The End of an Era - Die prägendsten Figuren, Teil 1

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Serien leben von ihren Figuren und trotz all der wichtigen Faktoren, wie spannende Storylines und thematische Relevanz, wären diese nur halb so ansprechend für die Zuschauer, wenn man diese nicht anhand von Charakteren erleben dürfte, die einen mitreißen. "Mad Men" hat zahlreiche komplexe und vielschichtige Figuren zu bieten, die von großartigen Darstellern verkörpert wurden. In unserer Abschiedskolumne widmen wir uns noch einmal den sechs wichtigsten unter ihnen und beginnen zunächst mit den beiden klaren Mittelpunktfiguren, Don Draper und Peggy Olson.


Don Draper


Foto: Jon Hamm, Mad Men - Copyright: 2008 Frank Ockenfels/AMC
Jon Hamm, Mad Men
© 2008 Frank Ockenfels/AMC

Bei einer oberflächlichen Betrachtung des Charakters Don Draper könnte man meinen, dass der Vorspann von "Mad Men" seine persönliche Entwicklung über sieben Staffeln hinweg perfekt zusammenfasst, sie regelrecht vorprogrammiert hat: Der tiefe Fall eines Mannes, der mit einem prestigeträchtigen Job in der boomenden New Yorker Werbebranche der 1960er und einer echten Bilderbuchfamilie zu Hause den amerikanischen Traum zu leben scheint, dennoch niemals genug hat und bei seinem Streben nach immer mehr letztlich alles verliert. Selbstverschuldet durch eine Mischung aus destruktivem Verhalten und offenkundiger Unfähigkeit, aus vergangenen Fehlern zu lernen, wird Don nach und nach sämtlicher Statussymbole beraubt, ehe er dann im gelobten Land im Westen, Kalifornien, mit seinem besitzlosen, vereinsamten Ich endlich Frieden schließt. Diese vereinfachte Sichtweise mag in den Grundzügen durchaus stimmen, doch bei einer näheren Auseinandersetzung mit der Figur Don Draper erweist sie sich als ebenso unbefriedigend wie der Ansatz, ihn neben Tony Soprano und Walter White in die Ecke der großen Antihelden des US-Qualitätsfernsehens zu stellen. Zwar mögen Dons Vergehen zahlreich sein ("I broke all my vows, I scandalized my child, took another man's name, and made nothing of it"), doch im Vergleich zu jenen der zuvor genannten Herren wirken sie fast schon wie Kavaliersdelikte.

Foto: Jon Hamm, Mad Men - Copyright: Carin Baer/AMC
Jon Hamm, Mad Men
© Carin Baer/AMC

Sehr viel treffender als der Vorspann spiegelt meines Erachtens ein Ausspruch von Abigail Whitman in Episode #1.08 The Hobo Code den Weg des "Mad Men"-Protagonisten wider: "Life is like a horseshoe. It's fat in the middle, open on both ends, and hard all the way through." Als sich Dick Whitman durch den Unfalltod seines Befehlshabers im Koreakrieg die Chance auf ein neues Leben eröffnet, nutzt er diese und erfindet sich als Don Draper neu. Durch Ehrgeiz und Talent arbeitet er sich, allen Widrigkeiten zum Trotz, vom Autohändler und Pelzvertreter zum erfolgreichen Kreativdirektor der Werbeagentur Sterling Cooper hoch und gründet mit dem bildhübschen Model Betty eine Familie. Es ist an diesem sinnbildlich fetten Mittelteil des Hufeisens, an dem der Zuschauer in das Geschehen einsteigt und Dons Abstieg - die immer schmäler werdende rechte Hälfte des Pferdefußbeschlags - mitverfolgt. Am Ende des harten und steinigen Weges erwartet Don jedoch eine weitere Öffnung, eine neue Chance, die ihn vermutlich den wohl denkwürdigsten TV-Werbespot seiner Zeit schaffen lässt. Einen hoffnungsvolleren, versöhnlicheren Abschluss hätte man sich als jemand, dessen Faszination für Don Draper trotz aller Auf und Abs über Jahre nie nachgelassen hat, nicht wünschen können.

Foto: Jon Hamm, Mad Men - Copyright: Courtesy of AMC
Jon Hamm, Mad Men
© Courtesy of AMC

Die Einzigartigkeit von Don Draper liegt wohl vor allem darin begründet, dass es sich bei ihm um eine gespielte Figur handelt, und das nicht auf die meisterhafte Leistung von Darsteller Jon Hamm bezogen. Schließlich ist der nach außen hin souverän wirkende Geschäftsmann lediglich eine Fassade, aufgebaut und gelebt von dem buchstäblichen Hurensohn Dick Whitman, dessen wahres Naturell in vielerlei Hinsicht gegensätzlicher nicht sein könnte. Mit seinem Identitätswechsel hat Don nicht nur seine als beschämend empfundenen Wurzeln und die damit verbundenen Selbstzweifel hinter sich gelassen, sondern auch seine unbeschwerte Wärme und Herzlichkeit, die man als Zuschauer nur aus den Rückblicken mit seiner engen Vertrauten Anna Draper kennt. Je mehr Dons Fassade über die Jahre allerdings zu bröckeln beginnt, desto öfter kommt der schwache und unsichere Mann zum Vorschein, den er trotz aller Bemühungen nicht abschütteln kann. Es ist eine faszinierende, komplexe Studie über Themen wie Identität und Veränderung, Vergessen und Verdrängen, die "Mad Men" in Bezug auf Don Draper abliefert und die dem Zuschauer bei der persönlichen Urteilsbildung über den Protagonisten einiges abverlangt. Die Reaktionen auf ihn und sein Handeln mögen von Verehrung bis Frustration reichen, doch eines scheint fix: Kalt lässt Don Draper niemanden - genauso, wie es sich für einen großartig konzipierten Seriencharakter gehört.

Zur Charakterbeschreibung von Don Draper



Peggy Olson


Foto: Elisabeth Moss, Mad Men - Copyright: 2008 Frank Ockenfels/AMC
Elisabeth Moss, Mad Men
© 2008 Frank Ockenfels/AMC

Das Gegenstück zu Don bildete von Beginn an Peggy Olson. Als die junge Frau als Dons Sekretärin ihr Arbeitsleben bei Sterling Cooper antrat, wusste man als Zuschauer vielleicht noch nicht, welche enorme Bedeutung Peggy über den Verlauf der Serie einmal einnehmen würde, aber sie war von Beginn an als zweiter großer Mittelpunkt des Dramas konzipiert. Und während man sich mit Don den Problemen von Männern, die scheinbar alles erreicht haben und dennoch nicht glücklich sein konnten, beschäftigte, fungierte Peggy eher als Identifikationsfigur für die Zuschauerinnen und Zuschauer, denn ihre beeindruckende Entwicklung sollte die Serie nahezu komplett abdecken. Dons Leben war am Beginn der Serie bereits fest in seinen Eckpunkten definiert, während Peggys Weg ganz am Anfang stand.

Foto: Elisabeth Moss, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
Elisabeth Moss, Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

Dabei ist es der Serie, vor allem aber auch Elisabeth Moss mit ihrer beeindruckenden darstellerischen Leistung, gelungen, eine Figur zu erschaffen, die dem ikonenhaften Stellenwert, den Don Draper in der zeitgenössischen Popkultur einnimmt, in nichts nachsteht. Wer hätte das gedacht, als man sie als schüchterne, wohlerzogene Katholikin aus Brooklyn am Anfang der Serie kennenlernte? Hätte man damals aber die Serie schon etwas besser gekannt, hätte man all die Anzeichen für eine derart faszinierende Figur schon früh erkennen können. Denn sie war bereits klar in ihren Eigenschaften definiert, zu denen nicht zu letzt jedes Detail von der Garderobe bis zu den ausgefeilten Worten aus ihrem Mund gehörten. Peggy war schüchtern und unerfahren, aber sie hatte bereits einen klaren Blick auf die sie umgebenden Realitäten, und spätestens als im Rahmen einer Lippenstiftkampagne bei Sterling Cooper ihr Talent für die kreative Arbeit zu Tage kam, war klar, dass sie es einmal weit bringen würde.

Foto: Elisabeth Moss, Mad Men - Copyright: Carin Baer/AMC
Elisabeth Moss, Mad Men
© Carin Baer/AMC

Dabei war dies kein leichter Weg, denn Peggy fungierte natürlich auch als Beispiel für die Hindernisse und Hemmnisse, die einer Frau im Berufsleben entgegentreten. Der spezifische Sexismus, gegen den Frauen am Arbeitsplatz vorgehen müssen, stand immer im Fokus der Serie und oft war es Peggy, die diesen manövrieren musste. Peggy hat sich jeden einzelnen Schritt ihres enormen Erfolges hart und gegen starke Widerstände erarbeitet, wobei es dennoch der Wahrheit entspricht, dass sie wohl nie dieselben Chancen erhalten hätte, wenn nicht die Männer (Don, Freddy Rumsen) in ihrem Umfeld sie gefördert hätten. Und so viel hat sich an diesen Umständen aus den 60er Jahren leider bis heute noch nicht geändert, so dass man sich auch als moderne Frau mit Peggys Weg unheimlich gut identifizieren konnte.

Bezeichnenderweise stand in Peggys Geschichten über sieben Staffeln von "Mad Men" meist ihr beruflicher Werdegang im Vordergrund. Zwar hatte auch sie eine ganze Handvoll von Männergeschichten, die meist in einer mittleren Katastrophe endeten. Aber diese nahmen spätestens ab Staffel 2 immer eher die Form von Hintergrunduntermalung ein. Die große Ausnahme bildet dazu wohl ihre Affäre mit Pete in Staffel 1, die in ihrer überraschenden Schwangerschaft mündete. Dabei war es eben am Ende dieses traumatisierend Ereignis, das in einem seelischen Zusammenbruch Peggys und der Aufgabe ihres Kindes zur Adoption mündete, was sie auf lange Sicht mehr prägte, als die unglückliche Affäre an sich.

Foto: Elisabeth Moss, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels III/AMC
Elisabeth Moss, Mad Men
© Frank Ockenfels III/AMC

Für die Zuschauer und Zuschauerinnen war es eine wahre Freude, Peggys spannende Entwicklung von der blutigen Anfängerin bis zur selbstbewussten und in keinerlei Hinsicht mehr Kompromisse machenden beruflichen Kreativen zu erleben, von der man nach ihrem denkwürdigen Auftritt mit Bert Coopers pornographischem Gemälde unterm Arm, keine Zweifel mehr hat, dass sie früher oder später zur Kreativdirektorin aufsteigen wird. Dabei ist sie immer ihren ganz eigenen Weg gegangen, der durchaus auch zahlreiche Fehler und Schwächen beinhaltete, der aber immer spezifisch für Peggy war. Während bei Don oft die Frage im Raum stand, ob er sich jemals ändern kann, kam einem dies bei Peggy nie in den Sinn. Denn sie hat sich enorm geändert und weiterentwickelt, ohne dabei ihr Innerstes in Frage zu stellen. Peggy ist damit nicht nur eine der großartigen Vorbildfrauen, die das US-Fernsehen uns in den letzten Jahren präsentierte, sie reiht sich ein in die Riege von Frauen wie Leslie Knope, Tammi Taylor und Buffy Summers, sie ist ganz unabhängig vom Geschlecht eine komplexe und faszinierende Serienfigur. Don Draper wäre ohne Peggy nur halb so interessant und "Mad Men" ohne ihren Blickwinkel ebenfalls.

Zur Charakterbeschreibung von Peggy Olson


Willi S. & Cindy Scholz - myFanbase

Teil 2 der prägendsten Figuren (Betty Draper Francis, Pete Campbell, Joan Harris & Roger Sterling)
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