Erotikbücher am Zahn der Zeit Ein Vergleich
Du merkst, dass etwas Trend ist, wenn eine Serie wie "90210" das Thema aufgreift. Ob Charakter Liam zum Robert-Pattinson-reifen Teenieschwarm mutiert oder Musiker wie Olly Murs oder Fall Out Boy auftreten die Neuauflage der beliebten Serie aus Beverly Hills war am Puls der Zeit. In der fünften Staffel tauchte folgender Handlungsstrang auf: Annie schreibt das Buch "Undressed", eine Art "50 Shades of Grey", in dem sie ihre Vergangenheit als Hostess behandelt. Während sie auf ihrem New-York-Trip noch als neue Carrie Bradshaw gehandelt wird, steht bald fest, dass ihr wahres Vorbild der Trend rund um Erotikbücher ist, den das SM-Werk von E.L. James losgetreten hat.

In der Verlagswelt ist dieser Trend schon lange klar. Die "Anais"-Reihe von Schwarzkopf & Schwarzkopf besteht seit 2008, der Verlag Heyne hat seinen "Hardcore"-Ableger und der Cora-Verlag hat die Unternehmenstochter Mira dem Erotikgenre neben anderen Bereichen wie Fantasy - gewidmet. Doch während die Muster von "50 Shades of Grey" (eigentlich eine "Twilight"-Fanfiction) und das fiktive "Undressed" ähnlich sind Mädchen in Abhängigkeit von einem Mann bleibt die Frage: Wie ähnlich sind sich die deutschen Bücher des Genres? Sind sie stets gleich gestrickt? Hierfür haben wir zwei Bücher untersucht: Die beiden Debütromane "Moralverkehr" (immerhin Band 36 der "Anais"-Reihe, von Jana Winschek, erschienen am 1. Juni diesen Jahres) und "Maria" (ebenfalls "Anais", von Beate Wirth, erschienen einen Monat zuvor), die jeweils eine Frau Mitte 20 mit Neugierde auf Sex in ihren Mittelpunkt stellen.
Dabei ist "Moralverkehr" das eindeutig lustigere der beiden Bücher. Jurastudentin Johanna ist 22 und wohnt noch daheim. Durch Zufall stößt sie auf eine Volontariatsanzeige bei der "Star-Illu". Sie bewirbt sich sofort und landet schließlich bei einem Vorstellungsgespräch für ein Erotikmagazin. Dennoch zögert sie nicht, den Job anzunehmen. Sie zieht aus und sich gleich mit (so viel Wortspiel darf sein, mag die Autorin Jana Winschek doch auch das Doppeldeutige). Sie entdeckt nicht nur sich selbst, sondern auch ihr bislang fremde Orte wie die Messe "Venus". Authentisch ist das Ganze dabei aber auf jeden Fall: Jana Winschek arbeitet selbst als Redakteurin für Sexthemen, die Anekdote, dass Johanna ein Nacktbild ihres Lehrers als Lesereinsendung bekommt, beruht auf einer wahren Begebenheit.
Sie etabliert eine Handvoll wiederkehrende Figuren, die alle einzigartig sind und nie langweilen: Der liebestrunkene Fotograf Pitti, Hostess Christina, Nachbar Nils, seines Zeichens Arschloch und Traummann, und der missverstandene Pornodarsteller Quentin. Was dabei leider auf der Strecke bleibt: Charaktere außerhalb dieser Welt, oder die Meinung der Eltern. Die gute Schreibe und die vielen Gags täuschen aber über diese Schwachstelle hinweg. Johanna wirkt zwar manchmal tollpatschig, schüchtern und landet in verqueren Situationen (sie wird zum Beispiel mit einer Domina verwechselt), findet aber recht bald heraus, was sie eigentlich will und beginnt, ihre Frau zu stehen. Dabei ist sie niemals in Abhängigkeit irgendeines Kerls. Das Ende des Romans ist dabei unglaublich überraschend.
Auf soviel Handlung verzichtet "Maria" hingegen vollkommen. Eigentlich hangelt sich die gleichnamige Hauptfigur nur von Sexszene zu Sexszene, und das von Januar bis Oktober. Dass sie an der Uni Köln studiert? Geschenkt. Eigentlich ist sie nur auf Wohnheimpartys. Zwar hat sie sich unsterblich in Nachbar Sven nach einer Runde Casual Sex verliebt, doch das hält sie nicht ab, Gummipuppe für so ziemlich jeden Mann, den sie trifft und der einigermaßen passabel aussieht, zu spielen. Der Rahmen Eltern haben sich scheiden lassen muss genügen, um Marias Handlungen verständlich zu machen mehr erfährt man kaum über sie.
Zu Beginn ist sie noch mit Timo zusammen, ihrem Freund vom Bodensee, der sie über die Trennung ihrer Eltern hinweg begleitet hat. Sie macht Schluss mit ihm, weil er ihr nicht das geben kann, was sie im Bett will. Sven schon. Als Sven sie dann nach Ende seines Praktikums verlässt, bleibt ihr nur noch Chris ach, und Basti, und all die anderen Männer, von denen sie eigentlich nichts will und mit denen der Sex nicht gerade bombig ist. Das wäre nicht verwerflich, würde sie nicht dauernd betonen, dass sie sich nach einer Beziehung sehnt, sich leer fühlt, Liebe möchte. Und dass all die Typen "hohle, geile Böcke" wären. Mit "Moralverkehr" gemein hat "Maria" den Besuch im Swingerclub und die Erfahrung eines Dreiers. Wobei allerdings Maria durch ihr Leben torkelt wie Miley Cyrus bei den VMAs.
Fazit
Erotikroman ist nicht gleich Erotikroman. Verglichen mit so manchem Charakter wirkt selbst Annies Leben in allen "90210"-Staffeln wie ein ausgeglichener Waldspaziergang. Drum prüfe, was man in der U-Bahn liest! Mit etwas Glück entdeckt man dabei einen Rohdiamanten wie "Moralverkehr". Denn eigentlich sollten diese Bücher für starke Frauen sein und nicht Groschenliteratur für das verzweifelte Heimchen am Herd.
Simone Bauer - myFanbase
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