Ivy
Ende November gewann Deutschland seinen Glauben zurück. Den Glauben an die gute Musik und dass die im Fernsehen doch noch gesucht wird. Auf ProSieben und in Sat.1 erlebte man da wie am Fließband Sänger und Sängerinnen, von denen es bei "X-Factor" oder Stefan Raab nur hin und wieder welche gibt und die bei "Popstars" oder "DSDS" mittlerweile sehr schwer zu finden sind. Die Sendung hieß "The Voice of Germany" und entsprechende Talente Nina Kutschera, Percival Duke, Rino Galiano, Rüdiger Skoczowksy... und Ivy Quainoo.
Die kommt aus Berlin, ist 19-jährige Abiturientin und hatte zuvor kaum Bühnenerfahrung. Doch egal ob sie Estelles "American Boy", Britney Spears' "Toxic" oder "Hard to Handle" von Otis Redding sang, sie bestach Coaches, Zuschauer und die nötigen Anrufer. Über all die Wochen ist sie die einzige Kandidatin gewesen, die jedes Mal von den Zuschauern in die nächste Runde gewählt wurde. Kein Wunder, dass sie dann mit einem Drittel aller Stimmen Show und Plattenvertrag gewann. So weit, so gut. Dass das Debüt dann aber gerade mal drei Wochen nach dem Finale erscheint, ließ die Erwartungen an selbiges dann ziemlich in den Keller sinken, gab es doch in zehn Jahren Castingwahn viel zu viele Platten-Schnellschüsse.
Gleich vorneweg: Ein solcher ist die selbstbetitelte Scheibe nicht. Dafür ist die erste Single "Do You Like What You See" eine zu gute Bläser-getränkte James Bond-Hommage, "Break Away" eine zu gute Gänsehaut verursachende Power-Ballade und "You Got Me" bringt mit kratzigen Beats und groovendem Background-Chor das Soul-Feeling der 70er so gut rüber wie vielleicht kaum eine deutsche Produktion.
Auch das druckvolle "Glass Houses" und "Walk Man" mit seinen an Stefanie Heinzmann ("Roots to Grow") erinnernden frechen Motown-Klatschern sind Titel über dem Durchschnitt. Ebenso die ruhigen Nummern "Richest Girl" und "Soul Suckers" - in ersterer säuselt Ivy ganz dezent und süß vor sich hin, während sie in letzterer, übrigens ein Cover von Amos Lee, ihre gefühlvollste Leistung abliefert.
Ein Cover ist auch "Shark in the Water": Die britsche Sängerin und Songschreiberin VV Brown sang bereits diesen catchy Soul-Track, der letztlich aber etwas einfach wirkt. "Pure" gehört ebenfalls in die okaye Ecke, stammt aus der Feder von The-BossHoss-Mitglied ("Do or Die") Sascha Vollmer und damit von einem von Ivys Coaches, klingt mit seinem Elektro-Sound aber vielmehr nach Mousse T.
Ein Titel klingt leider doch nach The BossHoss: Das legendäre Dionne Warwick-Stück "I Say a Little Prayer" mag ja auf einer Platte der Berliner Country-Truppe nett und lustig klingen, wirkt hier aber einfach nur deplatziert und unnötig. Lassen muss man Ivy jedoch, dass sie den Song mit ihrer Duett-Stimme immerhin einigermaßen interessant macht. Es ist wirklich ein generelles Phänomen, welch Präsenz ihre Stimme hat. Auch bei der an die 13 Titel angehängten Live-Collaboration "Shake It Out" mit Florence + the Machine ("Ceremonials") ist mit Einsatz ihrer Stimme die Aufmerksamkeit sofort auf ihr und sie pusht die an für sich schon starke Nummer noch mehr.
Vielleicht ist es das, was sie so schnell zum Zuschauerliebling machte: Auch wenn Ivy zu Beginn der Shows eher zurückhaltend wirkte, ging sie, sobald sie sang, auf und strahlte Selbstbewusstsein und Sicherheit aus. Ausdrucksstärke, Markanz und Facettenreichtum – all das vereint die schwer zu vergleichende Stimme der jungen Sängerin. Lieder wie das banale "Whatever You Do", das langweilige "You Can't Put a Price on Love" und das unspektakuläre "Castles" sind umso mehr eine Verschwendung.
Fazit
Ivy Quainoo ist tatsächlich eine der Stimmen Deutschlands. Auch wenn solch eine fähige Interpretin mehr als nur ein paar Wochen Arbeit an ihrem Album verdient hat und sie Musik auf dem Niveau einer Joss Stone ("Mind, Body & Soul"), Jill Scott oder Adele ("21") machen könnte, so reiht sich ihr Erstling doch ganz flugs neben Florence Joy und Vanessa Petruo in die Reihe der wenigen guten Alben von gecasteten Künstlern ein und macht Hoffnung auf einen mit mehr Bedacht und Fokus entwickelten Nachfolger.
Anspieltipps
Do You Like What You See
Break Away
Walk Man
You Got Me
Soul Suckers
Artistpage
Tracks
1. | Do You Like What You See | |||
2. | Shark in the Water | |||
3. | Break Away | |||
4. | Walk Man | |||
5. | You Got Me | |||
6. | I Say a Little Prayer | featuring The Bosshoss | ||
7. | Whatever You Do | |||
8. | Glass Houses | |||
9. | You Can’t Put a Price on Love | |||
10. | Richest Girl | |||
11. | Castles | |||
12. | Pure | |||
13. | Soul Suckers | |||
14. | Shake It Out (live) | featuring Florence + the Machine |
Micha S. - myFanbase
01.04.2012
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 02.03.2012Genre: Soul, Pop
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