Bewertung
Herrenmagazin

Atzelgift

Wenn man den urlaubenden Herrschaften im westerwäldischen Erholungsort Atzelgift das gleichnamige Debütalbum der Newcomerband Herrenmagazin vorspielen würde, wären diese wohl nicht sonderlich amused. Denn die Songs der vier stürmischen Hamburger scheinen kaum zum Entspannen geeignet. Laut, lärmend und lebendig regen sie vielmehr zum genüsslichen Abreagieren ein.

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Dabei fängt das Album noch so harmlos an. Eine einsame E-Gitarre eröffnet "Früher war ich meistens traurig", schon bald gefolgt von Deniz Jaspersens leicht schwermütigem Gesang. Doch sogleich bringt das einsetzende Schlagzeug gehörig Dynamik rein und die sanfte Melancholie weicht zunehmend nach vorne preschenden Rhythmen und druckvollen Gitarren, bis schließlich von jeglicher Traurigkeit nichts mehr zu spüren ist.

In "1000 Städte" wird das Tempo wieder ein klein wenig herausgenommen, Melodien und Stimme mehr Raum gegeben, nur um die letzte Minute doch wieder ganz allein E-Gitarren und Schlagzeug zu überlassen. Es folgen Songs, die allesamt nach dem gleichen (Erfolgs-)schema vorgehen: Mitreißende Melodien gepaart mit treibenden Gitarren, mal mehr, mal weniger harten Riffs und solidem, wenn auch stellenweise etwas farblosem Gesang. Das geht schnell ins Ohr und in die Beine. Nur eben nicht immer direkt ins Herz.

Denn dazu fehlen dann doch noch oft der letzte Kick, die markante Stimme, die lyrische Tiefe und Brillianz, die man von anderen deutschen Indie-Bands kennt. In dem Versuch ihren eigenen unverwechselbaren Sound zu finden, scheitert die Band schlicht an der Tatsache, dass viele ihrer Songs stark an andere Bands erinnern, die ihnen musikalisch noch um einiges voraus sind. Dabei hätte etwas mehr Mut zur Abwechslung dem Album nicht nur gut getan, sondern sicherlich auch Wunder wirken können.

Großes Potenzial kann man den Herren von Herrenmagazin nämlich keinesfalls absprechen. Und vor allem gegen Ende der Platte blitzt dieses immer deutlicher hervor. So entpuppt sich der Titel-Song "Atzelgift" mit seinem recht trostlosen Text aber geradezu anspringendem Refrain als einer der Höhepunkte des Albums. Auch "Sowiedubist" weiß zu überzeugen durch seine simple und nüchterne Einsicht, dass Beziehungen manchmal einfach nicht sein sollen. Denn "dieses kleine bisschen reicht einfach nicht aus".

Der explosive Album-Closer schafft es dann endgültig, aus dem Rest heraus zu stechen und dem Hörer nochmal so richtig um die Ohren zu rocken. Hier sitzt jedes Riff, jeder Schlagzeug-Beat und auch der Gesang vermag einen erstmals wirklich zu packen. Dass dieser mit Abstand aufregendste Song des Albums "Kein bisschen aufgeregt" heißt, zeugt wohl auch ein wenig von der bezeichnenden Ironie der Band, die bereits das Platten-Cover so sehr ausstrahlt.

Fazit

Das Debüt der viel versprechenden deutschen Newcomer umfasst eine Reihe geradliniger Indie-Pop-Songs, bei denen stets eine gewisse Portion Punk durchscheint. Durch seine treibenden E-Gitarren und das charakteristische Schlagzeug-Spiel von Rasmus Engler ist das Album sehr eingängig geraten, wirkt auf Dauer jedoch auch ein wenig monoton. Es bleibt also zu hoffen, dass Herrenmagazin ihren ganz eigenen Stil noch entdecken und ihr vorhandenes Potential in Zukunft auch auf Albumlänge voll zum Ausdruck bringen können.

Anspieltipps

Früher war ich meistens traurig

Atzelgift

Kein bisschen aufgeregt

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Tracks

1.Früher war ich meistens traurig
2.1000 Städte
3.Lnbrg
4.Der längste Tag
5.Alles (aus; alles) an
6.Der langsame Tod eines sehr großen Tieres
7.Geht nicht über Nacht
8.Lilly Lametta
9.Lichter der Stadt
10.Atzelgift
11.Sowiedubist
12.Kein bisschen aufgeregt

Paulina Banaszek - myFanbase
23.06.2008

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