The Sea
Die kann was. Da waren sich doch schon immer alle einig, oder? Zu Spice-Girls-Zeiten merkten sogar die unmusikalischsten Hörer: Sporty Spice ist die Beste. Sie sang die schwierigsten Parts. Ihre starke und markante Stimme trug die Songs. Auch wenn wohl alle Fünf auf unterschiedliche Art für die Bühne geboren wurden, war sie doch die professionellste Performerin. Sie war ja auch auf der Hochschule für Darstellende Kunst und so. Also. Logisch.
Als die Mädels dann alle solo gingen, war es keine Überraschung, dass Mel C den meisten Erfolg einfuhr. Und zudem an allem, was sie sang, mitschrieb. Ihr Debüt hatte auch richtig gute Hits - wobei die besten Songs die mit britisch-grungiger oder chillig-melancholischer Attitüde waren. Von denen wollte das Mädel dann auf ihrem zweiten Album auch mehr bringen, ihr Label aber letztlich nicht. Album Nr. drei machte sie dann mutig im Alleingang und im rockig-rauen Stil – und das richtig gut! Der Nachfolger wollte in eine ähnliche Kerbe schlagen, war dabei aber viel zu glatt poliert. Gespannt kann man nach ihrer Babypause, der Reunion-Tour und einem Theater-Gastspiel nun zwölf neuen Titeln lauschen, die ihrer Aussage nach so vielseitig wie "Northern Star" damals sein sollen. Das klingt verheißungsvoll – dass sie vor dem Arbeitsbeginn an der Platte noch gar nicht wusste, wohin sie mit ihr will, und einfach mal experimentieren wollte, allerdings nicht so recht.
Und so wird man schon nach fünf Sekunden stutzig. Eingerahmt wird das Album (zumindest dessen deutsche Ausgabe) von zwei Disco-tauglichen Titeln, die gleichzeitig die zwei ersten Single-Vorboten waren – so was gab's von Melanie C seit den Spice Girls nicht mehr zu hören. Ob man sie dafür mutig nennen kann, ist aufgrund des aktuellen Elektro-Trends mehr als fraglich. Wurde hier vielleicht ganz kalt und erfolgsgeil kalkuliert? Keine Frage: Beide Nummern gehen ins Ohr, machen Laune. Doch bleiben wir doch mal ganz kaltherzig: So was ist seelenloser Radiomüll. Katy Perry kann das genauso, ist dabei aber glaubwürdiger und erfrischender als eine 37-jährige Mama. Gleiches gilt für "Stupid Game". Der Staccato-Beginn von "Think About It" erinnert zudem verdächtig nach P!nks "Raise Your Glass" und das Frauen-Fußball-WM-Thema des ZDF "Rock Me" klingt im Vergleich (weil deutsche Produktion?) etwas billig.
"Burn" und "Drown" sind ebenso Synth-Pop, klingen für junge Hörer sicher sehr nach Leona Lewis, ältere werden aber vielleicht ein kleines Stück an Melanies Hitsingle "I Turn to You" erinnert werden, die ebenfalls mit chillig-atmosphärischen Dance-Sounds zu gefallen wusste. Balladeske Titel hat es jedenfalls drauf, das sportliche Mädel, daher gefallen auch das akustische "One By One" und "Beautiful Mind" zwischen E-Gitarren und Streichern.
"Get Out of Here" rutschte von der britischen auf die deutsche Version sieben Positionen nach vorne. Zu Recht, denn es stellt den herausragendsten Track und Mels erstaunlichste Gesangsleistung über einem swingenden und treibendem Band-Orchester dar, das an das (ebenfalls grandiose) "Feeling Good"-Cover von Muse erinnert. Danach wäre eigentlich "Enemy" kommen, ein achtminütiges Epos, dass für die deutsche CD aber leider gestrichen wurde. Stattdessen folgt hier das viel zu seichte "Weak". Wie man es besser macht, zeigt der Titelsong: Über einem atmosphärischen Hintergrund singt Melanie zart, aber intensiv. Schade, dass das Stück mitten ins Album versetzt wurde und nicht der stimmungsvolle Opener blieb, als der es hörbar konzipiert wurde. Vorurteile hin oder her – mit dem ehemaligen Spice-Girls-Produzenten und -Songschreiber Biffco hat sie immer noch einen fähigen Mann an ihrer Seite!
Ersatz für die Spielzeit von "Enemy" ist übrigens neben der ZDF-Fußballhymne "Let There Be Love", ein Cover von Rosenstolz' Erfolgstitel "Liebe ist alles". Nach wie vor ein schönes Stück Musik, nahe am Original gehalten, das die Britin nicht schlecht singt, letzten Endes aber einfach AnNa R. gehört. Nicht schlecht, aber eben auch nicht mehr ist "All About You", von dem man mehr erwarten konnte – schließlich stammt es von Robbie Williams' Ex Guy Chambers und Leuten, die an Rihannas "Russian Roulette" und Avril Lavignes "Complicated" beteiligt waren.
Fazit
Ähnlich wie nach dem Vorgänger muss man resümieren: Frau Chisholm macht netten Pop, ist vielseitig und somit nicht langweilig. Die wirklich guten Stücke sind aber die, die mit Britpop und alternativeren Klängen experimentieren. Und davon bringt sie leider zu wenig, um einen ähnlichen Hörgenuss wie "Beautiful Intentions" vor sechs Jahren zu bieten. Talent und Potential blitzen immer wieder auf. Doch wo sind der Mut und der Fokus, nur Musik mit Seele, Niveau und Gehalt zu machen? Sie kann es doch eigentlich.
Anspieltipps
Think About It
Burn
Get Out of Here
The Sea
Artistpage
Tracks
1. | Think About It | |||
2. | Burn | |||
3. | Get Out of Here | |||
4. | Weak | |||
5. | Stupid Game | |||
6. | Let There Be Love | |||
7. | Drown | |||
8. | All About You | |||
9. | The Sea | |||
10. | Beautiful Mind | |||
11. | One By One | |||
12. | Rock Me |
Micha S. - myFanbase
11.10.2011
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 02.09.2011Genre: Pop
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