Berlinale 2014: Tag 1 und 2

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Langsam beginnt die 64. Berlinale an Fahrt aufzunehmen. Nach der großen Eröffnungsgala am Donnerstagabend, in der sich nationale und internationale Stars nur so die Klinge in die Hand drückten, ist das Festival nun im vollen Gange. Dabei standen für Vertreter der Presse bereits den ganzen Donnerstag Filme aus unterschiedlichen Sektionen auf dem Programm.

Foto: Willem Dafoe, Adrien Brody, Ralph Fiennes, The Grand Budapest Hotel - Copyright: 2013 Twentieth Century Fox
Willem Dafoe, Adrien Brody, Ralph Fiennes, The Grand Budapest Hotel
© 2013 Twentieth Century Fox

Der Startschuss für das Festival begann mit dem Eröffnungsfilm "The Grand Budapest Hotel" von Regie-Fantast Wes Anderson, der einen vor kleinen kreativen Einfällen nur so überbordenden Film ablieferte, wie ihn wohl nur ein Wes Anderson kreieren kann. Jede Einstellung, jede Szene ist voll mit liebevollen Details und filmischen Spielereien. Die Geschichte, die sich im Kern um den Concierge Monsieur Gustave, ein altehrwürdiges Hotel und ein wertvolles Erbe dreht, ist dabei zusätzlich noch überaus rasant und witzig erzählt und birgt eine große Anzahl von Stars in großer Spiellaune. Da ist selbst noch die kleinste Nebenrolle mit Schauspielkalibern wie Bill Murray und Harvey Keitel besetzt. Dominiert wird der Film aber von einem groß aufspielenden Ralph Fiennes, den man lange nicht mehr in einer so schönen und sympathischen Rolle gesehen hat. Ein würdiger Eröffnungsfilm also, der allen zu empfehlen ist, die was mit dem doch recht eigenwilligen Stil des Wes Anderson anzufangen wissen. Die Klasse des vielleicht besten Anderson-Films "Moonrise Kingdom" erreicht dieser dann zwar nicht, fehlt hier doch bei all dem Spektakel ein wenig die emotionale und anrührende Sprengkraft, die seinen letzten Film zu einem der schönsten der letzten Jahre werden ließ. Trotzdem ist "Moonrise Kingdom" natürlich eine klare Empfehlung. Einen beschwingteren Einstieg in ein Festival kann man sich kaum vorstellen.

Foto: Amy Adams, Bradley Cooper, Jeremy Renner, Christian Bale, Jennifer Lawrence, American Hustle - Copyright: Francois Duhamel / Tobis Film
Amy Adams, Bradley Cooper, Jeremy Renner, Christian Bale, Jennifer Lawrence, American Hustle
© Francois Duhamel / Tobis Film

Am Donnerstag stand dann noch einer der großen Oscarfavoriten auf dem Programm und zwar "American Hustle", welcher in erster Linie ein schöner und spektakulär inszenierter Unterhaltungsfilm ist, der vor allem aufgrund seiner wunderbaren Hauptdarsteller zu gefallen weiß. Dabei weiß man gar nicht, wen man mehr loben soll: Amy Adams, die zur Abwechslung mal herrlich verrucht auftritt, Christian Bale, der mal wieder Mut zur Hässlichkeit beweist, Bradley Cooper, der das ein oder andere Mal auf eine wunderbar unterhaltsame Weise die Kontrolle verliert, oder den Star der Stunde, Jennifer Lawrence, die nach "Silver Linings" erneut in Zusammenarbeit mit Regisseur David O. Russell eine wahnwitzig gute Performance abliefert, für die sie eigentlich den zweiten Oscar in Folge gewinnen müsste. Abseits der vollständig überzeugenden darstellerischen Leistungen ist der Film auch sehr sehenswert und vor allem ungemein unterhaltsam. Großes Star-Kino, dem zwar ein wenig die Substanz fehlt, aber abgesehen davon sehr gute pompöse Hollywood-Unterhaltung bietet.

Foto: Jack - Copyright: Jens Harant
Jack
© Jens Harant

Abseits der Filme ist die Berlinale auch ein Ort, wo man nicht selten allerhand bekannten Gesichtern über den Weg läuft. So kamen mir gleich am ersten Tag Elyas M'Barek und seine Schauspielkollegin Karoline Herfurth diskutierend entgegen. Auch dafür ist die Berlinale gut geeignet: Menschen, die man sonst nur aus dem Fernsehen und dem Kino kennt, mal hautnah zu erleben. Der zweite Tag begann dann in den frühen Morgenstunden mit dem ersten offiziellen Wettbewerbsfilm, der auch gleich aus Deutschland kam. Das Drama "Jack" war dabei auch gleich die erste große Überraschung. Der Film, der sich um einen kleinen Jungen dreht, der in Berlin nach seiner Mutter sucht, ist ein ruhiger, behutsamer, klischeebefreiter Film über Vernachlässigung, Überforderung, große Enttäuschungen und die Fähigkeit, immer wieder aufzustehen. Beeindruckend ist dabei die ausdrucksstarke Performance des jungen Ivo Pietzcker, welcher den zehnjährigen Jack mit einer durchdringenden Kraft und Stärke spielt, die einen schon in den frühen Morgenstunden zutiefst berührt. Ein wunderbarer erster Wettbewerbsfilm, der zeigt, dass besonders im Dramabereich das deutsche Kino doch einiges zu bieten hat. Als kleine Randnotiz kann hier noch erwähnt werden, dass die diesjährige Berlinale-Jury nur zwei Reihen unter mir saß und das Filmerlebnis dadurch nur noch gesteigert wurde, dass man dieses mit Schauspielgrößen wie Christoph Waltz indirekt teilen konnte.

Foto: God Help the Girl - Copyright: FINDLAY PRODUCTIONS LIMITED 2012
God Help the Girl
© FINDLAY PRODUCTIONS LIMITED 2012

Ein weiteres nennenswertes Highlight, mit dem der zweite Berlinale-Tag dann auch beschlossen wurde, ist das Regiedebüt des "Belle and Sebastian"-Sängers Stuart Murdoch mit dem schönen Titel "God Help The Girl". Murdoch ist dabei ein märchenhafter, teils melancholischer, oft sehr heiterer Musikfilm gelungen, der manche Holprigkeit auf der narrativen Seite durch seine traumhaft-schönen Musiksequenzen mehr als wieder wettmacht. Jeder einzelne Song ist ein kleines Highlight für sich und lädt förmlich zum Träumen ein. Das Gelingen dieses Films liegt einerseits an Murdochs Kompositionen und visueller Bildgestaltung, andererseits aber vor allem an den drei Hauptdarstellern, bei denen zum einen Emily Browning in der Rolle der zentralen Hauptfigur Eve eine gesanglich und darstellerisch außergewöhnliche Performance abliefert. Toll ist auch der männliche Hauptdarsteller Olly Alexander, Schauspieler und Mitglied der Band "Years and Years", der besonders mit Browning überzeugend harmoniert. Ganz besonders nachhaltig im Gedächtnis bleibt einem als großem Fan der Serie "Skins" und der Figur der Cassie aber Hannah Murray, deren ganz besonderer Charme auf der großen Leinwand nochmals an Kraft gewinnt. Warum diese Frau mit diesem Talent und dieser Ausstrahlung noch kein gefeierter Megastar ist, verwundert nach diesem Film nur umso mehr. Für Freunde von Musikfilmen im Stile des irischen Oscargewinners "Once" eine absolute Empfehlung. Bei keinem Film auf der diesjährigen Berlinale habe ich mich bisher wohler und geborgener gefühlt, als bei diesem. Wenn man diesen Film schlussendlich mit einem Wort beschreiben müsste, wäre dies wohl zauberhaft.

Moritz Stock - myFanbase

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