Lotus
The Voice eine Sendung, deren Präsenz man derzeit nicht entfliehen kann. In den USA sitzt Christina Aguilera in der Jury und passt perfekt in das Konzept der Show, sind doch ihre Rundungen und Pfunde, die sie seit der Geburt ihres Sohnes nicht mehr wegzubekommen scheint, Dauerthema in der Regenbogenpresse. Doch wenn alle Lästereien verklungen sind, dürfte selbst der härteste Kritiker gestehen, dass die junge Dame einfach eine Bombenstimme hat. Auch um Aufmerksamkeit zu bekommen, aber sicher auch als selbstbewusstes Statement präsentiert sich Christina nun wieder mal nackt auf einem Albumcover und stellt sich damit dem Vergleich mit ihrer Figur aus den "Stripped"-Tagen. Auch dass der Text ihrer ersten Single einen Menschen auf seinen Körper reduziert, passt ironisch in diese Haltung: Letztlich sind alle Oberflächlichkeiten und Äußerlichkeiten egal im Musikbusiness zählt noch immer die Stimme.
Und die hat sie. Die hatte sie, als sie Ende der 90er die Riege der Teeniestars endlich um eine versierte Sängerin erweiterte. Die hatte sie, als sie mit ihrem "Dirrty"-Video nicht nur die prüden Amerikaner schockte. Die hatte sie auch, als sie mit ihrem durch Jazz, Soul und Blues inspirierten "Back to Basics" so manchem Musikkritiker Worte des Lobes entlockte. Und auch, als ihre letzte Platte "Bionic" - wie Label und Verkaufszahlen sagen würden floppte bzw. - wie ich sagen würde missverstanden und unterschätzt wurde, standen die Fertigkeiten ihrer Stimme nie in Frage.
Zwei Jahre nach diesem falsch zusammengestellten und vermarkteten Albumschatz und nachdem sie geschauspielert, ihre Ehe beendet und von einem gewissen Jagger gesungen hat, ist die New Yorkerin nun wieder da. Wie mit jeder Platte präsentiert sie uns selbstverständlich ihr "echtes Ich", hat sich gefunden oder weiterentwickelt oder beides und genießt ihre Freiheit. Zu ihren Wurzeln sei sie zurückgekehrt, sagt sie. Ihre Wurzeln sind nicht "Stripped", sondern ihr selbstbetiteltes Debüt und das war eine gute Pop-Scheibe. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und tatsächlich: Genau das ist "Lotus".
Beginnen tut es vielversprechend: Das Intro kombiniert anmutig gehauchten Gesang mit trance-artiger Soundcollage. Es erinnert an das elektronische "Bionic", passt aber auch zu dem Bild einer sich öffnenden Blume ein guter Übergang also zwischen den zwei Veröffentlichungen. Sie singt von ihrer (Wieder-)Geburt, von Stärke und Schönheit, ein Lied weiter vom Aufstehen und Kämpfen okay, Botschaft angekommen. Jene an "Fighter" erinnernde Message entstammt "Army of Me", einer ihren Zweck als Einheizer erfüllenden Powerhymne, die auch von Katy Perry hätte stammen können.
"Red Hot Kinda Love" erinnert mit seinem dancehalligem Beat und dem hiphoppigen "Woohoo" noch einmal kurz an ihre quirligen Kollaborationen mit M.I.A., Nicki Minaj und Santigold vom Vorgängerwerk und lässt Christina wieder wie eine Gwen Stefani mit Stimme klingen, bevor "Lotus" in der Disco verschwindet.
Sowohl "Make the World Move" als auch die erste Single "Your Body" lassen ordentlich die Trommeln und Becken knallen. Ersteres ist durch seinen Drive, sein Buffalo-Springfield-Zitat und Ceelo Greens Mitwirkung nicht uninteressant und gewissermaßen die funkige Version von "Back to Basic's" stimmungsvoller Gospelnummer "Makes Me Wanna Pray". Obwohl das nachfolgende "Your Body" sich alle Mühe gibt, sieht es dagegen allerdings alt aus. Der Refrain der One-Night-Stand-Proklamation ist ein Ohrwurm, aber "Not Myself Tonight", "Keeps Gettin' Better" und jede zweite Nummer von Katy Perry haben mehr Brisanz und Haltbarkeitsdauer. Das pulsierende "Let There Be Love" ist genau die Dissen-Musik zwischen Trance und Europop, die Rihanna und Perry am Fließband produzieren, hätte so aber von ihnen nicht gesungen werden können Stimme zählt, wieder mal. Den Text sollte man sich wie des Öfteren bei Xtina übrigens nicht zu Gemüte führen.
Niedergeschriebener Tiefgang liest sich auch anders als die Lyrics von "Sing for Me", dennoch funktioniert die Powerballade über die Bedeutung des Singens als Opening Act für die nach den vier großartigen "Bionic"-Zusammenarbeiten mit Singer/Songwriterin Sia heiß erwarteten neuen. Jep, großartige Klavierballade nicht nur mit Power, sondern auch mit Gefühl.
Auch in "Cease Fire" powert die junge Diva enorm. Die monoton eingesungen Strophen funktionieren über dem treibenden Beat wunderbar, die ragga-beeinflusste Bridge ist ein nettes Gimmick, aber der Refrain hat zu wenig. Schade, der Ansatz war da. Von Rihannas Komponisten geschrieben, entsteht der Verdacht, dass der Titel an Christina als zweite Wahl ging. Auch der "Lady Marmelade"-Verweis in "Around the World" kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch jene Nummer für die barbadische Sängerin gedacht war. Neben dem möchtegern-aggressivem Autotune-Stück "Circles" der Tiefpunkt auf Album Nr. 7. Da hätte man besser mal das coole "Shut Up" von der Deluxe Edition stattdessen draufgelassen.
Mit "Best of Me" folgt die wohl vergessenswürdigste Ballade in der Karriere der 31-jährigen Sängerin, mit "Just a Fool" dann die letzte Kollaboration mit einem "The Voice"-Juror. Egal ob sie mit Bocelli, Ladytron oder Rappern sang, Frau Aguilera sucht sich ihre Partner schon immer clever aus - ihre Vielseitigkeit funktioniert und besticht auch in dem schmalzig-bluesigen Duett mit Countrysänger Blake Shelton.
Fazit
The Voice so nannte man Whitney Houston bevor sie in den Drogensumpf gezogen wurde. Christina Aguilera hat es bisher geschafft, sich weder von einem missbrauchenden Vater oder einer Scheidung, noch von dem Druck, dem man als Kinder- und Teeniestar oder durch geistlosen, aber machtvollem Klatsch und Tratsch ausgesetzt ist, runterziehen zu lassen. Im Gegenteil: Sie präsentiert sich immer wieder kämpferisch und gereift und macht ihr Ding. Dieses Ding ist diesmal leider zu (dance)poppig-banal und setzt nicht die Maßstäbe, die ihre letzten drei Werke im Genre der Popmusik gesetzt haben. Die kleine Frau hat besser geschriebenes und mutiger arrangiertes Songmaterial verdient, das sie mit ihrer großen, unverwechselbaren Stimme noch höher pushen kann. Denn die hat sie.
Anspieltipps
Army of Me
Red Hot Kinda Love
Make the World Move feat. Cee Lo Green
Sing for Me
Blank Page
Artistpage
Tracks
1. | Lotus Intro | |||
2. | Army of Me | |||
3. | Red Hot Kinda Love | |||
4. | Make the World Move | featuring CeeLo Green | ||
5. | Your Body | |||
6. | Let There Be Love | |||
7. | Sing for Me | |||
8. | Blank Page | |||
9. | Cease Fire | |||
10. | Around the World | |||
11. | Circles | |||
12. | Best of Me | |||
13. | Just a Fool | mit Blake Shelton |
Micha S. - myFanbase
25.12.2012
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (US): 13.11.2012Veröffentlichungsdatum (DE): 09.11.2012
Genre: Pop, Dance-Pop
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