Berlinale 2012
Vom 9. bis 19. Februar 2012 öffneten die 62. Internationalen Filmfestspiele in Berlin ihre Pforten. Mit über 400 Filmen, die teilweise an mehreren Terminen und Schauplätzen gezeigt werden, ist die Berlinale das größte Publikumsfestival der Welt. Hier treffen sich Weltstars, Regisseure, Schauspieler, Fachbesucher, Presse und interessierte Kinogänger, um Filme verschiedenster Kategorien wie den Kategorien Wettbewerb, Panorama, Forum, Generation oder Shorts anzusehen. Nicht selten handelt es sich hierbei um Europa- oder gar Weltpremieren. In über 20 Spielstätten organisiert Festivaldirektor Dieter Kosslik dieses internationale Highlight der Filmbranche.
In der diesjährigen Jury reihten sich neben der deutschen Schauspielerin und Sängerin Barbara Sukowa internationale Größen der Film- und Musikbranche wie François Ozon, Anton Corbijn, Asghar Farhadi, Boualem Sansal und Mike Leigh in die Reihe der Jury ein. Außerdem entschieden auch Jake Gyllenhaal ("Donnie Darko", "Brokeback Mountain", "Source Code") sowie Charlotte Gainsbourg ("Antichrist", "Melancholia") darüber, wer einen Bären mit nach Hause nehmen durfte.
Die Filme
Natürlich ist es nicht möglich, alle der über 400 Filme zu sehen, zu beschreiben oder auch nur zu erwähnen. Daher muss in diesem Rahmen eine kleine Auswahl genügen, die aber die Vielfalt der Filme sowohl hinsichtlich der Genres, des Budgets, der Besetzung, der Machart als auch ihrer Botschaften repräsentieren soll. Außerdem soll insbesondere ein Augenmerk auf die Filme gelegt werden, die vermutlich sehr schnell einen Verleih in Deutschland finden werden oder schon gefunden haben.
Haywire (Start: 08.03.2012)
Die Agentin Mallory Kane (Gina Carano) arbeitet in weltweiten Aufträgen für die amerikanische Regierung. Plötzlich wird sie von Männern aus ihren eigenen Reihen verraten, betrogen und fast getötet. Ein spannender Kampf um das Wissen der Täter und das eigene Überleben beginnt. Eine hochkarätige Besetzung (Ewan McGregor, Michael Fassbender, Antonio Banderas, Michael Douglas) überzeugt in Steven Soderberghs modernem Actionkino mit realistischen Kampfchoreografien und coolen Sprüchen. Der Film lief im Wettbewerb, jedoch außer Konkurrenz.
Was bleibt (Home for the Weekend) (Start: unbekannt)
In Hans-Christian Schmids neuem Film geht es um Familiendramen und die Frage, was übrig bleibt, wenn alles engleitet. Marco (Lars Eidinger) fährt mit seinem Sohn aus Berlin raus und besucht seine Eltern auf dem Land. Seine Ehe ist schon länger kaputt, doch das behält er erst einmal für sich. Ähnlich ergeht es seinem jüngeren Bruder Jakob (Sebastian Zimmler), dessen neueröffnete Zahnarztpraxis ihn zu ruinieren droht. Doch alle versuchen immer, ihr Gesicht zu wahren und verschweigen ihre Probleme. Hauptgrund dafür ist die depressive Mutter Gitte (Corinna Harfouch), die beim kleinsten Konflikt zu zerbrechen droht. Als sie dann doch die Wahrheit über ihre Kinder erfährt und obendrein noch viele andere Probleme ans Licht kommen, verschwindet Gitte und eine erbitterte Suche nach ihr und nach dem Grund für ihr Verschwinden beginnt. Ein zermürbendes Familiendrama, das viele Fragen aufwirft und letztlich für den Suchenden doch eine Antwort parat halten kann: Wer sehen will, was bleibt, der kann es finden. Auch dieser Film lief im Wettbewerb, ging jedoch leider leer aus.
Gnade (Start: unbekannt)
Niels (Jürgen Vogel) und seine Frau Maria (Birgit Minichmayr) wandern aus und bauen sich am Polarkreis ein neues Leben auf. Ihre Ehe funktioniert schon lange nicht mehr. Eines Tages fährt Maria etwas an, sie begeht Fahrerflucht und nach einigen Tagen muss das Paar erfahren, dass ein Mädchen gestorben ist. Maria und Niels müssen nun mit der Schuld leben und das ist, wie sich herausstellt, der rettende Anker für ihre Beziehung. Matthias Glasners Drama ist voll von bedrückenden Emotionen rund um das Wesen des Menschen. Schuld und Sühne, Gut und Böse, aber auch Vertrauen und Verzeihen sind die Hauptthemen seines Films. Ergänzt wird dieses ergreifende Werk von beeindruckenden Landschaftsaufnahmen. Obwohl dieser Film im Wettbewerb lief und durchaus überzeugen konnte, reichte es nicht für einen Bären.
Bel Ami (Start: 26.04.2012)
George Duroy (Robert Pattinson) lebt im späten 19. Jahrhundert eine ärmliche Existenz. So kann es für ihn nicht weitergehen. Er entdeckt, dass der Schlüssel zu einem Leben in Reichtum häufig einflussreiche Frauen sind. So verführt er eine Society-Lady nach der anderen. Das Drama bewegt, erheitert, erschreckt und erzürnt. Neben der unterhaltsamen Geschichte dürfte die starreiche Besetzung (neben Pattinson sind Uma Thurman, Christina Ricci und Kristin Scott Thomas zu sehen) für viele Kinobesucher sorgen. "Bel Ami" lief außer Konkurrenz.
Glaube, Liebe, Tod
Dieser Film von Peter Kern, der unter der Kategorie Panorama lief, zeigt die Vielschichtigkeit der Berlinale, ihrer Themen, Teilnehmer und Gäste. In "Glaube, Liebe, Tod" wird den Zuschauern eine kurze und doch langwierige Geschichte präsentiert. Peter, schwerkrank, schwul und auch noch auf gewisse Art Muttersöhnchen fährt mit eben dieser auf einem Hausboot einen Fluss entlang. Peters Mutter massakriert ihren Sohn mit Vorwürfen und Anfeindungen und erinnert sich mit Vorliebe und Bewunderung an Hitler. Plötzlich ein Eindringling auf dem Boot, ein Motorschaden und nichts geht mehr. Zu dieser verwirrenden Geschichte kommen Anspielungen auf Krieg, Frieden, Vorurteile, Krankheit, Liebe und überschwemmen den Zuschauer mit einer unfassbaren Metaphorik. Auf filmischer Ebene leistete der Film jedoch Großes. Die Kameraführung auf dem kleinen Hausboot ist gekonnt und durchdacht. Die Räumlichkeiten funktionieren immer und man sieht, was man sehen muss. Für mich einerseits ein Beispiel für Vielseitigkeit, andererseits eines, das beweist: Nicht jeder Film ist etwas für Jedermann.
Fazit
Die Filme konnten zeigen, dass die Berlinale viele Seiten hat: Von High-Budget-Produktionen in Hollywood-Manier bis hin zu Filmen aus den kleinsten Ländern ist alles vertreten. Ebenso ist es mit der Qualität um die Filme bestellt. Jedoch ist diese Wertung häufig auch subjektiv und so muss sich jeder auf der Berlinale sein eigenes Bild machen. Insgesamt ist es ein tolles, aufregendes Festival mit interessierten Besuchern aus aller Welt. Internationalität spielt eine große Rolle, durch Untertitel wird versucht, möglichst vielen Menschen das Verständnis auf sprachlicher Ebene zu ermöglichen. Sogar eine Art Dolmetscher-System via Kopfhörer erlaubt es Blinden, einige der Filme zu "sehen". Solche Innovationen sind überzeugend und die so geschaffene Barrierefreiheit schweißt ein Publikum verschiedenster Nationen, sozialer Schichten, Berufen und Ethnizitäten zu einer Mehrheit: Menschen, die gemeinsam Spaß und Interesse an Filmen haben. Ganz nebenbei wird das Herz der Berlinale, der Potsdamer Platz, von Glanz und Glamour überschüttet und Berlin ist zu dieser Zeit um den ein oder anderen Star reicher.
Die Preisträger
Internationaler Wettbewerb
- Goldener Bär: "Cäsar muss sterben" von Paolo und Vittorio Taviani
- Silberner Bär – Großer Preis der Jury: "Csak a szél" von Bence Fliegauf
- Silberner Bär – Beste Regie: Christian Petzold ("Barbara")
- Silberner Bär – Beste Darstellerin: Rachel Mwanza ("Rebelle")
- Silberner Bär – Bester Darsteller: Mikkel Boe Følsgaard ("En kongelig affære")
- Silberner Bär – Herausragende künstlerische Leistung: Lutz Reitemeier (Kamera in "Bai lu yuan")
- Silberner Bär – Bestes Drehbuch: Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg ("En kongelig affære")
- Alfred-Bauer-Preis: "Tabu" von Miguel Gomes
- Silberner Bär – Lobende Erwähnung: "L'enfant d'en haut" von Ursula Meier
Erstlingsfilm
- Bester Erstlingsfilm: "Kauwboy" von Boudewijn Koole
Kurzfilmwettbewerb
- Goldener Bär: "Rafa" von João Salaviza
- Silberner Bär: "Gurehto Rabitto" von Atsushi Wada
Ehrenpreise
- Goldener Ehrenbär: Meryl Streep
- Berlinale Kamera: Studio Babelsberg, Haro Senft und Ray Dolby
Generation
- Gläserner Bär für den besten Film: "Lal Gece" von Reis Çelik
- Gläserner Bär für den besten Kurzfilm: "Meathead" von Sam Holst
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