Bewertung
Sebadoh

Defend Yourself

Man behauptet, Lou Barlow trage sein Herz auf der Zunge. Diese Formulierung ist noch eine Untertreibung: Ausgerechnet auf dem ersten Sebadoh-Album seit 14 Jahren verarbeitet er seine Scheidung nach 25 Ehejahren, schreibt darüber schonungslos ehrliche Songs und verpackt diese in schnörkellosen Indierock, der so klingt, wie sich sein Herz wohl jetzt anfühlt: zerschunden.

Foto: Sebadoh - "Defend Yourself" - Copyright: Domino Records
Sebadoh - "Defend Yourself"
© Domino Records

Der Vorwurf, "Defend Yourself" beinhalte genau den Retro-Lo-Fi-Alternative-Sound, den in letzter Zeit Hipster wie Yuck ("Yuck") wieder für sich entdeckt haben, kann so oder so nicht gelten: Sebadoh haben ja selbst anno dazumal genau diesen Sound mit Pavement, Guided by Voices oder Dinosaur Jr erfunden. Die erfolgreichere Karriere hat Barlow zwar auch mit letzteren laufen, bei denen er nach einem Rausschmiss Ende der Achtziger seit 2005 wieder fix als Bassist tätig ist; die Themen, die ihm selbst am Herzen liegen, sind aber seit jeher Sebadoh vorenthalten – dies rührt vielleicht auch daher, dass die Dynamik innerhalb der Gruppe hier eine gesündere sein dürfte.

Der Opener "I Will" legt gleich mit ein paar Textpassagen los, an denen man durchaus ein bisschen zu knabbern hat: "Someone else has found her way into my soul / Things have changed / No longer need to be with you / I'm still the same / but if it's leaving I must do / To be true / I will". Ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, geht es in den nächsten Songs ähnlich weiter: "A family needs me home / But I'm gone", "you never do the things that you say you're going to", "there's really nothing you can do".

Währenddessen hat sich musikalisch – im positiven Sinne – nichts an der Slacker-Mentalität von Sebadoh geändert: Die Gitarren knarzen, schrammeln, grummeln, sind herrisch und zickig, brettern rücksichtlos über den Gesang hinweg, der sich nicht gegen das Ertrinken wehrt, mitunter ohnehin verwaschen und verzerrt daherkommt, dann wieder direkt im Ohr sitzt. "Defend Yourself" ist auf charmante Art und Weise sperrig – und gleichzeitig ein bisschen weird: Hier ein unerwarteter Folkpop-Chor-Sprengsel ("State of Mine"), dort eine Polterpunk-Nummer, die gleichzeitig nach CCR riecht ("Inquiries"), irgendwo dazwischen verneigt man sich ohne Nostalgie vor dem guten, alten Grunge ("Beat"). Und ganz plötzlich geht es sogar behutsam, beinahe berührend zu: "So I told you how I feel and you told me how you feel / And that is why we're lying here", singt Barlow im schlicht instrumentierten "Let It Out" und setzt gänsehautverdächtig nach: "there's so much more I wanna feel".

Fazit

"A phone-call could have stopped this song", spekuliert Barlow in "Oxygen"; nur gut, dass ihm bei den Aufnahmen zum neuen Sebadoh-Album also nichts dazwischen gekommen ist. Die Band führt auf "Defend Yourself" konsequent und aufregend den Stil weiter, den sie in den Neunzigern mitbegründet hatte – gleichzeitig macht die intensive, unverfälschte Auseinandersetzung mit den jüngsten Ereignissen in Barlows Privatleben, so gewagt sie auch sein mag, dieses Album zu einer der ehrlichsten Veröffentlichungen dieses Jahres.

Anspieltipps

I Will

Beat

Once

State of Mine

Artistpage

Sebadoh.com

Tracks

1.I Will
2.Love You Here
3.Beat
4.Defend yr Self
5.Oxygen
6.Once
7.Inquiries
8.State of Mine
9.Final Days
10.Can't Depend
11.Let It Out
12.Listen
13.Separate

Stephanie Stummer - myFanbase
31.10.2013

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