Jahresrückblick 2015 - Unsere Neuentdeckungen, Teil 2
Doreen B. meint:
Julia Engelmann - Eines Tages, Baby (2014)
Der Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt bezeichnete Julia Engelmann in der NDR-Talkshow 2014 als Lichtgestalt der Lyrik, nachdem die Bremerin via YouTube über Nacht zum gefeierten Internet-Star wurde. Ausschlaggebend war Engelmanns Auftritt beim 5. Bielefelder Hörsaal-Slam ein Jahr zuvor. Mit ihrem Poetry-Slam-Gedicht "One Day" begeisterte sie dort nicht nur das Publikum, sondern kurz darauf auch zahlreiche User auf YouTube – die bisher über 8 Millionen Klicks sprechen für sich. Seit Mai 2014 slammt sich die Psychologiestudentin zusätzlich in die Herzen der Leser. Eigentlich ein Gedichtemuffel, kam auch ich an dem Hype nicht vorbei. Schuld daran ist die Hörbuchversion von "Eines Tages, Baby", in der die Poetin ihre im Buchformat veröffentlichten Texte höchstpersönlich zum Besten gibt.
Was mich fasziniert: Julia Engelmann bringt mit ihren poetisch-philosophischen Texten den Zeitgeist der heutigen "höher, weiter, schneller"-Gesellschaft, in der man das kreative Ich leicht aus den Augen verlieren kann, feinfühlig auf den Punkt. Wer bin ich? Wer will ich sein? Und ist es so ein Drama, anders als die Anderen zu sein? Die Themen in "Eines Tages, Baby" drehen sich um das Lebenskarussell aus Entscheidungen, Stagnationen und Ängsten, die das alltägliche Leben im Social-Media-Getriebe mit sich bringen. Schon beim Lauschen/Lesen der Gedichte merkt man, wie das Gehirn zu arbeiten beginnt und sich das Gehörte/Gelesene mit den eigenen Erfahrungen und Gedanken verbindet. Für mich ist dies ein etwas anderes und höchst erfrischendes Buch, das zum Nachdenken und Nachspüren einlädt. Ein Tipp: Das lebendig vorgetragene Audiobook bringt einen noch emotionaleren Rhythmus in die Texte.
Diana Gabaldon – "Feuer und Stein" (1995)
Manchmal braucht es erst eine Romanverfilmung oder (in diesem Fall) eine adaptierte Fernsehserie, um nach dem gedruckten Wort zu greifen. Dabei stand der erste Band von Diana Gabaldons achtteiliger (bald neunteiliger) Highland-Saga mit dem Titel "Feuer und Stein" schon seit einigen Jahren eingestaubt in meinem Regal herum. Als im Mai 2015 schließlich die US-Serie "Outlander" (Originaltitel der Buchvorlage) hierzulande auf Vox an den Start ging, war es an der Zeit, endlich mit dem Lesen zu beginnen. Und ja, nicht länger von dem dicken Wälzer abgeschreckt, konnte ich die Begeisterung der Buch- und inzwischen Serienfans absolut teilen. Die Geschichte um die couragierte Krankenschwester Claire Randall, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihrem Mann in die Highlands reist und dort mittels eines Steinkreises im Schottland des 18. Jahrhunderts landet, faszinierte mich sofort.
Diana Gabaldon holt auf den ersten Seiten zwar weit aus, erschafft aber von Beginn an eine mystische Atmosphäre, sodass ich Claire gerne in die raue Vergangenheit folgte, dabei auf ungehobelte Schotten traf, mich von dem charismatischen James Fraser einfangen ließ und, und, und... Die Mischung aus historischen Verkettungen, vielschichtigen Figuren und (trocken-)humorigen Dialogen ist ein Leseerlebnis der unterhaltenden Art und machte mir Lust auf die Folgebände – den zweiten Band "Die geliehene Zeit" habe ich bereits mit ähnlicher Begeisterung verschlungen. Ich stellte fest: Die Serie bleibt zwar nahe am Original dran, auf die Buchvorlage sollte trotzdem nicht verzichtet werden, gerade was das grausame Finale und die folglich bitteren Konsequenzen und Charakterentwicklungen betrifft.
Anika W. meint:
Jennifer Wolf - Morgentau - Die Auserwählte der Jahreszeiten] (2014)
Zunächst war ich nicht sehr von dem Klappentext zu "Morgentau" angetan. Diese Art von Geschichte hat für meinen Geschmack üblicherweise zu viel Fantasy und wenn es zu fantastisch wird, kann ich damit wenig anfangen. Doch ich habe auf eine Empfehlung gehört, mir dieses Büchlein geordert und wurde verzaubert. Die Geschichte, wie das Erdenmädchen das Herz des eisigen Winters zum schmelzen bringt und das Drama, das die beiden durchleben müssen, ist wirklich traurig und schön zugleich. Abgesehen von der Liebesgeschichte, konnte die Autorin allen Charakteren, so nebensächlich sie auch sein mögen, Tiefe einhauchen. Beim Lesen bekam man das Gefühl, man sei tatsächlich dabei gewesen, als die Auserwählte die vier Jahreszeiten und ihre Begleiter kennenlernt. Im Buch wurde schon angedeutet, welche Jahreszeit als nächstes seine Geschichte erhält und auch darauf bin ich schon sehr gespannt.
Nicolas Barreau - Das Lächeln der Frauen (2012)
Der Roman "Das Lächeln der Frauen" ist eine (un)typische Liebesgeschichte, die in Paris spielt. So liest die Hauptfigur ein Buch, von dem sie glaubt, dass sie und ihr Restaurant eine wichtige Rolle darin spielen würden. Sie macht sich auf die Suche nach dem Autoren, der angeblich in England wohnen soll. Der Redakteur des französischen Verlages und die Protagonistin kommen ins Gespräch, ohne dass sie weiß, dass er eigentlich der Verfasser des Buches ist. So bekommt sie die Obsession, den Autoren kennenzulernen, während er versucht, dies zu verhindern, da der vermeintliche Autor gar nicht existiert. Dieses hin und her wird durch Perspektivwechel erzählt und somit erhält man einen tiefen Einblick in beide Charaktere. Dennoch würde ich die Geschichte nur als "durchschnittlich" bezeichnen. Es gibt zwar schöne Momente, doch wirklich ins Herz gehen mir beide Charaktere nicht. Der Moment, in dem sie sich endlich in den Armen liegen, kam mir auch etwas zu plötzlich. Trotzdem ein nettes Buch für verregnete Herbsttage.
Viel interessanter als das Buch selbst ist die Frage, wer Nicolas Barrau ist. Denn ebenso wie im Roman scheint es den Autoren nicht zu geben. Es wird vielmehr vermutet, dass es sich um ein Pseudonym der Redakteurin des Piper Verlages handelt - womit die Geschichte des Romans gedoppelt und ins wahre Leben übertragen wurde.
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