Berlinale 2013: Fazit
Die 63. Auflage der Berliner Filmfestspiele sind am Sonntag, den 17. Februar, zu Ende gegangen und in zehn Tagen kam ich in dem Genuss von 36 verschiedenen filmischen Werken aus der ganzen Welt, die ganz unterschiedlicher Qualität waren, aber allesamt zeigten, dass das Kino noch lange nicht tot ist und besonders abseits des Mainstreams immer noch genug großartige Filmemacher mit außergewöhnlichen Visionen vorhanden sind. Besonders durch die Nähe zu den Filmschaffenden selbst, die dem Publikum beim Großteil der Vorführungen Rede und Antwort standen, gewinnt ein solches Filmfestival besonders an Reiz.
Zum Schluss meiner Berlinale-Berichterstattung will ich hier noch kurz auf die sieben bemerkenswertesten Filme eingehen, die mich auf ihre ganz eigene Art am meisten beeindruckt haben und für die ich hoffe, dass sie später auch in den deutschen Kinosälen ein größeres Publikum erreichen werden.
"Prince Avalanche" von David Gordon Green
Die größte Überraschung der diesjährigen Berlinale-Preisverleihung war wohl der Awardgewinn von David Gordon Green für die beste Regie. Der wohl heiterste, aber trotzdem existenzialistische Themen anschneidende kleine Independent-Film vom zuletzt nur mit groben Komödien aufgefallenen Regisseur war ein perfektes Beispiel von der Verbindung von Humor und Ernsthaftigkeit, mit einem Paul Rudd in der Hauptrolle, der endlich mal deutlich zeigt, was für ein großartiger Schauspieler in ihm steckt. Ehrlich, spaßig und nachdenklich stimmend. Ein Film, der auch abseits der Berlinale Erfolg haben könnte und sollte.
"Before Midnight" von Richard Linklater
Für mich war die Vorstellung von "Before Midnight" die emotional aufwühlendste der ganzen Berlinale. Der Moment, als Jesse und Celine sich auf der Leinwand erstmals wieder begegnen und klar wird, dass die beiden verheiratet und Eltern von Zwillingen sind, hat mich außerordentlich stark gerührt und realisieren lassen, wie sehr mir dieses Paar ans Herz gewachsen ist. Diesen so lang erwarteten Film auf der riesigen Leinwand zusammen mit fast 2000 Zuschauern im Berlinale-Palast zu bewundern, war definitiv einer der erinnerungswürdigsten Momente der Berlinale.
"In the Name of" von Małgośka Szumowska
Der für mich überzeugendste Darsteller der diesjährigen Berlinale war sicher der Pole Andrzej Chyra, der in der Rolle eines mit seiner Homosexualität kämpfenden katholischen Priesters eine Wahnsinnsperformance ablieferte, die den Schmerz und die ambivalente Gefühlslage dieses innerlich völlig zerrissenen Menschen wunderbar porträtierte und so diesen Film zu einem berührenden, lange nachhallenden filmischen Erlebnis werden ließ. Ein großartiger Schauspieler in einem faszinierenden, ganz wunderbar inszenierten und erzählten Film, der bei der Preisverleihung leider völlig leer ausging.
"The Act of Killing" von Joshua Oppenheimer
Der beste Dokumentarfilm und einer der besten Filme des ganzen Festivals war Joshua Oppenheimers "The Act of Killing", in dem er Bezug nimmt auf den Massenmord an angeblichen Kommunisten in Indonesien im Jahre 1965. Er stellt die Täter in den Mittelpunkt seiner ganz nüchtern und ohne Wertung auskommenden Dokumentation und lässt diese ihre Taten selbst nochmal vor der Kamera darstellen, und zeigt so gnadenlos die Mechanismen des Bösen auf, hält einem ganzen Land den Spiegel vor und verändert schlussendlich sogar noch das Denken der Täter. Ein ungemein wichtiges filmisches Dokument, welches verstört und sprachlos macht.
"Maladies" von Carter
Einer der schrägsten, aber gleichzeitig auch schönsten Filme der Berlinale war das assoziative Drama "Maladies", welches aufgrund seiner verschwurbelten Erzählweise und zahlreicher Absurditäten ein nicht ganz leichter, sich aber langsam ganz toll entfaltender Film mit vielen außergewöhnlichen Ideen ist. Getragen von einem James Franco in der Rolle eines schrägen ehemaligen Soap-Opera-Stars ist dies ein Film, der eher langsam zu einem durchdringt, dann aber umso mehr berührt und einen nach dem Abspann noch lange begleiten wird. Abseitig und wunderschön zugleich. Eine kleine Filmperle, die es beim breiten Publikum aber sehr schwer haben wird.
"Frances Ha" von Noah Baumbach
Die beste Darstellerin der Berlinale war für mich zweifellos die bezaubernde Greta Gerwig, die in dem feinen, in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern gehaltenen kleinen Indie-Film "Frances Ha" eine außergewöhnlich authentische und mitreißende Performance ablieferte, die direkt ins Herz zielt. So viel Leichtigkeit und Charme versprühte eine einzelne Darstellerin schon lange nicht mehr auf der Leinwand. Mit diesem Film wird Greta Gerwig der nächste große Schritt in ihrer Karriere gelingen. Ein magischer Film, mit einer ganz zauberhaften Hauptdarstellerin.
"Upstream Color" von Shane Carruth
Der mutigste Film der Berlinale war schließlich Shana Carruths auf alle erzählerischen Konventionen pfeifender, irrer Bilderrausch "Upstream Color", dessen ganze Kraft sich durch die tollen Bild- und Tonmontagen entfaltet und der berührt, obwohl man nach der ersten Sichtung nicht genau weiß, worum es in diesem Film eigentlich gehen sollte. Hier zeigt ein junger Regisseur den Mut, seine ganz eigene Vision vom filmischen Erzählen umzusetzen und erschafft damit etwas noch nie Gesehenes. Spannend, interessant und wahnwitzig.
Moritz Stock - myFanbase
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