Bewertung
Alex Clare

Three Hearts

2012 war ein gutes Jahr. Musikalisch gesehen zumindest. Nicht wegen "Call Me Maybe" oder "Gangnam Style". Sondern wegen drei Briten, die mit "Our Version of Events", "Devotion" und "The Lateness of the Hour" drei großartige Werke schufen. Drei ganz unterschiedliche Alben, die aber eins gemein hatten: Sie ließen die Grenzen zwischen souliger und elektronischer Musik verschwimmen. Drei Debüts, die vor Kraft, Können und Innovation strotzten. Während Emeli Sandé noch an ihrem Zweitling arbeitet, haben Jessie Ware ("Tough Love") und Alex Clare ihn nun veröffentlicht. Die Erwartungen sind logischerweise hoch.

Foto: Alex Clare - "Three Hearts" - Copyright: Island Records
Alex Clare - "Three Hearts"
© Island Records

Alex Clares Plattenbosse werden Erwartungen an seine Verkaufseinheiten haben – ging sein Nr. 1-Hit "Too Close" doch über fünf Millionen mal über die Theke. Fans haben andere Erwartungen: Schafft der neuvermählte, frischgebackene Vater erneut einen solch intensiven, druckvollen Sound und solch einnehmende, starke Vocals? Wird's Weiterentwicklung geben, bleibt er sich treu, kopiert er sich selbst? Klappt das auch mit komplett neuen Produzenten? Lediglich ein Produzentenpaar des Debüts hat Alex behalten.

Spätestens mit dem zweiten Titel wird klar, warum. Das titelgebende Stück ist ein chilliger Track, ruhiger und souliger als man den 29-Jährigen kannte. Am Ende ändert er mehrfach die Tonart, wirkt damit nicht nur aller Vorhersehbarkeit entgegen, sondern auch allen Kritikern, denen das ganze zu easy klingt – denn man merkt, warum dieser Song an Stelle 2 steht: Weil er cool ist. Er erinnert an den Northern Soul, der in den 60er Jahren in England entstand und den Plan B kürzlich wieder salonfähig machte. An ihn oder auch John Newman und James Morrison fühlt man sich in vielen Stücken eher erinnert als an Dubstep-Artists oder den druckvollen Sound von Rudimental oder Imagine Dragons.

Vor allem im Mittelteil des Albums reihen sich Songs wie "Just a Man" und "Not In Vain" aneinander, die man in die Singer/Songwriter-Ecke stecken könnte und in denen Alex mehr denn je stimmlich glänzt. Im Refrain wird dann oft aufgedreht, wofür man dankbar ist, was aber als Songschema etwas ausgereizt wird und Lieder wie "The Story" dann auch recht langweilig wirken lässt.

"Take You Back" macht das besser: Ein poppiger Beat, souliger Sound und wo früher surrende Drum'n'Bass-Passagen eingebaut worden wären, gibt es ein Zwischenspiel von Klavier und Streichern zu hören, das aber nicht pathetisch, weich oder zu poppig rüberkommt. Auch "Heavy Hands" ist spannend und feinster Soul mit treibenden Percussion und Anleihen bei Motown und Doo-Wop, der zu automatischem Kopfnicken führt. Kopfschütteln erzeugt "Addicted to Love": Nachdem das Debüt ein großartiges Prince-Cover schuf, konnte man nun wohl auch nicht ohne und nahm sich des Robert Palmer-Klassikers an. Man befreite ihn zwar schön vom 80er-Balast, er wirkt aber von vorne bis hinten freudlos und ist der einzige Song, in dem Clares Gesang bemüht klingt.

Ansonsten: Es ist wahrlich erstaunlich, wie Alex' Stimme ohne Probleme über vollen Soundcollagen schweben kann – so wie in "War Rages On". Hier merkt man schon nach zwei Takten, dass der Track Dampf hat: Endlich gibt es wieder die surrende Bassline und die herrlichen Synth-Effekte! Auch "Never Let You Go" beginnt gleich mit hämmernden Drums, während im Refrain der Synthie energisch tönt. Die Blasinstrumente tun dem vollen Sound gut, machen ihn lebendiger und wärmer als das meiste auf dem Debüt. Die Live-Band hilft, dass man hier besser als OneRepublic klingt, die ihre Lieder oft ähnlich gestalten. "Holding On" ist ebenfalls sehr voll instrumentiert, hinterlässt aber so gar keinen Eindruck.

Angenehm überraschen tun "Unconditional" und "So Deep" mit einer neuen Facette des Briten bzw. zweien: Während sein Gesang im erstgenannten Titel sehr rockig rüberkommt und wunderbar antreibt, gibt es in letzterem smoothen Soul und jazzige Hintergrundinstrumentation. Alexander George Claire wollte eindeutig mehr zeigen – logisch, dass man da zu anderen Produzenten greift.

Fazit

2012 will Alex Clare nicht wiederholen. Und er wird sich auch im Klaren darüber sein, dass er nicht alle Erwartungen erfüllen kann. Auf "Three Hearts" stehen die Lieder an sich mehr im Vordergrund als die technische Spielerei. Wo früher der riesige Spaß der Produzenten zu spüren war, kommt nun die Spielfreude der Musiker durch. Markant ist nach wie vor die Energie seiner Songs – diesmal kommt der Druck nicht immer von Drums, Synthie und Bass. Immer aber kommt er aus Alex' Stimmgewalt. Auch wenn nicht alle Titel so richtig überzeugen, ist seine Stimme erwartungsgemäß das beeindruckendste Instrument.

Anspieltipps

Heavy Hands

War Rages On

Unconditional

Artistpage

AlexClare.com

Tracks

1.Never Let You Go
2.Three Hearts
3.Take You Back
4.Heavy Hands
5.Just a Man
6.The Story
7.Not In Vain
8.Sparks
9.War Rages On
10.Unconditional
11.So Deep
12.Holding On
13.Addicted to Love

Micha S. - myFanbase
16.11.2014

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