Bewertung
Overtones, The

Gambling Man

Vor den Backstreet Boys, Take That und NKOTB und sogar vor den Bay City Rollers, den Beatles oder den Monkees, da gab es bereits Boybands. In der Blütezeit des sogenannten Doo Wops tummelten sich zumeist auf Amerikas Bühnen Bands, die aus vier oder fünf jungen Männern bestanden. Typisch für diesen Stil der 50er Jahre war der intensive Gebrauch von Nonsens-Silben wie "Shoobidoo" oder eben "Doo Wop" sowie der prägnante Einsatz des Basses. Nun, in der Post-Amy-Ära, wo gar Sasha, Anastacia (auf "Heavy Rotation") und eine Girlgroup wie Queensberry (z.B. mit "No Smoke") sich im Motown-Soul bedienen, Glees Warblers den A-capella-Sound der Barbershop Quartetts wiederauferstehen ließen und Robbie Williams persönlich einen Doo-Wop-orientierten Track ("You Know Me") bringt, ist der Erfolg einer Doo Wop machenden Boyband nur logisch.

Foto: The Overtones - "Gambling Man" - Copyright: Warner Music Entertainment
The Overtones - "Gambling Man"
© Warner Music Entertainment

Und die heißt The Overtones, besteht aus Engländern, Iren und einem Australier um die 30 und entstand im Vereinten Königreich. Bereits vor zwei Jahren erschien dort deren Erstling "Good Ol' Fashioned Love", das ein Jahr später mit ein paar Bonus-Coverversionen angereichert wiederveröffentlicht wurde und zweiterfolgreichstes Debüt des Jahres wurde. Wieder ein Jahr später und dank eines Werbevertrags mit RTL NITRO erreichen die fünf Jungs in unserem Land nun höhere Platzierungen als in der Heimat.

"Gambling Man", so der Titel der #16-Single und verkaufsfördernder Weise ebenso der der deutschen Albumausgabe, ist aber auch ein starker Ohrwurm, der mit seinem Motown-Beat und seiner Brass-Section Laune macht und die Füße animiert. Die anderen fünf Neukompositionen, an denen auch die Sänger mitschrieben, können mit "zockenden Mann" nicht mithalten, sind aber mit Ausnahme vom Füller "Carolyn" gute Genre-Adaptionen, die den alten Stil mit Schnipsern, "Dum dum"-Bass", scheppernden Becken und allgegenwärtigen Bläsern in die heutige Zeit transportieren. Dass das blankpolierter als damals klingt, ist logisch und kann nur live durch ihre charismatische und mitreißend choreographierte Vorstellung wettgemacht werden.

Die Coverstücke von The Chords, Five Satins oder Frankie Lymon & the Teenagers kommen entsprechend besser an. Titel wie "In The Still of the Night", "Sh-Boom" oder auch Billy Joels Doo-Wop-Nachlieferung "The Longest Time" aus den 80ern besitzen einfach seit Jahrzehnten das gewisse Etwas.

Clever und treffend sind aber auch die Adaptionen von alten Songs, die bisher in anderen Musikgenres zu Hause waren, etwa Dionne Warwicks "Don't Make Me Over" aus den 60ern oder die einstige Countryballade "Have I Told You Lately That I Love You" von Lule Belle and Scotty. Einziger Fehlgriff bleibt "We Can Work It Out" von den Beatles, das für ein souliges Arrangement schlicht nicht gemacht ist.

Vier Radiohits aus den letzten zwei Jahren wurden ebenfalls umgearbeitet. Während "Forget You" und "Beggin'" (von "So Dark the Con of Man") der Drive von Cee Lo Green bzw. Madcon fehlt, haben das jazzige Rihanna-Vehikle "Only Girl" (für die zwei Heteromänner in der Band extra umgetextet) und Adeles "Rolling in the Deep" (aus "21") tatsächlich etwas. In letzterem schafft Leadsänger Tim zwar nicht, die Songschreiberin stimmlich zu toppen, lost aber auch nicht ab. Manch anderen Titeln der Platte hätte solch eine Portion Gefühl gut getan, wirkt Tim doch stellenweise etwas zu glatt. Bass Lachie weiß da mehr zu glänzen, was diese Stimmlage aber einfach mit sich bringt.

Fazit

Der Bass sticht heraus, die restlichen vier Stimmen dürften manchen Hörern zu sehr boygroup sein: Nicht dünn oder schlecht, aber halt hoch und ein wenig schmalzig. Die Harmonien der adretten Herren sind aber durchgängig großartig und der modern arrangierte und aufgenommene Doo Wop bzw. Motown-Soul eine faszinierende Angelegenheit. Da ist es dann auch egal, ob man die Bandgeschichte der singenden Dekorateurfirma, die einem 60er-Jahre-Film entsprungen sein könnte, glauben mag oder nicht.

Anspieltipps

Sh-Boom

Gambling Man

Come Back My Love

The Longest Time

Don't Make Me Over

Artistpage

TheOvertones.tv

Tracks

1.Second Last Chance
2.Sh-Boom
3.Gambling Man
4.Come Back My Love
5.Say What I Feel
6.Carolyn
7.The Longest Time
8.Good Ol' Fashioned Love
9.Blue Moon
10.Have I Told You Lately That I Love You
11.In The Still of the Night
12.Don't Make Me Over
13.Whoops
14.Goodnight Sweetheart, Goodnight
15.Why Do Fools Fall In Love
16.Only Girl (In the World)
17.Rolling In the Deep
18.Beggin'
19.Forget You
20.We Can Work It Out

Micha S. - myFanbase
14.05.2012

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