Bewertung
Clash, The

London Calling

Wer kennt sie nicht? Die Platte, die The Clash damals zu einer der legendärsten Bands gemacht hat? Das Album, das alle bekannten Künstler heutzutage als Einfluss angeben? Hat nicht Liam Gallagher von Oasis gesagt "Wer diese Platte nicht mag, der hat schlicht keine Ahnung von Musik"? Keine Frage, hier geht's um "London Calling", das dritte Album von The Clash.

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Das Album wurde in den Wessex Sound Studios aufgenommen und von dem alkohol- und drogenabhängigen Guy Stevens produziert. Aber seine Sucht war nicht der einzige Grund, warum CBS, die Plattenfirma von The Clash, mit der Wahl der Band des Produzenten nicht einverstanden war. Guy Stevens war für seine unkonventionelle Arbeitsweise bekannt, oder vielmehr berüchtigt. Tatsächlich warf er von Zeit zu Zeit Stühle durch die Gegend um eine "emotionale" Stimmung zu erzeugen. Aber was auch immer er getan hat, hat, laut der Band, viel zum Bekanntheitsgrad und der Qualität des Albums beigetragen. Insgesamt dauerte es "nur" ein paar Wochen bis das ganz "London Calling" aufgenommen war. Da The Clash wussten, dass ihre Fans nicht viel Geld haben, und das sie zu viele Songs gesammelt hatten, beschlossen sie ihr Doppelalbum zum Preis eines einzelnen zu verkaufen.

"London Calling" beginnt mit dem gleichnamigen Titletrack. Zusammen mit "Brand New Cadillac" bildet es einen Anfang, der auf jedem bisherigen Album hätte draufsein können: klarer Rhythmus, die Akkorde so schnell wie möglich gespielt. Der Inhalt des Songtextes gleicht dem einer Apokalypse, jede erdenkliche Katastrophe wird von Frontmann Joe Strummer geschildert. Der Opener dürfte neben dem auf "Combat Rock" erschienen "Should I Stay Or Should I Go" der bekannteste Clash-Song sein, fand er doch zu allen möglichen Anlässen Gebrauch, unter anderem in einer der "Friends"-London Episoden.

Nach dem Cover von Vince Taylors "Brand New Cadillac" kommt "Jimmy Jazz". Dieser Song überrascht mit einer einfachen Bassline und Pfeifmelodie, bis Joe Strummer irgendwann anfängt zu singen. Der Song gewinnt zwar nicht an Schnelligkeit, behält aber seine unbeschwerte Leichtigkeit bei. Mit "Rudie Can't Fail" wird zum ersten Mal deutlich, wie sehr sie sich bei diesem Album von Reggae inspirieren ließen, aber auch Elemente von Ska und Soul sind heraus zu hören.

Was sich schon in den vorherigen Liedern angedeutet hat, wird in "Spanish Bombs" offen auf den Tisch gelegt. Es ist weithin bekannt, dass die Songtexte von The Clash größtenteils ein Kommentar zu politischen und sozialen Themen darstellen. "Spanish Bombs" handelt vom spanischen Bürgerkrieg und der Refrain ist daher zum Teil spanisch. Vielleicht ist das auch der Grund, warum einem das Lied so in Erinnerung bleibt.

"Lost in The Supermarket" ist eines der langsameren Lieder auf "London Calling", aber auch eines der Highlights und für mich persönlich der Favorit. Zur Abwechslung steht mal nicht Joe Strummer, sondern Mick Jones am Mikrofon, passender Weise, da das Lied ja von ihm handelt. "Lost in The Supermarket" wurde von Strummer geschrieben, als dieser sich vorzustellen versuchte, wie Bandkollege Mick Jones mit seiner Mutter und Großmutter aufwuchs. Trotz alledem fügte er dem Song auch etwas persönliches hinzu; besonders der Anfang ist autobiographisch geprägt. Strummer will mit diesem Lied aber auch den Konsumismus und die kommerzialisierte Gesellschaft kritisieren.

"Clampdown" begann als Instrumentalstück "Working and Waiting". Passend zu seinem Aufruf, gegen den Status Quo zu rebellieren, passt die Musik, bei der man einfach nicht sitzen bleiben kann, der stampfende Rhythmus ist zu mitreißend. "Clampdown" zeigt einem wie weit man mit Minimalismus doch kommen kann.

Was wäre passiert, wenn Paul Simonon, seines Zeichen Bassist von The Clash, die Arbeit an "The Guns Of Brixton" aufgegeben hätte? Klare Antwort: Einer der besten Clash-Songs wäre nie zu Ende geschrieben, geschweige denn aufgenommen worden. Zum Glück ist uns dieses grausige Schicksal nicht widerfahren, denn Joe Strummer machte damals seinem Bandkollegen Mut, an diesem Song weiter zuschreiben, mit Erfolg! Aber Simonon schrieb das Lied nicht nur, sondern sang es auch ein. Wie auch andere Lieder auf "London Calling" weist "The Guns Of Brixton" einen starken Reggae-Einfluss auf. Auch wenn man nicht in Brixton aufgewachsen ist und die Aufstände miterlebt hat, kann man doch die Szenarien nachvollziehen, so verständlich und leicht zugänglich ist der Text.

Nach "The Guns Of Brixton" wird man von "Wrong 'Em Boyo", etwas hart aus seiner nachdenklichen Laune gekickt. Aber man findet sich auch schnell wieder in diesen Song ein, der einen Aufguss der Stagger-Lee-Geschichte darstellt. Auch hier merkt man, dass die Band mal wieder in Richtung Ska/Reggae gekommen ist. Im Großen und Ganzen ist das Leid nicht unbedingt ernst gemeint ("I'm gonna have to lease Me knife in your back"). "Death Or Glory" überzeugt mit einem Refrain bei dem man einfach mitsingen möchte, aber auch die Melodie ist eingängig, obwohl in einem großem Maß abwechslungsreich. "Koka Kola" handelt von Kokain-Missbrauch bei Leuten, die z.B. an der Wall Street arbeiten. Die Kommerzialisierung wird mit Wortspielen zu Coca Cola eingebracht; vielleicht ein Grund warum "Koka Kola" so Jingle-mäßig klingt.

Um einen volleren Klang zu erhalten, nahmen The Clash für "The Card Cheat" alles zweimal auf. Das Lied ist der einzige Song auf dem Album, bei dem man (zu Recht) sagen kann: Das hat, musikalisch gesehen, nichts mehr mit Punk zu tun. In der Tat, klingt "The Card Cheat" sehr schmalzig und ist der schwächste Moment auf "London Calling".

Das ironisch angehauchte "Lover's Rock" könnte man am Anfang noch für einen fehlgeschlagenes Liebeslied halten, aber schon bald danach wird einem klar, dass Joe Strummer und seine Crew einem eine mit sarkastischem Unterton unterlegte Unterrichtsstunde über Verhütungsmittel halten und nebenbei subtil anprangern, dass Menschen nicht gewissenhaft mit dem Thema umgehen. "Four Horsemen" stellt zwar mit seiner einfachen Struktur eine nette Abwechslung dar, ist aber kein Juwel auf dem Album. Umso mehr zu überzeugen weiß aber das darauf folgende Lied "I'm Not Down". Bei diesem Lied rückt die Gitarre stark in den Vordergrund und darf auch ein bisschen herumexperimentieren, das Ganze wird auch brav mit Erfolg gekrönt: "I'm Not Down" ist eines der besten Lieder auf "London Calling", denn es besticht durch seine Steh-Auf Mentalität.

"Revolution Rock" ist eines der Lieder, die einen Ausflug ins Reggae-Land machen, aber zum Glück hat ein bisschen Urlaub noch keinem geschadet, im Gegenteil, "Revolution Rock" bietet Auflockerung und Erfrischung vom Feinsten und beweist, dass The Clash auch bei anderen Musikstilen Meister sind.

"London Calling" schließt ab mit "Train In Vain". Dieses Lied ist ein ruhigeres Stück Pop über die Gefühle des Schlussmachens, gesungen von Mick Jones. Es kommt einem ein leicht merkwürdig vor, dass ein eher politisches Album mit einem Herzschmerz-Lied aufhört, aber "Train In Vain" raubt "London Calling" kein bisschen die Glaubwürdigkeit.

Fazit

The Clash hat mit "London Calling" definitiv Musikgeschichte geschrieben. Das Album verdient auch zweifellos in verschiedenen Rankings der "Besten Alben der letzten 100 Jahre" etc. aufzutauchen, aber der Grund dafür ist nicht Vollkommenheit (obwohl dazu nicht viel fehlt), der Grund ist die Vielfältigkeit, die jedes Lied einzigartig und unverzichtbar macht, weil kein anderes den Platz dafür einnehmen könnte. Ob "London Calling" noch Punk ist, kommt darauf an, wie der Betrachter (oder eher Zuhörer) Punk definiert. Musikalisch gesehen, sind natürlich viele Punk-Elemente vorhanden, auch wenn sie nicht so deutlich herausstechen wie beim rotzigen Debütalbum. The Clash hat hier ihre politische Meinung zu den verschiedensten Themen deutlich gemacht und das Endergebnis sollte in keinem CD-Regal fehlen.

Anspieltipps

London Calling

Lost In The Supermarket

Spanish Bombs

I'm Not Down

The Guns Of Brixton

Artistpage

TheClash.com

MySpace-Profil

Tracks

1.London Calling
2.Brand New Cadillac
3.Jimmy Jazz
4.Hateful
5.Rudie Can't Fail
6.Spanish Bombs
7.The Right Profile
8.Lost in the Supermarket
9.Clampdown
10.The Guns of Brixton
11.Wrong 'Em Boyomit Stagger Lee
12.Death or Glory
13.Koka Kola
14.The Card Ch
15.Lover's Rock
16.Four Horsemen
17.I'm Not Down
18.Revolution Rock
19.Train in Vain

Ameli H. - myFanbase
05.07.2010

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