Deleted Scenes from the Cutting Room Floor
Manchmal ist es erstaunlich, wie wichtig der Zufall ist. Zwei niederländische Produzenten brauchten vor vier Jahren schnell einen Ersatz für eine Demosängerin, um einen Titel für einen japanischen Pop-Act einzusingen. Jener Ersatz hieß Caroline Esmeralda van der Leeuw, jener Song "Back It Up". Jener Song gefiel jener Sängerin so gut, dass sie ihn danach auf eigenen Auftritten sang. Von jenen Auftritten bekam ein lokaler TV-Sender mit und lud Caroline ein, jenen Song in einer Show zu performen. Bei den Zuschauern kam jener Song so gut an, dass jene Sängerin sich ermutigt sah, für YouTube einen eigenen Clip zu drehen. Jener gefiel den Zuschauern wiederum so gut, dass die Produzenten von vor einem Jahr wieder auf jene Sängerin und jenen Song aufmerksam wurden und ein eigenes Label gründeten, um eine komplette Platte zu produzieren.
Manchmal ist es auch erstaunlich, wie ein Debütalbum einschlägt. In den Niederlanden hat "Deleted Scenes From The Cutting Room Floor" mit 29 (nicht aufeinander folgenden) Wochen auf Platz 1 der Albumcharts Michael Jacksons "Thriller" vom Thron gestoßen. 250.000 Kopien der Platte wurden bereits verkauft, fünffach Platin wurde somit eingeholt und in vielen anderen Ländern Europas wurde sie nun auch veröffentlicht. Die zweite Single "A Night Like This" erreichte den zweiten Platz der holländischen Singlecharts, lief in einer Werbung von Martini, in Deutschland in einer für sixx und schaffte hier Platz 27. Tja, es ist doch immer wieder schön, wenn Menschen gute Musik erkennen.
Interessant ist, welche Musik Caro Emerald – so ihr kürzerer Künstlername – überhaupt macht. Retro-Pop könnte man es knapp nennen, aber in die Kategorie fallen derzeit ja viele. Die einzige, die Jazz und Swing in modernen Sound mischt, ist Caro auch nicht. Aber Mambo und Tango als deutlich hörbare Einflüsse und Fundamente von Popsongs ist mal was Neues! Das lässt aufhorchen, das ist erfrischend und das macht daher Spaß.
Es ist nicht wirklich einleuchtend, warum die zwölf Stücke laut Albumtitel aussortiert werden sollten, doch immerhin macht der Bezug zur Filmwelt Sinn: Man kann nämlich gar nicht anders als bei jedem Lied das Kopfkino anzuschalten. So sieht man zum Opener "That Man" junge Ladies in kurzen Puffröcken eine Kür auf dem Parkett tanzen, während ein Mann namens Joe oder Sam die Finger auf dem Flügel rauf und runter tanzen lässt und die Big Band ordentlich ins Blech bläst. Den Geruch von Bourbon meint man in "Just One Dance" zu riechen, während man die Sängerin durch den Tabakrauch in der alten Bar ähnlich schwer erkennen mag, wie Trompete und Hammond-Orgel im Hintergrund gekonnte Nuancen setzen. Das Flair der nie untergehenden Sonne vermittelt das fluffige "Rivera Life", "I Know That He's Mine" entführt mit Akkordeon, Fidel und einer entzückenden Chanson-Melodie kurz mal nach Frankreich. Und in "You Don't Love Me" und "Dr. Wanna Do" sieht man King Louie aus dem "Dschungelbuch" direkt neben Miss Emerald jammen. Die Lieder vermitteln allesamt mit ihren eingängigen Hooks, tanzbaren Rhythmen und kleinen Details eine herrliche Stimmung. Die 40er und 50er Jahre haben es also erfolgreich ins 21. Jahrhundert geschafft.
"Absolutely Me" ist mit seinen jazzigen Fanfaren und dem gescratchten Beat der perfekte Mix aus den Stärken von Vergangenheit und Gegenwart. "Stuck" bekommt diesen Spagat leider nicht so gut hin und klingt zu modern. Das triphoppige "The Other Woman" könnte man sich einerseits in einem Film Noir, andererseits in einem Tarantino-Streifen vorstellen – ein Kontrast, der das Problem des Stücks deutlich macht: Das hätte nämlich gut und gerne sexier und vor allem verruchter daherkommen können. In "Dr. Wanna Da" bekommt die studierte Jazzsängerin die Laszivität besser hin (darf aber auch verspielter sein), im Schlusstrack "The Lipstick on His Collar Doesn't Seem to Match Mine" das Schwermütige (und macht es damit perfekt für den nächsten Tarantino). So klingt es zu oberflächlich, zu verspielt und zu Möchtegern-Winehouse.
Es ist erfreulich, dass dies nur ein Ausrutscher ist. Anders als Leute wie Duffy, Adele oder Gabriella Cilmi liefert die 29-Jährige nämlich eine alt und neu verbindende Platte auf einem ähnlich hohen Niveau wie Corinne Bailey Rae, Jamie Cullum oder Fiona Apple ab. Und mit einer Leichtigkeit, die tatsächlich an Lily Allens Debüt erinnert.
Fazit
Manchmal ist der Zufall wohl Schicksal. Manchmal passen früher und heute, nah und fern. Und das ist bereichernd. In Caro Emeralds Fall sind das zwölf Perlen voll Charme, Lässigkeit und Feuer, die Gott sei Dank nicht aussortiert wurden.
Anspieltipps
That Man
Back It Up
Absolutely Me
A Night like This
The Lipstick on His Collar
Artistpage
Tracks
1. | That Man | |||
2. | Just One Dance | |||
3. | Riviera Life | |||
4. | Back It Up | |||
5. | The Other Woman | |||
6. | Absolutely Me | |||
7. | You Don't Love Me | |||
8. | Dr. Wanna Do | |||
9. | Stuck | |||
10. | I Know That He's Mine | |||
11. | A Night like This | |||
12. | The Lipstick on His Collar |
Micha S. - myFanbase
27.04.2011
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 01.02.2011Genre: Pop, Jazz
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