Saturday Night at the Movies (Limited Christmas Edition)
Vor zwei Jahren kannte die fünf Jungs noch kein Mensch in Deutschland. Dann kam RTL NITRO und machte „Gambling Man" zu seinem Werbesong. Der Song kam an, die Band tingelte monatelang durch TV-Shows und als Ergebnis landeten der Song und das dazu gehörige Album in den Top 20 unserer Charts. "Gambling Man" war eben ein toller Ohrwurm und eine Boygroup, die den Doo Wop und Motown-Soul der 50er/60er Jahre bringt, eine interessante Marktlücke. Mit dem Nachfolger "Higher" schaffte man es dann leider nicht, sich weiter zu entwickeln, landete dementsprechend auch nicht mal in den Top 60 – somit liegen die Hoffnungen auf dem nun erschienen Drittling.
Nick Southwood, der Produzent des Debüts, ist diesmal wieder mit dabei, was ein gutes Zeichen sein dürfte. Die anderen Produzenten sind neu. Sie haben schon für Leute wie die Sugababes, Madonna, Girls Aloud und Ellie Goulding gearbeitet, allerdings meist eher als Aufnahmetechniker und Songschreiber. Nun durften sie selbst mal Chef sein. Anders als auf den Vorgängern sind nur noch drei Titel Neukompositionen, letztlich also gerade mal ein Siebtel. Ebenfalls eine Veränderung: Mit Ausnahme der im Doo-Wop-Style natürlich sehr süßen Weihnachtslieder stammen fast alle Coverstücke aus den 60er Jahren. Lediglich eine Ausnahme kommt aus den 20ern, eine aus den 80ern. Die Overtones scheinen ihr Jahrzehnt gefunden zu haben.
Die größte Neuigkeit: Der Titel lässt es vermuten – die Platte hat den Charakter eines Konzeptalbums. Filmsongs neu einzusingen passt auf den ersten Blick zu einer Retro-Band, die sich gerne in Michael Bublés Stammgefilden der Kaufhausmusik und "Nur die Liebe zählt"-Auftritten bewegt. Passend zum Weihnachtsgeschäft die Limited Edition mit vier Weihnachtsliedern zu füllen, wirkt ebenso nachvollziehbar, gleichzeitig aber auch kalkuliert. Da der Vorgänger gerade an dieser Berechenbarkeit krankte, legt man die Scheibe mit einer gewissen Skepsis ein.
Eröffnet wird die CD vom Titelsong, der das Thema vorgibt. Anders als im Original von den Drifters ist bei den Overtones der Bandsound voller, was vermutlich verdecken soll, dass Leadsänger Tim mit Johnny Moores wunderbarem Organ nicht ganz mithalten kann. Da der Song nicht mal drei Minuten dauert, kann Tim in "Do You Love Me?" schnell nachholen, was ihm zuvor nicht möglich war. Seine Stimme passt perfekt zum souligen Rock'n'Roll und so schafft er gemeinsam mit den Bass-Parts seines Kollegen Lachies eine Version, die den Contours in Nichts nachsteht. Anders als die Preluders beschmutzen die Overtones also nicht den "Dirty Dancing"-Ruhm des Liedes. Lachie darf dann im englischen "Probier's mal mit Gemütlichkeit" glänzen – Balus Oscar-nominierter Song scheint einfach wie gemacht für seine tiefe, volle Stimme. Gegen Mitte übernimmt dann Tim als Mogli und stimmt "Ich wäre gern wie du" an. Perfekter Übergang, schönes Mash-up, letztlich nicht so jazzig wie Robbie Williams' aktuelle Version, dafür aber ohne die nervige Stimme von Olly Murs.
Es folgt mit "Miss Hollywood" die erste Neukomposition, an der das Quintett wie immer mitgeschrieben hat. Ein netter Gute-Laune-Song zwischen Boyzone und Duffy, der sofort in Ohr und Beine geht. Dafür, dass er nicht vollkommen belanglos wirkt, sorgt die leicht geflüsterte Bridge als nettes Gimmick. Schön, hier mal Darren kurz zu hören. "All About You" ist die obligatorische Schmachtballade, die – anders als der Füllertrack "Superstar" - gar nicht mal so schlecht ist. Dass Verfasserin Karen Poole was kann, hat sie ja auch mit "Caught In a Moment" von den Sugababes und Kylie Minogues "Red Blooded Woman" (auf "The Best Of") schon bewiesen.
Wirkliche emotionale Wirkung bringt die "Frühstück bei Tiffany"-Ballade "Moon River", einst Oscar- und Grammy-prämiert, nun ganz zart gesungen von Lachie. Hier schaffen die Briten es, nicht zu viel Schmalz und Schmachtalarm zu produzieren, sondern die Schlichtheit des Klassikers zu bewahren – schön!
In "Don't Worry Be Happy" darf Lachie sogar pfeifen, singen und sprechen. Auch alle anderen übernehmen Soloparts in Bobby McFerrins Spaßsong, der in "Wall-E", "Jarhead" oder "Dawn of the Dead" für herrliche Szenen sorgte. Man hat sich dagegen entschieden, ihn a capella zu performen und mit Percussion unterlegt, was wunderbar funktioniert. Der Rock'n'Roll von "Pretty Woman" wird aber leider zu locker runtergespult. "Teenager In Love" ist schnell vergessen – durch welchen Film es bekannt ist, ist mir eh auch nach ausführlicher Recherche nicht klar. Auch Barry Manns "Who Put the Bomp?" ist eher in Serien zu hören, aber mit seinem selbstironischen Doo-Wop-Text ein Muss für die Overtones. Es wird hier eher routiniert vorgetragen, macht eher dadurch, dass alle Jungs mal ans Mikro dürfen, aufmerksam.
"Shake a Tail Feather" stammt eigentlich von den Five Du-Tones und wurde im ersten "Hairspray"-Film verwendet, aber durch Ray Charles in "Blues Brothers" berühmt. Der Song animiert auch bei den Overtones zum Tanzen, zum Twisten und Shaken. Ein Garant für gute Laune ist "Breaking Up Is Hard to Do". Der Song von Neil Sedaka ist zwar nicht gerade für eine legendäre Filmszene bekannt, lief aber u.a. in "Unterwegs mit Jungs" und "Lanny dreht auf", und erfreut auf "Saturday Night..." besonders dadurch, dass alle fünf Jungs Soli haben und unterhält mit dieser Vielseitigkeit, mit Klatschpart und "Dubidamdam" sehr gut.
"Good Will Hunting", "Eis am Stiel" und "American Graffiti" - Del Shannons "Runaway" war in unzähligen Filmen zu hören, vielleicht weil die Strophen und das Flötenzwischenspiel eine so wunderbar traurig-einsame Stimmung erzeugen. Lachies Stimme passt in diese Parts natürlich perfekt, Tim bringt im Refrain dann das Soul-Feeling und bricht damit den Song leider etwas – da das im Original aber auch schon so war, kann das nicht kritisiert werden. Ein Soundtrack-Liebling ist neben "Can't Take My Eyes Off You" auch "It Had to Be You", das u.a. in "Casablanca", "Der Stadtneurotiker" und "Harry und Sally" vorkam. Hier ist es keine herausragende Nummer, aber eine nette.
"Hit the Road Jack" lief auch bereits in diversen Filmen, vor allem aber natürlich in "Ray", darf hier also auch vertreten sein. Die Overtones waren sich wohl bewusst, dass ein Duett zwischen Lachie und Tim hier komisch wirken würde, also wurde die bei uns leider kaum bekannte Beverley Knight eingeladen, den Frauenpart zu übernehmen. Und ebenso wie Lachie bringt sie eine großartige stimmliche Leistung – und dennoch bleibt der Eindruck, dass die zwei noch mehr von der Leine hätten gelassen werden können. Dennoch: Das ist mehr als Kaufhausmusik.
Fazit
Vor einem Jahr enttäuschten die fünf Jungs mit ihrem Zweitling. Der klang zu sehr wie eine berechnete Kopie, es fehlten Innovation und Überraschungen. Die Kritik scheint bei den Band-Machern angekommen zu sein, denn Album Nr. 3 wirkt frischer und kurzweiliger. Der Sound der Overtones klingt nach wie vor etwas schmalzig und durchgestylt, aber die Gruppenharmonien und der Bass wissen mit den gut ausgewählten Liedern wieder genauso zu begeistern wie auf dem Debüt.
Anspieltipps
Do You Love Me?
The Bare Necessities
Breaking Up Is Hard to Do
Moon River
Hit the Road Jack feat. Beverley Knight
Don't Worry Be Happy
Artistpage
Tracks
1. | Saturday Night at the Movies | |||
2. | Do You Love Me? | |||
3. | The Bare Necessities | |||
4. | Miss Hollywood | |||
5. | Pretty Woman | |||
6. | Shake a Tail Feather | |||
7. | All About You | |||
8. | Breaking Up Is Hard to Do | |||
9. | Moon River | |||
10. | Hit the Road Jack | featuring Beverley Knight | ||
11. | Runaway | |||
12. | Don't Worry Be Happy | |||
13. | Teenager In Love | |||
14. | Superstar | |||
15. | It Had to Be You | |||
16. | Who Put the Bomp? | |||
17. | Can't Take My Eyes Off You | |||
18. | White Christmas | |||
19. | Winter Wonderland | |||
20. | Sleigh Ride | |||
21. | It's the Most Wonderful Time of the Year |
Micha S. - myFanbase
20.12.2013
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 15.11.2013Genre: Soul, R&B, Motown, Doo Wop
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