Bewertung
Sarah Brendel

Before the Mountains

"Was mich an dem Gedanken festhalten lies das Album diesmal komplett selbst zu gestalten, war der Wunsch so zu klingen, wie ich die Musik in mir hörte und instinktiv fühlte, und dabei meinem natürlichen Musikempfinden zu folgen, nicht der Perfektion. Dieses Album aufzunehmen war wie eine Art Selbsttherapie. Ich habe mich von jeglichen Meinungen ferngehalten, um selbst ins Mark der Lieder einzudringen und ihnen jeden mir möglichen Raum zu geben."

Foto: Sarah Brendel - "Before the Mountains" - Copyright: Eisenbahn Records/Gerth Medien
Sarah Brendel - "Before the Mountains"
© Eisenbahn Records/Gerth Medien

Das klingt als wäre Sarah Brendel in den letzten fünfzehn Jahren ein seelenloses Opfer des Musikbusiness gewesen. Falsch. Jede ihrer fünf Produktionen klingt als wäre es zu jener Zeit genau ihr Ding gewesen. Keine klingt seelenlos – im Gegenteil: Sarah schafft es wie kaum eine andere Singer/Songwriterin unseres Landes, authentische Kunststücke mit Tiefgang zu schaffen. Doch so wie jede Musikerin ist auch sie im Laufe ihrer Laufbahn gewachsen und hielt sich nun für fähig, nicht nur für Songwriting, Gesang und das Gitarrenspiel zu sorgen. Und so findet man sie in dem in Buchform und mit vielen Zeichnungen versehenen Booklet als Produzentin, Aufnahmekraft, Mischerin und sogar Grafikerin aufgeführt. Begleitet wurde sie dabei vor allem von Arno Jordan, der ebenso wie viele andere Künstler mit ihr seit drei Jahren im Schloss Röhrsdorf bei Dresden lebt. Weitere Mitglieder dieser Künstlerkommunität sind auf "Before the Mountains" zu hören oder an der PR beteiligt – ohne sie hätte sie sich dann doch verlaufen, so Sarah. Sie seien nötig gewesen, um ihre Lieder zu schmücken.

Auffällig düster sind diese Verzierungen ausgefallen. Melancholisch klangen schon viele Lieder von Frau Brendel, aber so schwermütig wie der Titelsong oder das bluesige "Little Mirror" war sie noch nie. Moll als Tongeschlecht, schlichte Instrumentierung und das oft eingesetzte Cello lassen oft an die großartigen Solowerke von Switchfoot-Frontman Jon Foreman erinnern. Dass düstere Lieder wie "Beat Underneath" dann doch sehr eingängig und rhythmisch klingen, lässt Ähnlichkeiten zu Sixpence None the Richer oder Kate Bush aufkommen. Die vierfache Gewinnerin des Deutschen Rock- und Pop-Preises hatte schon immer zwei große Gaben: Zum einen ihre nicht aufdringliche, aber durchdringende Stimme, die so viel transportieren kann.

Zum anderen: Dass sie nie den üblichen, einfachen Weg des Songschreibens ging, sondern überraschte, experimentierte, den Hörer forderte und die Resultate doch immer schnell ins Ohr gingen. "Think Back" und "What a Happy Life" schaffen das zum Beispiel lockerleicht, und das obwohl ersteres nur die Gitarre als Begleiter hat und letzteres nur zwei Minuten lang ist. In "Think Back" brilliert die zweifache Mutter in bester Liedermacher-Manier mit leichtem, aber tiefem Storytelling. Und "What a Happy Life" ist mit Banjo und Mundharmonika der perfekte Soundtrack für einen Roadtrip und vermittelt ein tolles Gefühl, das auch das charmante One-Cut-Video umsetzt. Erwähnenswert ist auch der kritische Text: "How can we say, we love our neighbours, but reject our enemies while our sister is crying, our brother lays dying and we just sing of an... amazing grace?"

Dann, wenn Sarah sich im Country oder Folk bedient (wie in "Yahweh") oder ihre Lieblingseffekte anwendet, d.h. ihre Stimme verzerrt (wie in "Enter My Door" und im Hidden Track) oder mit sich selbst ins Duett geht (wie in "To Hungry Listeners"), freut man sich über die Kurzweiligkeit ihrer Musik. Vor allem die ruhigen Stücke in der zweiten Hälfte der Platte bergen aber leider wenig Erinnerungswürdigkeit.

Für Sarah stellte die Zeit im Studio oft eine Versuchung dar, nicht "in dem Schlichten, Klassischen zu bleiben, das man sich vorgenommen hat." Vielleicht hätte sie dem üppigen Instrumentieren, Arrangieren und Basteln mehr Raum geben sollen. Andererseits: Auf ihrer "One Day Recordings"-EP hat es wunderbar funktioniert, als sie nur mit Gitarre vorm Aufnahmepult sang und spürbar ihren Helden Bob Dylan und Larry Norman huldigte.

Fazit

Spuren der großen Singer/Songwriter der 60er und 70er Jahren sind in Deutschland selten so deutlich wie bei Sarah Brendel zu hören. Sie schreibt zuerst den Text ihrer Lieder und dann die Melodie. So kommt spürbar Seele in die Musik und sie wirkt noch intensiver und handgemachter. Leider fehlen manchen Titeln ihres sechsten Werks Kraft und Lebendigkeit. Auch wenn man Sarah die neugewonnene Freiheit und ihr Selbstbewusstsein gönnt, braucht der selbsttherapeutische Neustart der Wahl-Dresdnerin wohl noch einen zweiten Anlauf.

Anspieltipps

Beat Underneath

Think Back

What a Happy Life

Before the Mountains

Little Mirror

Artistpage

SarahBrendel.de

Tracks

1.Beat Underneath
2.Think Back
3.What a Happy Life
4.Before the Mountains
5.Dangerous Cities
6.Snow White Fields
7.To Hungry Listeners
8.Enter My Door
9.Yahwe
10.Heartuplifter
11.Little Mirror
12.Read your Mind
13.Out of Skies + Skies
14.Poets
15.Speak Out

Micha S. - myFanbase
13.08.2012

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