Bewertung
Burlap to Cashmere

Burlap to Cashmere

1998 hatte es "Wums" gemacht. Da platzte nämlich eine Band namens "Burlap to Cashmere" in die Musikszene Nordamerikas und sorgte für Furore. Es hagelte überschwängliche Kritiken, entsprechend wurde die Gruppe mit Preisen geehrt, und das Wichtigste: Die Hörer waren dermaßen begeistert vom Debüt "Anybody Out There?", dass es fast schon unheimlich wurde. Album und Band wurden regelrecht glorifiziert. Da hingen natürlich die Erwartungen an ein zweites Album riesig hoch. Doch es kam keins.

Foto: Copyright: Essential Records/Gerth Medien
© Essential Records/Gerth Medien

1998 hatten sieben Musiker richtig Feuer unter'm Hintern. Vielleicht aufgrund ihrer griechischen Wurzeln, vielleicht wegen ihres jungen Alters, vielleicht einfach aus dem Spaß an der gemeinsamen Musik, vielleicht wegen alledem und noch viel mehr. Die Jungs um die Cousins Steven Delopoulos und Johnny Philippidis machten einen innovativen Sound, der sich vor allem im griechischen Folk bediente und diesen mit akustischm Poprock mischte. Das klang dann nach mediterraner Sonne, nach Zigeunerleben und Piraten. Das war unvergleichlich im Stil, aber auch in der Leidenschaft und eben auch im künstlerischen Niveau. Live war das noch ansteckender und so tourten die Kerle dauerhaft. Und ein neues Album ließ darum auf sich warten.

2011 hat das Warten nun ein Ende. Nach diversen Ausstiegen, Neustarts und abgebrochenen Aufnahmen nach einem fast tödlichen Unfall von Bandgründer Johnny besteht die Combo nun aus drei Originalmitgliedern. Weiterhin klingen sie weniger poppig als Santana, mehr nach World Music als Cat Stevens und weniger danach als die Gipsy Kings, weniger funkig als Newworldson, aber feuriger als Mumford & Sons. Stevens Stimme ist genauso markant wie vor 13 Jahren, perfekt für das Gypsy-Feeling und an den zarten und tiefen Stellen herrlich melancholisch. Johnnys impulsives Gitarrenspiel und Theodore Paganos lebhaftes Trommeln sind die zwei weiteren Pfeiler für den charakterischen Stil und stehen oft genauso im Vordergrund wie der in einem Take eingesungene Lead-Gesang.

Nach dem eingängigen Opener "Don't Forget to Write" folgt sofort der herausragendste Titel: "Build a Wall" klingt mit seiner tiefen, abgehakten Melodie fast wie ein Nick-Cave-Song, unterstützt von den Flamenco-Rhythmen und Rufen im Hintergrund dann schon fast wie ein für einen Tarantino-Streifen maßgeschneiderter Song voller Drive und Atmosphäre.

Alle anderen Lieder sind – anders als auf dem Erstling – von der ruhigen Art, mal sehr balladesk ("Tonight"), mal spärlich instrumentiert und Simon-&-Garfunkel-like von zweiter Stimme unterstützt ("Love Reclaims the Atmosphere"), mal ruhig und einfach wie für's Lagerfeuer ("The Other Country"). Das ist alles schön und gut, griechische Volksmusik und Latin Flair mit akustischem Si/So-Klängen zu verbinden, ist definitiv was Besonderes und unterhält. Gefühle und Stimmung werden transportiert und lassen die Songs dementsprechend auch beim Zuhörer ankommen. Aber es ist eben anders als das, was man von B2C erwartet hatte. Und nicht nur das (denn das wäre an für sich kein Grund für ein negatives Urteil), es fehlt eben auch immer wieder diese 130-prozentige Leidenschaft des Debüts, die an allen Ecken und Enden rüberkam. Hier sind's nur 80 Prozent. Da wird nicht nur im Vergleich was vermisst, das wäre auch ohne die Vorlage des Vorgängers aufgefallen, der vermutlich tatsächlich ein Geniestreich war, der nicht wiederholt werden kann. Knaller wie "Digee Dime", "Basic Instructions" und "Eileen's Song" sind hier nicht zu finden. Songs auf dem Niveau anderer 98er-Tracks vereinzelt schon. Den Rest muss man dann leider Durchschnitt nennen.

Fazit

2011 hat man nun drei Möglichkeiten, mit den wiedergekehrten Kaschmir-Künstlern umzugehen: Man kann um die gute alte Zeit trauern und das vorliegende Album verdammen. Man kann es akzeptieren und dankbar für die geniale Musik des Debüts sein. Oder man kann die selbstbetitelte Platte lieben lernen, sich an kreativen Einfällen hier und da freuen und Burlap to Cashmere 2011 neu für sich definieren. Wie auch immer man sich entscheidet: Wie auch die Soloalben von Sänger/Songschreiber Delopoulos sind die elf Titel schöne Hintergrundmusik im Wohnzimmer, ein passender Soundtrack für den Sommer und live sicherlich tolle Werkzeuge zur Präsentation der großartigen Fähigkeiten der drei Musiker. Auf Platte präsentiert "Anybody Out There?" diese nach wie vor besser. Vielleicht für immer.

Anspieltipps

Don't Forget to Write

Build a Wall

Love Reclaims the Atmosphere

Seasons

Artistpage

BurlapToCashmere.com

Tracks

1.Don’t Forget to Write
2.Build a Wall
3.Tonight
4.Love Reclaims the Atmosphere
5.Closer to the Edge
6.Orchestrated Love Song
7.Live In a Van
8.Santorini
9.Hey Man
10.Seasons
11.The Other Country

Micha S. - myFanbase
23.10.2011

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