Bewertung
Jamie Cullum

Interlude

Er liebt es zwischen den Stühlen. Zwischen Jazz und all den anderen Musikformen. Zwischen Altem und Neuem. Zwischen dem Leben als heimeliger Familienvater, sensibler Musiker und Bühnensau. Jamie Cullum liebt es zu gestalten, zu experimentieren, zu spielen. Zwischen dem im letzten Jahr veröffentlichten "Momentum" und seinem nächsten bereits vorbereiteten Werk setzt er nun ein Zwischenspiel. Er macht Pause von seinem eigentlichen Crossover-Stil und präsentiert reinen Jazz.

Foto: Jamie Cullum - "Interlude" - Copyright: Island Records/Great Jones
Jamie Cullum - "Interlude"
© Island Records/Great Jones

Die Idee dazu kam dem 35-jährigen Engländer während seiner wöchentlichen Radiosendung, die sich dem Jazz widmet. Da traf er Benedic Lamdin, Kopf der Elektro-Folk-Jazz-Truppe Nostalgia77 und nun Produzent seines neuen Albums. Mit ihm geht er zurück zu seinen Anfängen, bringt im Grunde die Fortsetzung zu seinem Debüt "Pointless Nostalgic", das ebenfalls frei von Einflüssen anderen Genres war. Diesmal spart er sich Eigenkompositionen und interpretiert Stücke von Größen wie Miles Davis, Bing Crosby und Frank Sinatra neben unbekannteren wie Cannonball Adderley und Emmet Miller. "Interlude" wirkt dabei aber nie wie ein plattes oder kalkuliertes Coveralbum. Die zwölf Lieder hat Cullum bewusst ausgewählt, sich zu eigen gemacht und verstanden.

Und natürlich beginnt man mit einem Song, der titelgebend ist. Morrissey, My Chemical Romance, Lil Wayne – alle bieten Songs namens "Interlude" an. Jamie Cullum nahm sich aber natürlich eines Jazz-Standards aus den 40ern an. Dessen markante Bass-Line wird hier unterstützt von einem Terzett aus Trompete, Saxophon und Klarinette – gemeinsam sorgen sie für einen lässigen Einstieg in die CD. In den nachfolgenden Titeln setzt sich der zweifache Papa dann selbst hinters Klavier, überlässt es hin und wieder auch Nostalgia77-Mitglied Ross Stanley – meist steht das Piano aber nicht im Vordergrund. Stattdessen wirken die Instrumente als Gesamteinheit und jedes kommt hier und da zu Wort. Deutlich ist zu hören, dass man live aufgenommen und sich nicht auf einzelne Instrumente, sondern auf den Raumklang konzentriert hat.

Neben all den Titeln, die zwischen den 20er und 60er Jahren entstanden, fand Cullum auch im jetzigen Jahrtausend interessante Songs. Neben "Losing You" aus Randy Newmans letztem Studioalbum wird auch Indiefolk-Musiker Sufjan Stevens gecovert. Das Arrangement seines "The Seer's Tower" übernimmt Jamie im Grunde, reichert es mit jazzigem Schlagzeugbesen an und macht es damit nicht minder eindrucksvoll. Nach einem Ray-Charles-Song ragt so ein Stück natürlich etwas heraus, aber das tun andere Songs auch bewusst. So auch die zwei Duette. Beide Gesangspartner lernte Jamie ebenfalls in seiner Radiosendung kennen – und zahlreiche Auszeichnungen zeigen, dass nicht nur er ihr Talent erkannte. Gregory Porter lässt er in "Don't Let Me Be Misunderstood" gar den Vortritt – warum man den Song allerdings bereits nach knappen drei Minuten beendet, wird nicht verstanden. Zu gut harmonieren die zwei.

Laura Mvula, in unserem Land leider noch weniger bekannt als Porter, lässt in "Good Morning Heartache" Erinnerungen an Billie Holiday wach werden. Zart, verspielt und gleichzeitig kraftvoll singt sie Jamie zu, dessen Stimme zu dem rauchigem Arrangement sowieso perfekt passt. Auch wenn "Interlude" mehr wie ein Band-Album wirkt (und damit passend in der Tradition des Genres steht), glänzt Jamies Stimme durchgängig als weiteres Instrument. Während in "Out of This World" die Instrumente ihr Plattenhighlight kreieren, ist sein Gesang in "Homesick Blues" so erstaunlich wie noch nie. Und wer seine 1999er Version von "My One And Only Love" mit der diesjährigen vergleicht, wird feststellen, wie gereift sein Organ ist und welch bemerkenswerte Fähigkeit er besitzt, es einzusetzen.

Fazit

Er liebt es zu spielen, die Freude am Musikmachen auszuleben - "ohne Brumborium und Ego", wie er im Booklet schreibt. Diese für Jamie Cullum so typische Spielfreude kommt nicht nur auf seinen Crossover-Alben wie "The Pursuit" raus. Mit "Interlude" beweist er, dass auch traditioneller, purer Jazz mit ganz viel Verspieltheit und Herz mitreißen kann. Es mag ein kurzes Intermezzo bleiben, aber ein leidenschaftliches mit tiefem Verständnis der Lieder und spürbarer Liebe zur Musik.

Anspieltipps

The Seer's Tower

Good Morning Heartache feat. Laura Mvula

Don't Let Me Be Misunderstood feat. Gregory Porter

Lovesick Blues

Out Of This World

Artistpage

JamieCullum.com

Tracks

1.Interlude
2.Don't You Know
3.The Seer's Tower
4.Walkin'
5.Good Morning Heartachefeaturing Laura Mvula
6.Sack O'Woe
7.Don't Let Me Be Misunderstoodfeaturing Gregory Porter
8.My One And Only Love
9.Lovesick Blues
10.Losing You
11.Out of This World
12.Make Someone Happy

Micha S. - myFanbase
28.10.2014

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