Interview mit Nina Blazon - Teil 2

November 2015 | Im ersten Teil unseres Interviews nahm uns Nina Blazon gedanklich mit nach Helsinki, wo sie für ihren ersten Erwachsenenroman "Liebten wir" recherchierte. In diesem Teil verrät uns die in Slowenien geborene Autorin unter anderem, was sie an Mythen und Sagen fasziniert. Warum? In ihrem aktuellen All-Age-Fantasyroman "Der Winter der schwarzen Rosen" wird es sehr märchen- und sagenhaft, während der Leser erneut in die düstere Welt von "Faunblut", "Ascheherz" und "Der dunkle Kuss der Sterne" gesogen wird. Am Ende gibt es Grund zur Freude und einen kleinen Ausblick in zukünftige Schreibprojekte.

Foto: Nina Blazon - Copyright: Random House/Isabelle Grubert
Nina Blazon
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Mit "Der Winter der schwarzen Rosen" kehrst du in die "Faunblut"-Welt zurück. Hast du von vornherein geplant, weitere Geschichten in dieser Welt anzulegen oder ergab sich der Gedanke sukzessive?

Es ergab sich nach und nach und bei jedem Band dieser locker verbundenen Reihe. Jeder Roman kann ja auch ganz für sich stehend gelesen werden, aber alle zusammen ergeben natürlich eine Art Gesamtbild der Welt und ihrer Mythologie.

In der "Faunblut"-Welt existiert kein allumfassender Weltenname wie Narnia oder Mittelerde. Es braucht ein waches Leserauge, um die Brücken zwischen den vier Geschichten zu erkennen – insbesondere bei "Der dunkle Kuss der Sterne". Woran machst du dort fest, dass Candas Geschichte in derselben Welt spielt?

Das Nebeneinander von archaischen Strukturen und Magie auf der einen Seite und moderner Technik wie zum Beispiel Hydraulik-Aufzügen, Motorbooten und elektrischer Beleuchtung ist typisch für diese Welt und findet sich in allen Bänden. Es gibt auch mythologische Querverweise, zum Beispiel zu den Todesfrauen aus "Ascheherz", an einer Stelle wird im Buch sogar direkt angesprochen, mit welchen Wesen (die im "Dunklen Kuss" eine zentrale Rolle spielen) sie als Geschwister verbunden sind.

In "Der Winter der schwarzen Rosen" fühlt man sich mitunter wie in einem düsteren Märchen, in dem sich Geister, Gestaltwandler und andere magische Wesen vereinen. Was hat dich zu der diesmal sehr märchenhaften Geschichte inspiriert?

Der Gedanke, dass alles seine zwei Seiten hat – genau das vermitteln uns ja Märchen in besonders deutlicher Form. Daher hat sich eine eher märchenhafte Bildsprache einfach angeboten, um Verwandlungen in den verschiedensten Facetten sichtbar zu machen. Nicht nur bei Wesen wie den Menschtieren und den dunklen Hirschen, sondern auch bei Elementen wie den magischen Rosen, die weiß oder schwarz, tödlich oder beschützend sein können.

Dein Roman wird mit den Worten "Ein Epos über Magie, Verrat und Liebe" beworben. Hattest du im Vorfeld ähnliche Stich-/Stimmungswörter im Kopf?

"Epos" passte tatsächlich gut, ansonsten hatte ich noch im Hinterkopf: Wandlungen, Grenzgänger, Rebellion.

Deine Ich-Erzähler Liljann und Tajann sind zweieiige Zwillinge und in ihrem Auftreten sehr gegensätzlich. Welche der Schwestern hat dich beim Schreiben mehr gereizt?

Ganz schwierig, sich da zu entscheiden! Die Schwestern zu begleiten hat sich so angefühlt wie zwei Bilder mit völlig unterschiedlichen Farben und in anderem Stil zu malen. Tajann mit expressionistischen, kräftigen Farben und blauschwarzen Schatten, Liljann dagegen in gedeckten, hellen Tönen, mit vielen feinen grauen Schattierungen. Ich würde sagen: Am Anfang war Tajann vielleicht ein wenig spannender, dann zunehmend Liljann.

Wieso hast du dich für zwei Zeitformen (Präsens/Präteritum) entschieden?

Das ist kleiner handwerklicher Kniff zur Spannungssteigerung. Tajann erlebt alles in der Gegenwart, der Leser ist also ganz bei ihr und geht jeden Schritt mit ihr zusammen. Liljann erzählt dagegen den größten Teil ihrer Geschichte im Rückblick und bewertet die Ereignisse in ihrem eigenen Leben, aber auch den Weg ihrer Schwester. Auf diese Weise kann sie immer wieder "Foreshadowing" betreiben, also Andeutungen machen, was für den Leser spannend ist und ihm immer wieder einen kleinen Vorsprung gibt. Erst gegen Ende agieren beide Schwestern nur noch in der Gegenwart. Tajann holt ihre Schwester an einem bestimmten Wendepunkt der Geschichte ein.

Auch Liljanns und Tajanns Schicksale sind sehr verschieden und erinnern zum Teil an die Rollenverteilung und Erwartungshaltung in (früheren) Königshäusern. Gibt es historische Vorbilder für die strengen Gesetze und Schauplätze deiner Geschichte?

Ich denke, dafür kann man fast jedes Königshaus in einer beliebigen Epoche zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Jahrhundert betrachten. Im "Winter der schwarzen Rosen" finden sich einige Elemente zum Thema Heiratspolitik, Eroberungsstrategien, Intrigenwesen bei Hofe etc., die man auch von den Tudors, aus dem spanischen Königshaus zur Zeit der Inquisition und aus Versailles der Barockzeit kennt.

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Du bist sehr genau bei deinen Recherchen, wie wir bereits wissen. In deinem aktuellen All-Ager nimmst du den Leser mit auf Hirschjagd. Darf man sich nun ausmalen, dass du vor dem Schreiben mit einem Förster/Jäger durch die Wälder gepirscht bist?

Nein, diesmal musste ich nicht ins Unterholz. (lacht) Da es ja magische Hirsche sind, war ich in der schönen Lage, hier einfach die Fantasie spielen zu lassen. Die Recherche bezog sich bei diesem Buch vor allem auf die vorigen Bände, damit ich alle Verbindungen zu den Büchern richtig aufgreife und mit "Der Winter der schwarzen Rosen" verknüpfe.

Im Handlungsverlauf trifft man auf einige sagenhafte Gestalten wie den verliebten Drachen, den unsterblichen Steinbock und den entthronten Hirschkönig. Woher nimmst du hier deine Inspiration?

Viele solcher Gestalten haben ja etwas Archetypisches und sind uns in anderer Form bekannt aus Märchen und Sagen. Ich gebe solchen Archetypen gerne noch einen Dreh, eine eigene Geschichte oder Facette. Der Steinbock im Buch ist allerdings das Zitat einer slowenischen Sage: Dieses magische Tier hat goldene Krickel und heißt "Zlatorog" (Goldhorn). Verwundet ihn ein Jäger, wächst aus jedem Tropfen Blut, der auf die Erde fällt, die Alpenrose. Frisst der Steinbock die Rose, heilt seine Wunde in wenigen Augenblicken - und dann tötet er den Jäger.

Und was fasziniert dich an alten Mythen und Sagen?

Sie lesen sich wie eine Art Essenz. Eine wesentliche Aussage, die mit sehr starken, symbolischen Bildern arbeitet, manchmal fast holzschnittartig und ohne Ausschmückungen, dafür aber umso klarer und kraftvoller vermittelt, worum es geht.

Wieviel Vorbereitungszeit benötigst du eigentlich für deine Fantasyromane?

Ganz unterschiedlich, je nachdem, ob ich auf einen schon bestehenden Weltentwurf zurückgreifen kann, ob viel Recherche oder viel Vorarbeit für die Figuren selbst nötig ist. Manchmal ein paar Monate, manchmal läuft die Vorbereitung aber auch von Kapitel zu Kapitel während des Schreibens.

Darf sich der Leser auf weitere Abenteuer in der "Faunblut"-Welt freuen oder ist das letzte Kapitel mit Liljann und Tajann geschrieben?

Dieser Band ist als Abrundung und Schlusspunkt angelegt in dem Sinne, dass die Kreise zu den anderen Büchern sich schließen. Aber es gäbe natürlich noch einige Geschichten zu erzählen. Mal sehen, was sich so entwickelt.

Anfang 2016 veröffentlicht der Ravensburger Buchverlag deinen neuen historischen Jugendroman. Was erwartet den Leser in "Feuerrot"?

"Feuerrot" ist ein historischer Roman, der sich mit der Ravensburger Familie Humpis beschäftigt. Die Humpis waren im Mittelalter sehr reiche Kaufleute, man kann sagen, die Tycoons ihrer Zeit. Ihr Name steht für den internationalen Fernhandel in jener Zeit. Sie waren Mitbegründer der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft und hatten unter anderem in Spanien, Italien und Frankreich eigene Handelsniederlassungen. Der Roman spielt im Jahr 1484, als der Inquisitor Heinrich Kramer in Ravensburg den Vorsitz bei zwei Hexenprozessen führte. Zur gleichen Zeit erwartet man im Hause Humpis einen Gast aus Italien, den Sohn eines befreundeten Geschäftspartners aus Genua, der in Ravensburg das Handwerk der Kaufleute lernen soll. Mit seiner Ankunft kommt so einiges ins Rollen, was die Familie Humpis bis in die Grundfesten erschüttern wird.

Sind noch weitere Projekte in Planung, die du eventuell schon verraten darfst?

Ein weiterer Fantasyroman für Leser ab zehn Jahren, ganz in der Tradition von "Lillesang" und "Laqua" wird auch hier die Magie den Alltag einiger Kinder gehörig durcheinanderwirbeln. Stichworte diesmal: Ferien auf einer Insel, wilde Ritte über Vulkangestein, verborgene magische Wesen, denen man besser nicht ihr Revier streitig machen sollte – und ein geheimnisvoller Todesfall, der nicht aufgeklärt wurde, aber der Schlüssel zur Auflösung eines alten Banns sein könnte.

Das Beste kommt zum Schluss: "Der Winter der schwarzen Rosen" geht nach wenigen Wochen in die 2. Auflage. Herzlichen Glückwünsch! Welches Stimmungswort/-gefühl ging dir bei diesen Neuigkeiten durch den Kopf?

Danke! Und das Gefühl war in etwa: "Oh, verfrühtes Weihnachtsgeschenk!" Und dann freuen wie ein Schneekönig. (lacht)

Vielen Dank für den sagenhaften Blick hinter die Kulissen!

Doreen B. - myFanbase

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