Bewertung
Chris Cornell

Scream

Selten habe ich ein CD-Artwork gesehen, welches ein Album so passend auf den Punkt bringt wie dieses vor mir liegende. Chris Cornell hatte noch nie Angst vor großen Veränderungen und so verwundert es auch nicht, dass er seine Klampfe zu Schrott verarbeitet und der Rockmusik zumindest für ein Studiowerk (fast) den Rücken kehrt.

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Der "Mr. Beauty" des Rock-Business hat sich für "Scream" den Erfolgsproduzenten Timbaland geschnappt und ein ganzes Album im Beatpop-Stil aufgenommen. Was kann man sich darunter vorstellen? Natürlich Chris' markante Rockröhre, knallige Beats vom Mischpult, zwischendurch mal zur Herkunftserinnerung ein paar Gitarreneinspieler und jede Menge eingängiger Ohrwürmer. Die Jubelstürme der Fans hielten sich in Grenzen und es hagelte eine Menge Kritik auf Cornells neuestes Album nieder. Ich bin der Meinung, dass man das Album losgelöst von der Vergangenheit des Rocksängers betrachten sollte. Na klar war der Mann der Farbtupfer der Grunge-Legende Soundgarden, natürlich hat er eines der besten Alternative-Rock Alben der 90er geschrieben und selbstverständlich hat seine Stimme den Sound von Audioslave geprägt. Und genau deshalb sollte es auch erlaubt sein, einfach mal über den musikalischen Horizont zu blicken und etwas völlig anderes machen.

Warum das Label ausgerechnet mit "Part Of Me" die schwächste Nummer des Albums als Single auskoppeln musste, bleibt ein Rätsel. Natürlich ist das ein Ohrwurm, wenn auch ein ganz penetranter, allerdings spiegelt er nicht wirklich den Eindruck des ganzen Albums wieder. Nicht weniger abschreckend ist, dass "Scream" auch noch mit besagter Single startet. Der doch sehr nervige Song dürfte ja mittlerweile jedem bekannt sein bei der hohen Rotation im TV und Radio. Nicht weniger eingängig aber wesentlich entspannter kommt "Time" daher. Eine geschickte Tanznummer, die nicht vergessen lässt, welch brillianter Sänger der Ex-Frontmann von Soundgarden und Audioslave doch ist. "Sweet Revenge" und "Get Up" sind Lückenfüller aber keine Ausfälle. Wie es besser geht zeigt "Ground Zero". Ein souliger Refrain, ein schon fast Oldschool gemixter Beat und schicke Streicher (leider aus der Konserve) sind eine tolle Verpackung für Cornells Stimme. Schon fast hymnisch geht es mit "Never Far Away" weiter. Zugegeben, die anfänglichen Keyboardeinlagen sind etwas misslungen, der Rest des Songs hat genügend Singlepotential wie ein "Apologize" von One Republic oder "What Goes Around...Comes Around" von Justin Timberlake. Eine gewisse Ähnlichkeit zum zuletzt genannten Track lässt sich allerdings nicht wirklich abstreiten (Timberlake persönlich hat übrigens die Backings für den nächsten Song eingesungen).

Regelrecht orientalisch beginnt "Take Me Alive", doch man sollte sich davon nicht täuschen lassen. Chris packt hier die Gitarre aus und rockt sogar mal wieder richtig los. Der Refrain bewegt sich im guten Bereich und somit ist der Song die perfekte Einleitung für den wesentlich spannenderen, zweiten Teil des Albums. "Long Gone" ist eine schöne Midtempo-Ballade die ganz und gar nicht weh tut. Cornell veredelt mit seiner Stimme das schöne Timbaland-Arrangement. Auch der Rockhörer bekommt hier wieder seine gefühlten 10 Sekunden verstärkte Gitarre zu hören. Ein typischer Timbaland-Song ist das darauf folgende "Scream". Macht sich natürlich super als Single, ist aber auf den zweiten Blick eines der besseren Stücke des US-Szene Giganten. Dünne kaum hörbare Gitarrenriffs und schmucklose Beats lassen Cornells Stimme endlich mal richtig aufblühen. Dass es an krachenden Dancenummern auch nicht fehlen darf, zeigt einmal mehr "Enemy". Der Song beginnt verhalten und pulsiert dann im Mittelteil, mit Sicherheit ein Kandidat für die nächste Auskopplung aber auch ein weiterer Track der die letzten engstirnigen Rocker vergrault. "The world won't try, to change your mind, if you don't change at all" heißt es im vorletzten Song "Climbing Up The Walls" und deshalb packt der Sänger (oder zumindest seine Studiomusiker) hier noch einmal seine Gitarre aus und liefert ein feines, rockiges Stück ab, das eigentlich jedem gefallen kann. Zum Abschluß fegt noch mal ein richtiger Kracher alles vom "Dancefloor". "Watch Out" geht in die Offensive und trägt noch mal alles tolle an diesem Album in einem Song zusammen. Cornells harte Rockröhre und stark produzierte Musik von Timbaland. Leider wird der Refrain des Songs zu Tode gespielt, es bleibt ein fader Beigeschmack.

Fazit

Ich vermute "Scream" wird der erste und einzige Ausflug in diese Richtung sein. Nicht weil das Album schlecht ist, sondern weil man einfach an den rockigen Tracks hört, wo Chris herkommt und wo er hingehört. Zurück bleibt ein Album mit vielen Stärken aber auch einigen bösartigen Tieffliegern.

Anspieltipps

Long Gone

Scream

Never Far Away

Climbing Up The Walls

Artistpage

ChrisCornell.de

Tracks

1.Part of Me
2.Time
3.Sweet Revenge
4.Get Up
5.Ground Zero
6.Never Far Away
7.Take Me Alive
8.Long Gonefeaturing Timbaland
9.Scream
10.Enemy
11.Other Side of Town
12.Climbing Up the Walls
13.Watch Out

Christian Finck - myFanbase
06.03.2009

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