Berlinale 2013: Tag 10

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Der letzte Tag der Berlinale ist nun erreicht und zum Abschluss standen noch drei Filme auf meiner Liste. Zunächst wollte ich mir noch einen Einblick in die Festivalsektion "Generation" verschaffen, in der Kinder- und Jugendfilme gezeigt werden, die größtenteils aber nicht nur diese Zielgruppe bedienen. Oftmals verstecken sich aber gerade in dieser unscheinbar wirkenden Sektion echte Filmperlen. So war es dann auch mit dem Coming of Age-Drama "Hide Your Smiling Faces" von Regiedebütant Daniel Patrick Carbone, in dem auf visuell beeindruckende und sehr melancholische Art und Weise das Leben zweier Brüder in den Wäldern New Jerseys gezeigt wird.

Es geht um die wilde Zeit des Heranwachsens in einer fast menschenleeren und von Natur dominierten Umgebung. Sehr eindringlich wird hier nicht nur die Geschichte von Geschwisterliebe, sondern auch von ersten Erfahrungen mit dem Tod, der Enge des provinziellen Lebens und Freundschaft erzählt. Der Film basiert lose auf den eigenen Kindheitserfahrungen des Regisseurs und wurde auch an Originalschauplätzen seiner eigenen Kindheitserfahrungen gedreht. Diese Authentizität und Wahrhaftigkeit spürt man in jeder der perfekt durchkomponierten Szenen, in denen oft wichtiger ist, was nicht gesagt wurde. Die Ungestümheit, Wildheit und auch der Schmerz im Prozess des Erwachsenwerdens verwandelt Carbone in eine sehr dichte Bildsprache und schafft damit ein insgesamt beachtliches Regiedebüt.

Weiter ging es mit einem weiteren Film der "Generations"-Sektion und zwar dem costaricanischen Drama "Red Princesses", welche die Geschichte zweier Schwestern in den 80er Jahren erzählt, dessen Eltern sandinistische Aktivisten sind und von ihrer Heimat Nicaragua ins Nachbarland Costa Rica flüchten. Die Eltern kämpfen auch in Costa Rica weiter für ihre politischen Ideale und vergessen dabei das Aufziehen ihrer Kinder. Das aus der Perspektive der beiden Schwestern Antonia und Claudia erzählte Drama behandelt ein komplexes und schwieriges Thema auf eine nie wirklich spannende oder gar interessante Art und Weise. Größtenteils schleppt sich der Film von einer Szene zur nächsten, ohne dem brisanten politischen Thema damit wirklich gerecht zu werden. Einzig die brutale und aufwühlende Schlussszene vermag einen dann doch noch ein wenig aufzurütteln. Insgesamt aber eher enttäuschend.

Der letzte Film der diesjährigen Berlinale war dann ein echter Hammer und ein Schlag in die Magengrube, der erst mal verarbeitet werden muss. Die Rede ist von der verstörenden Dokumentation "The Act of Killing" von Regisseur Joshua Oppenheimer. Im Jahr 1965 wurden in Indonesien nach dem Militärputsch innerhalb eines Jahres über eine Million angebliche Kommunisten gebracht. Dafür verantwortlich zeigten sich einerseits paramilitäre Organisationen und andererseits einfache Kriminelle, die im heutigen Indonesien angesehene Mitglieder der Gesellschaft sind. Oppenheimer wählt in seiner Dokumentation eine mutige Herangehensweise: Er erzählt seinen Film nicht aus der Sicht der Opfer, sondern aus der der Täter, die sich selbst weiterhin als große Helden und Stars sehen. Diese gewagte Perspektivenverschiebung führt einem auf brutale, ungefilterte Art und Weise die Alltäglichkeit des Bösen vor. Die Täter, die oft mehrere hundert Menschen getötet haben, sind äußerlich keine brutalen Monster, sondern eher leicht lächerlich wirkende, größenwahnsinnige Durchschnittsmenschen, die in Talkshows des Landes laut bejubelt werden.

Oppenheimer geht schließlich noch einen Schritt weiter und lässt die Täter ihre Taten im Rahmen eines Filmdrehs nachspielen. Munter werden dort die Foltermethoden und verschiedenen Tötungsarten stolz präsentiert. Doch je weiter die Dreharbeiten voranschreiten und je intensiver sich die Täter mit ihren eigenen grauenhaften Taten auseinandersetzen, desto mehr realisieren sie ihre eigene Schuld. Ein ungemein wichtiges und aufrüttelndes filmisches Dokument über gesamtgesellschaftliches Versagen, menschliche Grausamkeit und die Mechanismen des Bösen. Einen wichtigeren Dokumentarfilm hat es lange nicht mehr gegeben.

Am Abend wurden dann in einer feierlichen Preisverleihung noch die Gewinner des Wettbewerbs ausgezeichnet. Hier die Gewinner:

Goldener Bär für den Besten Film:
"Child's Pose"

Silberner Bär - Großer Preis der Jury:
"An Episode in the Life of an Iron Picker"

Silberner Bär – Beste Regie:
David Gordon Green für "Prince Avalanche"

Silberner Bär – Beste Darstellerin:
Paulina García für "Gloria"

Silberner Bär – Bester Darsteller:
Nazif Mujic für "An Episode in the Life of an Iron Picker"

Silberner Bär – Herausragende Künstlerische Leistung:
Aziz Zhambakiyev (Kamera) für "Harmony Lessons"

Silberner Bär – Bestes Drehbuch:
Jafar Panahi und Kambozia Partovi für "Pardé"

Silberner Bär – Alfred Bauer Preis:
Denis Côté für "Vic und Flo haben einen Bären gesehen"

Die Preisverleihung kam insgesamt ohne große Überraschungen aus. Mich persönlich hat die Auszeichnung für David Gordon Greens großartige Tragikomödie "Prince Avalanche" sehr gefreut, da es sich dabei eher weniger um ein politisch aufgeladenes, schweres Drama handelt, sondern um einen trotz ernster Themen leichtfüßig erzählten Film handelt, welcher auf einem Festival wie der Berlinale eher selten ausgezeichnet wird. Schön, dass hier mal eine Ausnahme gemacht wurde.

In den nächsten Tagen folgt dann noch ein Abschlussbericht, in dem ich auf die persönlichen Highlights und Enttäuschungen der 63. Berlinale eingehe.

Moritz Stock - myFanbase

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