellung kam dann sogar fast das gesamte Team inklusive Caterer auf die Bühne. In einem Film, in dem es auch zentral um die Bedeutung von Gemeinschaft geht, war es sehr schön, eine gemeinschaftliche Truppe zu sehen, die voll hinter diesem Projekt steht. Dem Regisseur Sebastian Fritzsch entfielen dann vor Aufregung auch gleich die Worte. Sehr sympathisch. Morgen treffe ich den Regisseur und den Drehbuchautor zusätzlich noch zum Interview. Ich bin schon sehr gespannt auf dieses hoffentlich sehr interessante Gespräch.

Moritz Stock - myFanbase

Zurück zur "Berlinale 2013"-Übersicht

Kommentare