Nostalgia
Mit über 80 Millionen Plattenverkäufen während ihrer mittlerweile 35-jährigen Karriere ist Annie Lennox eine ziemliche Bekanntheit. Sie ist die eine Hälfte der Eurythmics und seit über zwanzig Jahren auch solo gefeiert. Mit mehr Brit Awards als jede andere Sängerin wurde sie ausgezeichnet. Sie erhielt Grammys, den Golden Globe, einen Oscar und den britischen Verdienstorden.
Jeder kennt ihre Stimme. Von "Sweet Dreams", "There Must Be an Angel" oder "Why". Durchdringend, markant, irgendwie majestätisch. Neben Tom Jones, Joss Stone und Bryan Duncan zählt sie wohl zu den größten weißen Soulstimmen. Auch wenn mal Singlehits ausblieben, verkauften sich ihre Alben aufgrund ihrer geschätzten Stimme immer wunderbar. Dass die Schottin mit ihrem beeindruckenden Organ viele heutige Popstars beeinflusst hat, ist selbstverständlich.
Wer die geborene Ann Lennox kennt, weiß, dass sie nur das macht, worauf sie Lust hat. Wenn sie nicht touren will, tourt sie nicht. Elternzeit bedeutete bei ihr Rückzug aus der Öffentlichkeit. Mit politischer Meinung wird nicht hinter'm Berg gehalten. Sozialem Engagement widmete sie oft mehr Zeit als ihrem musikalischen Schaffen. Und wenn sie ein Coveralbum machen will, tut sie das. So geschehen bereits mit "Medusa", ihrem großartigen Zweitling, und vor vier Jahren mit "A Christmas Cornucopia".
Die Lieder von ihrer nun sechsten Platte "Nostalgia" sind ebenfalls bekannt. Annie kramte im "Great American Songbook", einer Sammlung an zwischen den 20ern und 60ern geschriebenen Song-Klassikern. Keine neue Idee – entsprechende Konzeptalben haben schon viele Künstler rausgebracht, einzelne Songs der Kollektion hat wohl schon fast jeder interpretiert. Nun reiht sie sich also ein in eine Reihe legendärer Originalkünstler und gekonnter Neuinterpretationen. Das tat sie ganz bewusst: "Ich war einfach neugierig und dachte: Wie klingt meine Stimme dabei? Würden diese Lieder zu meiner Stimme passen? Es war wie eine kleine Herausforderung."
Wer einen Titel kennt, den die knapp 60-Jährige nicht singen könnte, soll sich bitte melden. Natürlich passt deine Stimme, Annie! Selbstverständlich klingt sie so fantastisch wie immer. In "Georgia on My Mind" vertont sie druckvoll die beschriebene Sehnsucht und in "Strange Fruit" vertont sie hörbar die Qual der erzählten Geschichte. Mit emotionaler Wucht und warmer Eleganz stehen die Vocals in Liedern wie "Memphis in June" und "Summertime" ganz klar im Vordergrund vor Klavier und Streichern. Gleichzeitig singt Mrs. Lennox die Titel bewusst zurückhaltender als Leute wie Billie Holiday oder Nina Simone, jedoch immer gekonnt nuanciert.
Nicht von ihr kennen tut man die Reserviertheit der Arrangements. Oft begleiten nur dezent Klavier und Streicher, selten eine Orgel. Weitere Instrumente werden nur ganz vereinzelt eingesetzt. Ob man dadurch den Songklassiker an sich oder Annies Stimme in den Vordergrund stellen wollte, ist nicht klar – was aber bemerkbar ist, ist, dass dies auf Dauer dem Album die Spannung nimmt. Die Freude, die das swingende "I Put a Spell on You" und der Blues "Mood Indigo" auslösen und auch hören lassen, lässt mehr davon vermissen.
Wo sind die intensiven Arrangements, für die Annie Lennox so bekannt ist und wegen der sie im CD-Regal neben Peter Gabriel und Kate Bush stehen darf? Pompös konnte sie früher besser als hier in "September in the Rain" versucht, während sie "You Belong to Me" nie durch den Einsatz der Mundharmonika so versüßlicht hätte. "God Bless the Child" zeigt durch den gospeligen Backgroundchor, dass sie und ihr langjähriger musikalischer Begleiter Mike Stevens es noch können.
Fazit
So kennt man Annie Lennox: makellose Stimmgewalt, leidenschaftliche Songauswahl und sorgfältige Produktion. Eine ihrer betörenden Qualitäten bleibt auf "Nostalgia" allerdings im Hintergrund: Spannende Arrangements. Das wird einige Fans enttäuschen und so manchen Neu- oder Gelegenheits-Hörer langweilen. Liebhaber ihrer Stimme und Freunde der alten Jazz-Klassiker werden an "Nostalgia" aber lange Freude haben. Wenngleich Gelegenheit und Talent zu fesselnden, frischen Arrangements nicht durchgehend genutzt werden, sind die zwölf Stücke ohne Frage glänzend eingesungen.
Anspieltipps
Georgia on My Mind
I Put a Spell on You
Summertime
God Bless the Child
Mood Indigo
Artistpage
Tracks
1. | Memphis in June | |||
2. | Georgia on My Mind | |||
3. | I Put a Spell on You | |||
4. | Summertime | |||
5. | I Cover The Waterfront | |||
6. | Strange Fruit | |||
7. | God Bless the Child | |||
8. | You Belong to Me | |||
9. | September in the Rain | |||
10. | I Can Dream, Can't I? | |||
11. | The Nearness of You | |||
12. | Mood Indigo |
Micha S. - myFanbase
30.11.2014
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 21.10.2014Genre: Soul, Jazz
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