Bewertung
Paloma Faith

Fall to Grace

Großartige Stimme, nette Retropop-Stimmung, pompöse Instrumentierung und substanzlose Kalkuliertheit – so beschrieb mein Kollege treffend das nun drei Jahre alte Debüt der Paloma Faith Blomfield. Das war nicht so schlecht, wie dieser es bewertete, sondern schön ohrwurmfreundlich und knackig (6/9 hätte ich gegeben), aber es fehlten Emotion und Tiefgang. Die Ankündigung der Britin vor einem Jahr, ihr nächstes Album hätte mehr "Qual und Leid" als Thema, ließ dann etwas hoffen. Dass das Cover, vor allem in der Deluxe-Version, deutlich düsterer als das des Vorgängers ausfällt, könnte ein entsprechendes Zeichen sein.

Foto: Paloma Faith - "Fall to Grace" - Copyright: RCA Int.
Paloma Faith - "Fall to Grace"
© RCA Int.

Ist es aber nicht. Die Pianoballade "Just Be" ist die große Ausnahme und zeigt, dass die bald 27-jährige zumindest in den ruhigen Gefilden was rüber bringen kann. Alle anderen Stücke leiden entweder an der gleichen Krankheit wie die 10 Stücke von "Do You Want the Truth or Something Beautiful?" oder sind schlicht langweilig und damit definitiv ein Rückschritt. "Beauty of the End" beispielsweise läuft und wird vergessen. "Agony" hat eine tolle an Lana Del Reys "Video Games"-Stimmung (aus dem Album "Born to Die") erinnernde Strophe und verliert dann im Refrain total. "When You're Gone" macht durch seinen druckvollen Beat aufmerksam, bringt das interessant flanierende Klavier dann aber zu leise. Alex-Clare-artiger Soundteppich ("The Lateness of the Hour") und Klatscher sind interessante Zutaten von "Let Me Down Easy", das letztlich aber zu eintönig bleibt.

Dunkle Stimmungen, Alex-Clare-Elektronik und druckvoller Beat – Kenner des Erstlings werden merken, dass die Halbspanierin sich aus der souligen Winehouse-Ecke gewagt hat. Manchmal funktioniert das auch: Der Mix aus Elektrobeats und Gospel ist zwar eigentlich Emeli Sandés Terrain, macht aber auch mit Paloma Spaß und wirkt nicht so seelenlos wie anderes elektrobasiertes Material der Platte. Ihre treibenden Vocals und der eingesetzte Hall passen auch zu "Blood, Sweat & Tears", das mit "It takes to imperfect people to dance a sweet ballet" schön an den Titel des Erstlings anknüpft. Aufhorchen lässt auch der gefühlvolle Text von "Black & Blue": "I know people who use chat rooms as confessionals. I know down and outs who once were... once they were professionals."

Wirkliches Gefühl und Leidenschaft bringt die Deluxe Edition der Scheibe mit fünf Akustikversionen, also nur Stimme, Backgroundvocals und Klavier. Während die erste Single "Picking up the Pieces" auch mit Gospelchor und Streichern toll wirkt, tut das neue Arrangement der zweiten Single "30 Minute Love Affair" richtig gut. Im Original klingt das zu elektronisch und zu sehr nach Gwen Stefani, die von Nellee Hooper genauso produziert wurde wie Tina Turners "GoldenEye", Björks "It's Oh So Quit" oder "Nothing Compares 2 U" von Sinéad O'Connor. Der Mann kann also was, genauso wie die vielen Co-Writer Palomas, die in diesem Jahrzehnt ständig für Charthits sorgen. Dass so wenig rumkommt, ist gerade bei dem erhabenen Organ des Rotschopfs wirklich schade.

Fazit

Großartige Stimme, wenig Retropop-Stimmung, pompöse Instrumentierung und harmlose Austauschbarkeit – das Urteil über die zweite Platte der Sängerin, die nebenbei auch schauspielert, fällt somit schlechter aus als das über die erste, die immerhin für Liebhaber von poppiger Eingängigkeit noch etwas zu bieten hatte und nicht umsonst eine halbe Millionen Mal verkauft wurde. Schon komisch, wie Mrs. Faith so wenig Gefühl in den Pomp bringt. Leute wie Florence + the Machine, Annie Lennox ("The Annie Lennox Collection") oder Christina Aguilera schaffen das doch auch...

Anspieltipps

Picking up the Pieces

Black & Blue

Just Be

Blood, Sweat & Tears

Freedom

Artistpage

PalomaFaith.com

Tracks

CD 11.Picking Up the Pieces
2.30 Minute Love Affair
3.Black & Blue
4.Just Be
5.Let Me Down Easy
6.Blood Sweat & Tears
7.Beauty of the End
8.When You're Gone
9.Agony
10.Let Your Love Walk In
11.Freedom
12.Streets of Glory
CD 21.Picking Up the Pieces (Acoustic Version)
2.30 Minute Love Affair (Acoustic Version)
3.Black & Blue (Acoustic Version)
4.Just Be (Acoustic Version)
5.Agony (Acoustic Version)

Micha S. - myFanbase
14.07.2012

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